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  • 13.10.2008 09:16

  • von Christian Sylt & Caroline Reid

Williams vor dem Bankrott?

Es ist schlecht bestellt um das Traditionsteam Williams: Der Schuldenberg wächst und selbst gegen eine Übernahme sprechen viele Gründe

(Motorsport-Total.com) - In Singapur erreichte Nico Rosberg mit seinem zweiten Platz das beste Resultat eines Williams-Boliden seit 2005. Doch der Schein trügt, denn wie die kürzlich veröffentlichten Geschäftsbilanzen für 2007 enthüllen, geht es dem letzten unabhängige Traditionsteam der Formel 1 nicht besonders gut.

Titel-Bild zur News: Nico Rosberg

Schon der letzte Hoffnungsfunke? Das Williams-Team steht am Abgrund...

Eigentlich hätte die Bilanz für 2007 positiv ausfallen müssen. Zwar hat Williams Budweiser, Castrol und Mobilecast als Sponsoren verloren, dafür kamen aber Air Asia, Lenovo und Hauptsponsor AT&T neu an Bord. Außerdem gelang ein Sprung vom achten auf den vierten Platz der Konstrukteurs-WM. Dennoch wurde ein Verlust von umgerechnet 27,2 Millionen Euro eingefahren, noch mal um 8,1 Millionen Euro mehr als im vorherigen Negativrekordjahr 2006.#w1#

Der Schuldenberg wächst

Die Einnahmen stiegen zwar um 14,6 Prozent auf 85,3 Millionen Euro an, aber die Ausgaben betrugen 112,5 Millionen Euro. Um überhaupt überleben zu können, nahm Williams einen Kredit bei der Barclays-Bank auf, obwohl die an der Finanzmarktkrise leidende Royal Bank of Scotland (RBS) einer der Teamsponsoren ist. Der Schuldenberg beträgt nun über 30 Millionen Euro. Damit belaufen sich die jährlichen Verbindlichkeiten alleine durch Kredite auf etwa zwei Millionen Euro.

Um diese Kostenspirale in den Griff zu bekommen, nahmen die Teilhaber Frank Williams (70 Prozent) und Patrick Head (30 Prozent) das zweite Jahr in Folge eine Gehaltskürzung um etwa eine Million Euro in Kauf. Weitere 1,7 Millionen Euro konnten durch den Abbau von 14 Jobs in der Forschungs- und Entwicklungs- sowie in der Produktionsabteilung sichergestellt werden. Trotzdem ging der Kontostand 2007 um 60 Prozent auf nur noch knapp 16.500 Euro zurück.

Trotz des Rosberg-Podiums in Singapur ist das Team nur noch ein Schatten seiner selbst. Vom 2004er-Umsatz von über 100 Millionen Euro - damals noch mit BMW als Partner - wagt man in Grove heute nicht einmal mehr zu träumen. Obendrein hat Marketingchef Scott Garrett Ende August das Team verlassen. Theoretisch müsste Williams also ein Schnäppchen für einen Übernahmeinteressenten sein, doch selbst das ist nur bedingt der Fall.

Zu Jahresbeginn wurde vermutet, dass sich die isländische Investmentgruppe Baugur ins Team einkaufen könnte, weil Baugur-Marken wie etwa die Spielwarenfirma Hamleys mit ihren Aufklebern prominent auf den Williams-Boliden auftauchten. Doch Island steht im Zuge der weltweiten Finanzmarktkrise vor dem Staatsbankrott, sodass die Chancen auf einen Totaleinstieg von Baugur wohl eher gering einzuschätzen sind.

Warum eine Übernahme unwahrscheinlich ist

Ein weiterer Stolperstein ist, dass eine Übernahme oftmals kreditfinanziert wird. Der Barclays-Kredit, der durch die wichtigsten Objekte von Williams gesichert ist, beinhaltet jedoch eine Klausel, wonach die Williams-Objekte durch keinen weiteren Kredit belastet werden dürfen. Und dann wäre da noch Frank Williams, der sich die Entscheidungsgewalt wohl kaum wegnehmen lassen wird, solange er noch am Team beteiligt ist.

Frank Williams

Frank Williams kämpft mit seinem Team derzeit um das Überleben Zoom

In den Articles of Association, die die Regeln im Innenverhältnis der Firma festlegen, steht, dass Williams selbst Vorsitzender sein muss, solange er einen Sitz im Vorstand hat. Die viel entscheidendere Passage könnte aber sein, dass zwar grundsätzlich ein Mehrheitsrecht bei allen Vorstandsentscheidungen gilt, dass die Mehrheit jedoch zwingend Williams' Stimme beinhalten muss. Demokratie einmal anders.

Laut Bilanzbuchhalter "kann man davon ausgehen", dass Williams "adäquate Ressourcen" zur Verfügung hat, um den Betrieb "auf absehbare Zeit" fortzuführen. Aber ist es nicht ein trauriges Zeichen der Zeit, wenn eines der erfolgreichsten Formel-1-Teams der Geschichte in seinem 30. Jubiläumsjahr nicht einmal mit Sicherheit weiß, ob es auch in zwei Jahren noch auf der Startaufstellung stehen wird?