Wird das neue Qualifying zum "Strategie-Krimi"?
Nach Ansicht des Technischen Direktors des Honda Racing F1 Teams wird das neue Qualifying-Format für viel Spannung sorgen
(Motorsport-Total.com) - Mit Spannung warten die Formel-1-Experten darauf, wie sich das neue Qualifying-Format in der kommenden Saison etablieren wird. Einige Insider, darunter FIA-Präsident Max Mosley, stempeln den neuen Ausscheidungsmodus schon vor seinem ersten Einsatz als zu kompliziert ab, andere wiederum sehen in dem neuen Abschlusstraining das richtige Konzept, auf dessen Suche sich die Formel 1 in den letzten Jahren bisher vergeblich begeben hatte.

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Motor schonen oder Benzin verbrauchen? Das dürfte 2006 die Frage sein...
Einer der Befürworter ist Geoffrey Willis, Technischer Direktor des Honda Racing F1 Teams, für den das neue Qualifying "ziemlich interessant" ist und eine Kombination aus den verschiedenen Anforderungen wie einer ausreichend langen Präsenz aller Teams im Fernsehen, viel Action auf der Strecke, den Wunsch, die Autos mit wenig Benzin an Bord zu sehen und taktische Spielereien zu integrieren, darstellt.#w1#
Ausreichend Fahraction wird geboten sein
In den früheren Qualifyings, in denen die Fahrer den Zeitpunkt, an dem sie auf die Strecke gehen, selbst bestimmen konnten, waren von einem langweiligen ersten Drittel geprägt - das wird es in Zukunft nicht wieder geben, denn die Fahrer sind gezwungen, in den ersten 15 Minuten auf die Strecke zu gehen, da die langsamsten Fünf ausscheiden. Auch in den zweiten 15 Minuten müssen alle verbliebenen Piloten auf die Strecke, da abermals die langsamsten Fünf ausscheiden.
Während die Fahrer in den ersten beiden Sessions mit wenig Sprit fahren können, müssen in den letzten 20 Minuten die schnellsten Zehn mit jener Menge Benzin fahren, mit der sie auch ins Rennen gehen wollen. Das ist nach Ansicht von Willis auch gut: "Wir denken, dass ein Qualifying mit der Benzinmenge für das Rennen an Bord zu ziemlich interessanten Rennstrategien führt, deshalb denke ich, ist es wichtig, das beizubehalten", so der Brite gegenüber 'Autosport-Atlas'.
Der Benzinpoker beginnt schon im Qualifying
"Ich nehme an, dass es für die Top-10-Autos relativ einfach sein wird, in die Top 10 zu kommen. Strategisch gesehen wird es schwierig für jene, die denken, dass sie sich nur auf dem neunten oder zehnten Platz qualifizieren können - dann könnte man sich entscheiden, sich für den elften Rang zu qualifizieren und sich damit die Möglichkeit zu verschaffen, mehr Benzin aufzutanken."
Die schnellsten zehn Fahrer müssen sich nämlich schon vor dem letzten Durchgang festlegen, mit welcher Benzinmenge sie in das Qualifying und damit auch in das Rennen gehen. Die vorher ausgeschiedenen Piloten können die Benzinmenge der vor ihnen liegenden Fahrzeuge dann natürlich abschätzen und haben die Möglichkeit, darauf zu reagieren, weil sie die Benzinmenge nicht vorher festzulegen brauchen.
Die Top-Fahrer brauchen zunächst nur "Sicherheitsrunden"
Nach Ansicht des 46-Jährigen könnte es aber durchaus ein langweiliges Element beim neuen Qualifying geben, denn die Top-Piloten dürften zumindest in den ersten 15 Minuten nur eine verhaltene Sicherheitsrunde fahren, denn sie können sich problemlos für den zweiten Durchgang qualifizieren. "In den zweiten 15 Minuten will man wohl nicht den Motor sehr nutzen und fährt dann nur eine lockere Runde, um in die Top 10 zu kommen, wenn man ausreichend schnelles Auto hat."
Im letzten Durchgang könnte es dann erneut zu taktischen Spielereien kommen. Denn die Fahrer dürfen unter Auflagen verbrauchtes Benzin nach dem Qualifying wieder auftanken, könnten also gezielt ein paar Runden fahren, um das Auto leichter und damit schneller zu bekommen, um dann die Pole-Position-Zeit in den Asphalt zu brennen.
"Verschwenden" die Fahrer gezielt Benzin?
"Es sieht danach aus, als würde die FIA eine Benzinverbrauchsziffer definieren, sodass man für jede Runde, die man schneller fährt als einen bestimmten Prozentsatz von der Pole-Zeit, man zusätzlich Benzin auffüllen kann. Sagen wir, dass dies 2,5 Kilogramm pro Runde sind und man zehn Runden in der Session fährt, dann darf man am Sonntagmorgen 25 Kilogramm Sprit nachtanken."
Mit diesem Prinzip will man verhindern, dass die Autos allzu langsam fahren - nur derjenige darf nachtanken, der nicht zu langsam unterwegs ist: "Das Interessante wird sein, wie kurz vor dem Ende man sich auf seinen Versuch begibt", so Willis. "Unternimmt man einen Versuch so früh, dass man noch Zeit hat, um einen neuen Satz Reifen aufzufassen, um noch einmal auf die Strecke zu gehen, wenn man nicht schnell genug war?"
Das Qualifying bietet also vielfältige Möglichkeiten, durch Strategiespielchen die eigene Position zu verbessern. Dies betrifft nicht nur die Top-10-Fahrer, sondern auch die hinteren Piloten, die durchaus ihr Auto voll tanken können, um im Rennen nach vorn zu kommen. Ob diese Spielereien für die Zuschauer nicht zu kompliziert sind, bleibt abzuwarten.

