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Winds of Change - die Aerodynamik in der Formel 1
Die Aerodynamik eines Formel-1-Autos wurde in den letzten Jahren immer wichtiger und stellt eine wichtige Säule des Erfolgs dar
(Motorsport-Total.com) - In der Formel 1 wird um jede Zehntelsekunde viel Wind gemacht. Kein Wunder, denn die Verbesserung der Aerodynamik ist ein wichtiger Faktor für die Performance der Boliden. Nur die Teams, die über einen eigenen Windkanal verfügen, können mit der rasend schnellen Entwicklung mithalten.

© WilliamsF1
Der neue Windkanal von Williams gehört zu den modernsten der Formel 1
Die Performance eines Formel-1-Autos kommt auch beim Großen Preis von Deutschland auf dem Hockenheimring nicht in erster Linie von Motor und Getriebe. Der wichtigste Faktor ist die Aerodynamik. "Im Windkanal werden Rennen gewonnen", sagt Gavin Fisher, Chefdesigner von WilliamsF1, "auf der Rennstrecke werden sie verloren."#w1#
Die Aerodynamik wird immer wichtig bleiben
Zeit ist Geld in der Formel 1 - und Zeit kostet Geld: Die Aufwendungen für die Verbesserung der Aerodynamik verschlingen nach Schätzung von Experten inzwischen rund 15 Prozent des Jahresetats der Teams. Teurer sind nur noch die Motoren. Der Neubau eines modernen Windkanals kostet rund 45 Millionen Euro. Trotzdem haben die meisten Teams in den letzten Jahren einen eigenen Windtunnel gebaut.
Am Hauptsitz von WilliamsF1 im englischen Grove entstand rund um den bestehenden Windkanal ein supermodernes Zentrum für Aerodynamik, das einmalig ist in der Formel 1. Eine Investition in die Zukunft. "Die Aerodynamik", sagt Patrick Head, Director of Engineering von WilliamsF1, "wird trotz aller Regeländerungen immer eines der wichtigsten Elemente der Formel 1 bleiben."
Beeindruckende Anlage von WilliamsF1
Das Herzstück eines modernen Windkanals ist die Messkammer. Auf einem rollenden Stahlband, das die Straße simuliert, steht das Fahrzeugmodell. Mit Hilfe des voll synchronen Mehrachsen-Modellmanagements können die Techniker so gut wie alle Faktoren untersuchen, die ein Rennwagen auf der Strecke antrifft. Dr. Antonia Terzi, Chefaerodynamikerin von WilliamsF1, geht dadurch von "einer Steigerung der Präzision um 30 Prozent" aus. Beeindruckend ist auch der riesige Ventilator, dessen Rotorblätter aus Karbon mit ca. 600 Umdrehungen pro Minute rotieren.
Angetrieben von einem rund 60 Tonnen schweren und bis zu drei Megawatt (4000 PS) starken Motor erzeugt er tornadoartige Windgeschwindigkeiten, bläst eine stehende Luftmasse von neun Tonnen in nur 30 Sekunden mit bis zu 300 Stundenkilometern in die Messkammer Das Laufband simuliert das Fahren des Autos, denn auch durch den Asphalt entstehen Luftverwirbelungen, die seine Aerodynamik beeinflussen.
Die Aerodynamiker interessieren bei den Versuchen im Windkanal drei Werte: Abtrieb, Luft-widerstand und Lastigkeit. Ein höherer Abtrieb macht das Auto in den Kurven schneller, sollte aber ohne höheren Luftwiderstand erreicht werden, weil der die Höchstgeschwindigkeit verringert. Unter Lastigkeit versteht man die Empfindlichkeit des Autos für aerodynamische Veränderungen, die zum Beispiel durch Unebenheiten hervorgerufen werden, die den Abstand der Flügel und des Unterbodens zur Fahrbahn ständig verändern.
Noch kein Ersatz für Windkanalversuche in Sicht
Die neueren Windtunnel wie der von WilliamsF1 bieten den Vorteil, dass darin Fahrzeuge in Originalgröße getestet werden können. In vielen Windtunnels kann nur mit 50- bzw. 60-Prozent-Modellen gearbeitet werden, mit denen sich der Luftstrom durch bestimmte Teile des Fahrzeugs, zum Beispiel durch Radträger oder Felgen, aber nicht wirklich perfekt simulieren lässt. Alternativ ist es aber auch möglich, zwei kleinere Modelle hintereinander zu stellen und dadurch die Luftströme zu messen, die entstehen, wenn sich ein Fahrzeug im Windschatten befindet. Die Höhe und Position der Modelle kann jederzeit von außen per Fernsteuerung verstellt werden - mit einer Genauigkeit von 0,01 Millimetern. Die Reifen, die rund ein Drittel des Luftwiderstandes des gesamten Fahrzeugs ausmachen, sind an Streben fest in der Versuchsanlage installiert.
Um im harten Wettbewerb auf dem Weltmarkt die Nase vorn zu haben, betreiben alle großen Automobilhersteller eigene Windkanäle. "Mit der zunehmenden Realitätsnähe der numerischen Strömungsmechanik werden zwar immer mehr Eigenschaften am Computer berechenbar, auf absehbare Zeit werden experimentelle Überprüfung und Verfeinerung im Windkanal aber un-verzichtbar sein", sagt Dr. Christoph Lauterwasser vom Allianz Zentrum für Technik. "In der Serie steht die Optimierung des Luftwiderstandes und damit des Kraftstoffverbrauchs im Vordergrund, darüber hinaus werden aber viele weitere Fragestellungen wie zum Beispiel die Minimierung der Windgeräusche untersucht."
Alle verfügbaren Möglichkeiten nutzen
Wie schnell sich in der Formel 1 mit Hilfe des Windkanals aerodynamische Verbesserungen umsetzen lassen, zeigt die neue Entwicklungsstufe des Williams FW26. Am Montag nach dem Großen Preis von Monaco hat WilliamsF1-Technikchef Sam Michael bei seinen Ingenieuren ein umfangreiches Änderungspaket in Auftrag gegeben, das Seitenkästen, Kühleinlässe, Kühler, Motorabdeckung, Auspuffführung, Winglets, Flip-ups, Unterboden, Heckflügel, Spurstangen und Ersatzflügel auf Höhe der Vorderachse umfasste - schon vier Rennen später, beim Großen Preis von Frankreich, stand der runderneuerte Bolide am Start. Ohne Windkanal wäre das allenfalls bis zur neuen Saison zu schaffen gewesen.
Die Windkanaltruppe von WilliamsF1 war allein für diese Verbesserungen rund 500 Stunden im Einsatz. Insgesamt verbringen die Aerodynamiker der Formel-1-Teams nach Expertenschätzungen bis zu 8000 Stunden pro Jahr im Windkanal. Um die Anlage möglichst optimal zu nutzen, werden nicht selten zwei, manchmal sogar drei Schichten gefahren. "Unser Windtunnel bietet tolle Möglichkeiten zur Verbesserung der Performance unseres Autos", sagt Gavin Fisher. "Es wäre ein großer Fehler, diese Möglichkeiten nicht optimal zu nutzen."

