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  • 19.07.2011 08:47

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Williams ärgert sich über Zwischengas-Rückzieher

Die Freude über den Zwischengas-Kompromiss überwiegt, aber vor allem Williams ärgert sich darüber, dass mit zweierlei Maß gemessen wurde

(Motorsport-Total.com) - Eigentlich hätten die umstrittenen Zwischengas-Motorenmappings ab Silverstone abgeschafft werden sollen, doch nach einem mehrtägigen Regel-Diskussionschaos entschieden sich die Verantwortlichen der Einfachheit halber dann doch, das Verbot schon ab dem Nürburgring wieder zu verwerfen. Darüber sind im Gegensatz zum allgemeinen Fahrerlager-Glauben nicht alle glücklich.

Titel-Bild zur News: Adam Parr

Das Williams-Team ist nicht erfreut über den Ausgang der Zwischengas-Frage

Besonders verärgert ist Adam Parr, dessen Williams-Team die ganze Sache mit einer Anfrage beim Technischen Delegierten der FIA, Charlie Whiting, erst ins Rollen gebracht hat. Damit wollte man allerdings nicht die Konkurrenz schikanieren, sondern "es ging uns nur darum, herauszufinden, ob etwas legal ist oder nicht, bevor wir dafür zig Millionen ausgeben", erinnert sich Parr. Und tatsächlich kam die Antwort von Whiting: Zwischengas-Mappings sind illegal.

Williams verärgert über Zickzack-Kurs

Der Rest ist (leidige) Geschichte: Erst hätte das Zwischengas-Konzept schon vor Barcelona abgeschafft werden sollen, dann wurde es stattdessen in zwei Etappen für Valencia und Silverstone beschlossen. Der Silverstone-Schritt wurde nun aber wieder zurückgenommen. Dass viele Teams nun argumentieren, das Erlauben von Zwischengas-Mappings sei im Interesse des Sports, kommt bei Williams nicht gut an.

Schließlich wurde 2009 auch keine Rücksicht genommen, als Williams am Saisonbeginn eines von nur drei Teams mit einem Doppeldiffusor war. "Ich habe kein Mitleid", sagt Parr und erinnert sich: "Die Sache ärgert mich wirklich, denn ich saß in Paris vor dem Berufungsgericht, als bestimmte Teams klagten: 'Diese Autos sind zu schnell und zu gefährlich.' Das war eine Person, die berühmt dafür ist, schnelle Autos zu bauen und die heute noch schnelle Autos baut."

¿pbvin|512|3891||0|1pb¿"Mein Punkt ist, dass die damals auch nicht gesagt haben: 'Och, die armen Williams, Toyota und Brawn, jetzt haben sie so viel Geld ausgegeben und ihr ganzes Konzept darauf ausgelegt. Lassen wir sie den Vorteil bis zum Saisonende haben und dann ändern wir es.' Von wegen", schimpft der Vorstandsvorsitzende. "Sie haben in Melbourne Protest eingelegt, sie haben in Malaysia Protest eingelegt und dann sind sie in Paris vor Gericht gezogen. Es gibt Dinge, die mich wirklich irritieren."

Ein weiteres Team, das den Zwischengas-Rückzieher zunächst noch blockiert hat (gemeinsam mit Ferrari), ist Sauber. Doch die Schweizer wehren sich dagegen, als Blockierer dargestellt zu werden: "Wir denken primär an das Image und die Fans der Formel 1", stellt Geschäftsführerin Monisha Kaltenborn gegenüber 'auto motor und sport' klar. "Die ganze Angelegenheit wurde am Ende sehr kompliziert. Deshalb sind wir froh, dass es nun eine Einigung gibt."

