powered by Motorsport.com
  • 14.08.2014 14:39

  • von Marcus Simmons (Haymarket)

Wie Berger Ferrari wieder auf die Siegerstraße brachte

Ferrari holte Gerhard Berger einst zurück, um das Team in den 1990ern aus dem Sumpf zu ziehen, jetzt erzählt der Österreicher, wie viel Arbeit das gemacht hat

(Motorsport-Total.com) - Gerhard Berger lacht. "Für einen Menschen ist es ganz natürlich, Dinge zu vergessen, die er nicht gemocht hat", sagt er. "An die Hälfte der Dinge kann ich mich daher gar nicht erinnern!" Auf dieser Basis ist es vermutlich fair zu sagen, dass sich seine Erinnerungen der Formel-1-Saison 1993, über die wir hier diskutieren, ungefähr auf 25 Prozent beschränken. Und das ist noch großzügig.

Titel-Bild zur News: Gerhard Berger

Gerhard Berger jubelt: Der Österreicher brachte Ferrari wieder nach oben Zoom

Berger kam zu Ferrari, als das Team aus Maranello ganz am Boden lag. Er kam von McLaren, um Ivan Capelli zu ersetzen, und wurde mit viel Geld gelockt - so viel, dass Keke Rosberg spottete, er müsse seine Geldbörse im Rennanzug vergessen haben, als der Österreicher beim Wiegen vor dem Saisonauftakt 1993 in Südafrika alle übertrumpft hatte.

Später in der Saison erinnerte sich Berger an den ersten Test mit dem Ferrari F93A in Estoril: "In dieser Nacht fuhr ich zurück zum Hotel und dachte: 'Jesus Christus, was habe ich getan?' Aber dann haben wir einige Fortschritte gemacht. Jetzt haben wir nur noch zwei Probleme: eines ist Zuverlässigkeit, das andere Performance!" Es war das letzte Jahr mit aktiver Aufhängung, eine Philosophie, die Ferrari nie verstanden hatte. Manchmal war das Handling schlecht genug, um Berger und Teamkollege Jean Alesi in Angst zu versetzen.

Die Crux mit der Aufhängung

Der F93A sollte nur ein Interimsauto sein, denn ein neues Auto war für die Saisonmitte geplant. Aber als verkündet wurde, dass Fahrhilfen zur Saison 1994 verboten sein würden, entschied Ferrari, sich auf die Entwicklung des nächstjährigen Boliden zu konzentrieren. Alesi und Berger mussten daher weiter mit dem F93A Vorlieb nehmen. Eine Reihe von Unfällen ließ Berger auf seinem Tiefpunkt als Formel-1-Fahrer zurück, er beendete die Saison mit zwölf Punkten auf Rang acht - zwei Plätze und vier Punkte hinter Alesi.

"Die einzigen Jungs, die die aktive Aufhängung in ihrer Komplexität wirklich verstanden haben, war Williams", sagt Berger heute. "Williams hatte begonnen, eine ordentliche, funktionierende aktive Aufhängung zu haben, während einige andere Teams es nicht einmal ansatzweise verstanden haben. Leider waren wir eines davon. Wir hatten Aktoren, die dorthin gegangen sind, wo sie nicht hinsollten, und wir hatten keine Korrektur, als wir eine Korrektur gehabt haben sollten. Das System war langsam; es war nicht zuverlässig."

Gerhard Berger

Der Ferrari von 1993 lag häufig nicht so, wie er liegen sollte Zoom

"Obendrein hatten wir es viel zu komplex benutzt, weil wir versucht haben, es vorne und hinten zu machen und mit der Aerodynamik zu spielen. Ich denke, hätte jemand entschieden, einfach zurückzugehen und Federn und Dämpfer einzubauen, dann wären wir besser gewesen. Politisch wäre das aber nicht möglich gewesen." Tatsächlich hat Berger den neuen Sportchef Jean Todt vor dem Saisonfinale in Australien genau darum gebeten, doch Todt, der seinen Fahrer verstanden und mit ihm übereingestimmt hat, musste es genau aus den politischen Gründen ablehnen, die Berger anspielt.

"Erinnerst du dich an 1992, als Ferrari den doppelten Unterboden hatte?", fährt Berger fort. "Der doppelte Unterboden hat viel Abtrieb produziert, doch er war gegenüber dem Boden zu empfindlich, daher hat er nicht funktioniert. 1993 haben wir eine aktive Aufhängung entwickelt, aber wir haben einen sehr simplen Unterboden angebracht, um sie weniger empfindlich gegenüber dem Boden zu machen - und das war genau das Gegenteil von dem, was wir hätten tun sollen!"

