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  • 02.04.2010 16:57

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Willis übt scharfe Kritik an Dallara

HRT-Berater Geoff Willis wundert sich über die haarsträubenden Mängel des Dallara-Chassis: "Es ist eine Qual, das Setup umzubauen"

(Motorsport-Total.com) - Es gilt als kleines Wunder, dass Colin Kolles aus dem in jeder Hinsicht maroden Campos-Projekt binnen weniger Wochen das funktionierende HRT-Team geformt und sogar beim Saisonauftakt in Bahrain an den Start gebracht hat. Insofern hinterfragt derzeit noch niemand die sehr bescheidenen Vorstellungen des Rennstalls auf der Strecke.

Titel-Bild zur News: Bruno Senna

Kein Formel-1-Standard: Das Dallara-Chassis in der Box des HRT-Teams

In Bahrain absolvierte Bruno Senna die Jungfernfahrt mit dem Dallara-Cosworth-Paket, Karun Chandhok drehte die ersten Runden mit seinem Chassis sogar erst im Qualifying. In Australien gelang schon die erste Zielankunft, aber die Rundenzeiten waren deutlich schlechter als jene von Lotus und Virgin, die als Maßstab gelten müssen. Das muss man jedoch nicht der Kolles-Truppe vorwerfen, sondern vielmehr Chassisbauer Dallara.#w1#

Stolpersteine auf dem Weg nach Bahrain

Der von Kolles eingesetzte Technische Berater Geoff Willis lässt am italienischen Rennwagenbauer kein gutes Haar: "Ehrlich gesagt bin ich enttäuscht. Ich hatte mehr erwartet", erklärt er gegenüber 'Motorsport-Total.com'. "Es gibt viele Gründe, weshalb das Design beeinträchtigt ist, nicht zuletzt natürlich die Unterbrechung des Projekts. Auf dem Weg nach Bahrain wurden sozusagen viele Kurven abgekürzt, um es rechtzeitig zu schaffen."

"Trotzdem bin ich enttäuscht über die Technologie des Autos, denn die entspricht nicht modernen Formel-1-Standards - und zwar bei weitem nicht", kritisiert Willis. "Das liegt am Zeitmangel, das liegt an der Erfahrung, das liegt am Geld, aber selbst in Anbetracht dieser Faktoren war ich sehr enttäuscht über das, was ich vorgefunden habe. Wir müssen es besser machen. Ob mit oder ohne Dallara, das wird sich in den nächsten Wochen entscheiden."

Er selbst kann derzeit wenig ausrichten, weil Adrian Campos mit Dallara einen sehr semiprofessionell anmutenden Vertrag ausgehandelt hat. Diesem Vertrag ist es zu verdanken, dass HRT nicht einmal Zugriff auf die Designpläne des eigenen Boliden hat! Außerdem lag das Projekt im Januar/Februar wochenlang auf Eis. Das sei aber keine Ausrede für das schlechte Design, denn: "Man kann das Aeroprogramm mit dem von Lotus vergleichen - und dieses Auto ist deutlich langsamer als der Lotus."


Fotos: HRT, Großer Preis von Malaysia, Freitag


Hat Dallara den Anschluss verpasst?

"Was Produktionsqualität, Designqualität und die Verfeinerung des Designs angeht, wurden viele Tricks übersehen, die für alle anderen in der Boxengasse heutzutage selbstverständlich sind", so Willis. "Die Formel 1 hat sich in den vergangenen Jahren jedes Jahr massiv weiterentwickelt. Sogar wenn man nur fünf Jahre betrachtet, ist man manchmal ganz baff über die Qualitätsverbesserungen der Autos. Da kann man leicht den Anschluss verlieren, wenn man nicht in der Formel 1 ist."

Hinzu kommt, dass die Ingenieure und Mechaniker, die das Auto ja nicht selbst gebaut haben und dementsprechend schlecht damit vertraut sind, auch noch mit Problemen konfrontiert werden, die es in der Formel 1 eigentlich nicht mehr geben sollte. So wurden anfangs angeblich Klebstoffe verwendet, die plötzlich wieder flüssig wurden, und viele Handgriffe, die normalerweise ein paar Minuten dauern sollten, sind äußerst kompliziert und zeitaufwendig.

Geoff Willis

Geoff Willis ist vom Dallara-Chassis des HRT-Teams sehr enttäuscht Zoom

"Die Arbeit mit diesem Auto ist nicht einfach, das stimmt", seufzt Willis, "und das hat mich sehr überrascht, denn ich hätte gedacht, dass ein erfahrener Rennwagenbauer wie Dallara gerade das sehr gut hinbekommt. Das ist aber nicht der Fall. Es ist eine Qual, wenn man während einer Session das Setup umbauen oder andere Wartungsarbeiten vornehmen möchte. Diesbezüglich ist es ein schwieriges Auto."