Sauber bleibt auf Kurs

Auch Technikchef James Key unterstreicht: "Wir tun gar nichts, sondern wir folgen nur der Linie, die die FIA vorgegeben hat. Wir sind nicht die bösen Zungen, obwohl es so dargestellt wurde. Wir haben eine sehr klare Stellungnahme abgegeben, als die FIA verleitet war, dieses Motorenmapping-Thema anzufassen - wir waren damit einverstanden. Das war unsere gleichbleibende Position. Wir haben also nicht unsere Meinung geändert und wir haben nichts blockiert."

"Ganz ehrlich: Die Opposition gegen Charlies Technischen Direktiven kam von anderen Leuten", spielt er auf die Williams-Position an, die erst für, dann gegen ein Zwischengas-Verbot war. "Es ist leicht, uns als die bösen Jungs darzustellen, aber wir haben das, was die FIA will, genau eingehalten." Und: "Es schien schwierig, eine Übereinkunft zu finden, aber wir haben unsere Linie gehalten. Nur haben der nicht viele zugestimmt", so Key.

Seiner Meinung nach ist die letztendlich beschlossene Variante, das Zwischengas-Verbot einfach auszusetzen und erst ab 2012 einzuschreiten, keine Lösung: "Wir waren mehr als glücklich, einen Kompromiss zu finden, denn der war notwendig", betont Key zwar, doch gleichzeitig sagt er: "Für mich ist es keine Lösung, einfach zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Das ist keine Lösung, sondern ein einfacher Ausweg."

"Das ist keine Lösung, sondern ein einfacher Ausweg." James Key

So sehen das auch Paragrafenreiter im Fahrerlager, die unterstreichen, dass jede Regeländerung von der Technischen Arbeitsgruppe, der Formel-1-Kommission und dem Motorsport-Weltrat abgesegnet werden muss. Das ist beim Zwischengas-Rückzieher nicht passiert. Die FIA wiederum argumentiert, dass es sich nie um eine Regeländerung gehandelt hat, sondern lediglich um eine Präzisierung des bestehenden Reglements.

Freude über Kompromiss überwiegt

Eric Boullier kann solche Argumentationen schon nicht mehr hören: "Die Debatte ist beendet, bitte beginnt nicht wieder damit", grinst der Renault-Teamchef und bringt seine Freude über den Kompromiss zum Ausdruck: "Erstens beenden wir damit diese überflüssige Debatte und zweitens halte ich das für die gerechteste Lösung für alle. Wir alle haben diese Systeme entwickelt und daran gearbeitet, sind alle damit gefahren. Davor war es kein Problem, also ist das nur fair."

"Diese Sache hat niemandem geholfen", nickt Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali. "Wir müssen einen Strich drunterziehen und nach vorne schauen, denn wohin geht die Reise sonst? Selbst wenn ich mit dem Prozess nicht einverstanden bin, sehe ich ein, dass wir im Interesse des Sports etwas tun mussten." Und das hat Ferrari, einer der mutmaßlich größten Profiteure eines Zwischengas-Verbots, getan: "Ich glaube nicht, dass sich alle so verhalten wie wir..."

"Ich glaube nicht, dass sich alle so verhalten wie wir..." Stefano Domenicali

Denn während die beiden Topteams McLaren und Red Bull durch das Zwischengas-Verbot in Silverstone recht dramatische Einschnitte hinnehmen mussten, feierte Fernando Alonso auf Ferrari den ersten Saisonsieg. Experten argumentieren nun, dass Ferrari durch das Verbot kaum etwas verloren hat, weil die Italiener die Technologie nie im Griff hatten. Aber wie viel bringt das System den Teams, die es gut beherrschen, wirklich?

"Jeder kann irgendwas behaupten, weil niemand wirklich weiß, wovon wir reden. Ich habe von drei Zehntel bis eine Sekunde schon alles gehört", erklärt Domenicali, setzt den Fokus aber lieber woanders: "Ich weiß es nicht, sondern ich schärfe meinen Leuten lieber ein, dass sie sich auf die Weiterentwicklung des Autos konzentrieren. Ich sage ihnen, dass sie diesen ganzen Diskussionen keine Aufmerksamkeit schenken sollen."