"Einige Teams hatten es nicht einmal ansatzweise verstanden. Leider waren wir eines davon." Gerhard Berger über die aktive Aufhängung

"Eine aktive Aufhängung sollte da sein, um einen empfindlichen High-Performance-Abtrieb zu schaffen, weil das Aktive die Bodenfreiheit jederzeit korrigieren sollte. Man sollte entweder das komplexe High-Downforce-Setting lassen und die Aufhängung zum Funktionieren bringen, oder man sollte einen weniger empfindlichen Abtrieb machen und die normalen Federn einbauen."

Fortschritte dank Honda

Aber Ferrari machte Fortschritte - dank der Inanspruchnahme der Hilfe von Honda. Der japanische Hersteller hatte die Formel 1 Ende 1992 verlassen, und Berger, der drei Grands Prix in einem McLaren-Honda gewonnen hatte, war ein wichtiger Teil bei der Beschaffung von Hilfe für den Motor von Ferrari. Ferrari ließ seinen 60-Ventil-V12-Motor für den 48-Ventil-V12-Motor im Honda-Stil fallen - und die Performance wurde besser.

"Ja, ich erinnere mich daran", sagt Berger. "Das war eine weitere politische Funktion. Ich kam von Honda, und einer der Vorteile waren die Zylinder im Ventilsystem. So ziemlich alles war ein Pneumatik-Ventil-System. Wir haben also versucht, eine Kooperation zu vereinbaren, um unsere Performance zu verbessern - und wir haben einen Schritt nach vorn gemacht."


Fotostrecke: Die Formel-1-Karriere von Gerhard Berger

Die Hoffnungslosigkeit der aktiven Aufhängung von Ferrari wurde perfekt demonstriert, als die Teams im Dezember 1993 zu einem viertägigen Test zum Circuit de Catalunya gekommen waren. Jeder fuhr in Vorbereitung auf 1994 eine passive Aufhängung, Berger setzte die Bestzeit und war dabei vier Sekunden schneller als im Qualifying zum Spanien-Grand-Prix sieben Monate zuvor.

"Ich weiß, was ich mit dieser verdammten Aufhängung machen muss", sagte er damals. Mit der Rückkehr von Designer John Barnard zur Ferrari-Gemeinde - "Ich habe mit ihm sehr gut zusammengearbeitet und ihn sehr geschätzt", sagt Berger heute - und dem schönen 412T1 im Anmarsch sahen die Dinge für 1994 gut aus. Doch die Saison begann enttäuschend und Berger gibt zu: "Schön und schnell sind zwei verschiedene Paar Schuhe!"

"Schön und schnell sind zwei verschiedene Paar Schuhe!" Gerhard Berger

1994: Schlechter Beginn, steter Aufstieg

Bei der Saisoneröffnung in Brasilien hatte sich Berger als 17. qualifiziert, schoss in Runde eins auf acht nach vorne, schied dann mit einem Motorschaden allerdings bereits nach fünf Runden aus. Danach nahm das Team Alesi mit nach Mugello, wo er einen neuen Frontflügel testen sollte, der Untersteuern beheben sollte. Allerdings wurde das Heck dadurch zu schwammig und der Franzose verunfallte schwer, brach sich einen Wirbel und musste die nächsten beiden Rennen aussetzen.

Während Alesi außer Gefecht war, wurde Berger weit hinter Michael Schumacher Zweiter beim Pazifik-Grand-Prix - sein bestes Resultat seit der Rückkehr zu Ferrari 1993 - und Ersatzmann Nicola Larini wiederholte das Ergebnis beim tragischen San-Marino-Rennen. In Imola wurde das letzte Puzzlestück im Qualifying ausprobiert: ein 75 Grad V im 12-Zylinder-Motor, der Berger an die Spitze der Topspeed-Wertung und auf Rang drei im Qualifying brachte.

Gerhard Berger, Michael Schumacher, Rubens Barrichello

Beim Pazifik-Grand-Prix 1994 feiert Berger das erste Erfolgserlebnis Zoom

1994 war Ferrari das einzige Team, das noch einen 12-Zylinder-Motor einsetzte. "Höchstwahrscheinlich hatten wir die meiste Power", sagt Berger, "aber wir mussten durch den benötigten Sprit mehr Gewicht mit uns herumtragen. Das bedeutete, dass wir im Heck ein wenig schwerer waren." Trotzdem wurde Berger in Monaco Dritter (er war Zweiter bevor er auf einer Ölspur in den Notausgang in St. Devote rutschte), in Kanada Vierter und wieder Dritter in Frankreich, wo eine modifizierte Version des Autos - der 412T1/B - sein Debüt gab.

Die Erlösung von Hockenheim

Gegenüber 1993 war das eine gewaltige Verbesserung und kündigte einen Formansprung im Sommer an. Berger konnte mit dem 75-Grad-V12 mit Schumacher und Damon Hill um die Pole-Position in Silverstone kämpfen und war gerade dabei, sich den Spitzenplatz zu holen, als er die Boxenmauer touchierte. In Hockenheim kam dann alles zusammen: Mit einer "konservativen" Version des 75-Grad-V12, die er zum ersten Mal im Renneinsatz fuhr, gewann er den Deutschland-Grand-Prix von der Pole-Position aus.

Worin lag der Unterschied zu zwölf Monate zuvor? "Wir sind 1993 ganz einfach nicht wirklich Rennen gefahren. Wir haben versucht, die aktive Aufhängung zu verstehen, und jeder Tag endete im verdammten Fiorano mit dem Versuch, uns zu verbessern. Es waren das Konzept und die grundlegende Ingenieursarbeit, die nicht auf dem richtigen Level waren. Wir haben unsere Zeit in die falsche Richtung verschwendet."

Gerhard Berger

In Hockenheim führte der Ferrari-Pilot das Rennen von der Pole weg an Zoom

Beim Rennen in Hockenheim gab es einen frühen Kampf mit Schumacher. Der Benetton konnte nicht vorbeigehen, und schließlich machte Schumacher seinen ersten Boxenstopp. Berger hatte nur einen Stopp geplant, konnte sich aber nicht sicher sein, dass Schumacher noch einen weiteren machen würde. Daher musste er weiter Druck machen, bis der Motor des Benetton den Geist aufgab. "Er hing in meinem Getriebe, und ich denke, dass er am Ende den Motor überhitzt hat", sagt Berger. "Er kämpfte eine lange Zeit mit mir."

"Schumacher hat mit allen Kräften versucht, an mir vorbeizukommen, aber natürlich war es sehr schwierig, in Hockenheim zu überholen - selbst auf den langen Geraden, da diese ziemlich eng waren. Man muss sein Auto einfach in der Mitte platzieren, und dann ist es für jeden schwierig, an dir vorbeizukommen."

Der Anfang des Aufschwungs

Berger hatte für Ferraris ersten Sieg seit dem Spanien-Grand-Prix 1990 gesorgt und sollte noch zweimal nah rankommen. In Monza führte er vor den Williams von Hill und David Coulthard, als er Zeit beim Boxenstopp verlor. Gegen Ende des Rennens kam er wieder näher und konnte den Schotten für Rang zwei in der letzten Runde überholen, als dessen Motor starb. Beim berühmten Saisonfinale in Adelaide führte Berger vor dem späteren Sieger Nigel Mansell, als er einen Randstein berührte und von der Strecke abkam, bevor er Zweiter wurde.

In dieser Saison holte Berger 41 Punkte und wurde Dritter in der Meisterschaft, Alesi mit 24 Punkten Fünfter. Das war ein großer Wendepunkt, der Ferrari wieder in die richtige Richtung bringen sollte. "Das war wichtig, besonders für mich, weil ich gekommen war, um bei der Entwicklung des Autos zu helfen", sagt Berger. "Es war das zweite Mal, dass ich zu Ferrari gekommen war, nachdem sie lange Zeit nichts gewonnen haben."

Gerhard Berger

Der Sieg von Hockenheim sollte für Ferrari der große Wendepunkt zum Erfolg werden Zoom

"Ferrari hat mich 1993 geholt, um alles zu konsolidieren und zu versuchen, etwas für 1994 zusammenzubekommen. Aber wir hatten zu dieser Zeit zwei große Probleme. Eines war der 12-Zylinder-Motor. Wir waren zu dieser Zeit auf Power fokussiert, obwohl man auf Aerodynamik und Gewicht fokussiert sein sollte. Das andere war, dass wir unsere Zeit mit der aktiven Aufhängung verschwendet haben, weil wir nicht die Entwicklungsfähigkeiten hatten, sie zum Funktionieren zu bringen."