Whitmarsh: Wie man die Formel 1 retten kann
McLaren-Teamchef Whitmarsh ist der Meinung, dass man den typischen Motorensound vielleicht opfern muss, damit die Formel 1 salonfähig bleibt
(Motorsport-Total.com) - Der Motorsport und die Formel 1 sind im Umbruch. Während Umweltschutz und die "Königsklasse" des Motorsports vor einem Jahrzehnt noch kaum Berührungspunkte hatten, hat sich dies stark geändert. Durch Naturkatastrophen und die globale Erwärmung ist jedem bewusst geworden, dass nur ein verantwortungsbewusster Umgang mit unserer Umwelt langfristig den Bestand der Menschheit sichern kann.

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Martin Whitmarsh (hier mit Bernie Ecclestone) fordert ein Umdenken
Vor allem die Automobil-Branche sah sich in den vergangenen Jahren zu nachhaltigen Technologien gezwungen - will die Formel 1 auch in Zukunft als Werbebühne dienen, muss sie auf diesen Zug aufspringen. Ein erster Versuch ist das Energie-Rückgewinnungs-System KERS, das 2009 debütierte und 2011 ein Comeback feiert. McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh unterstützt diesen Aufbruch - und erklärt: "Die Formel 1 muss erkennen, dass wir eine Weltsportart sind. Es gibt aber einige Probleme. Wir müssen gesellschaftsrelevant bleiben, wenn wir eine globale Sportart bleiben möchten."
Aus diesem Grund ist der Rennstall mit Sitz in Woking selbst aktiv geworden und hat die luxuriöse, von Stararchitekt Sir Norman Foster designte Fabrik umgerüstet. Drei Jahre lang arbeitete man intensiv an der Verringerung der CO2-Ausstöße - in diesem Zeitraum konnte man 1.500 Tonnen Kohlendioxid-Emissionen einsparen. Dafür wurde das Team mit dem CO2-Trust-Award ausgezeichnet. "Wir sind das einzige Formel-1-Team, das das von sich behaupten kann", sagt Whitmarsh.
Formel 1 lässt als einziger Sport CO2-Fußabdruck untersuchen
Doch dabei will man es nicht belassen - nun soll die komplette Formel 1 umweltfreundlicher werden, bestätigt der McLaren-Teamchef: "Die FOTA hat im Vorjahr angekündigt, den globalen CO2-Fußabdruck der Formel 1 genau zu untersuchen. Wir haben uns entschlossen, uns extern überwachen zu lassen und unseren CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Wir sind der einzige internationale Sport, der das macht. Ich halte das für eine wichtige Initiative."
Sportlich gesehen ist die Wiedereinführung des Hybridsystems KERS, die Whitmarsh für interessant hält "weil sie öffentliches Interesse und die öffentliche Akzeptanz solcher Technologien stimuliert", nur der Anfang einer Öko-Offensive. Vor allem das ab 2013 gültige Reglement soll der Formel 1 einen kräftigen Schub in Richtung innovativer, umweltbewusster Technologien geben.
"2013 kommen kleinere Motoren und weitere Schritte im Bereich der Hybridtechnologie", kündigt der Brite an. Er gibt Aufschluss über die Strategie hinter dieser Initiative: "Das macht unseren Sport relevant - für die Firmen, die in die Formel 1 investieren, aber auch für die Gesellschaft. Die Formel 1 muss als Einheit wahrgenommen werden, die ihren Beitrag leistet. Einerseits ist die technische Seite dieses Bereichs eine Herausforderung, aber andererseits dürfen wir als Sport auch stolz darauf sein, dass wir sehr konkret handeln und nicht nur irgendwelche Aufkleber durch die Gegend kutschieren. Wir entwickeln diese Technologien und gehen dieses Thema greifbar an."
Formel 1 muss romantische Sichtweise ablegen
Doch wie bei jeder Revolution gibt es auch viele Gegner: Eingefleischte Fans befürchten, dass durch die Reduzierung von 2,4-Liter-Achtzylinder- auf 1,6-Liter-Vierzylinder-Triebwerke der für die Formel 1 so typische, kreischende Motorensound verloren geht - für jeden, der schon einmal bei einem Grand Prix an der Rennstrecke dabei war, wäre das ein Manko.
Whitmarsh mahnt die Fans aber zu einer realistischen Betrachtungsweise: "Wir können das, was wir haben, immer romantisch betrachten. Der Motorensound ist fantastisch, natürlich, aber wir müssen auch gesellschaftlich relevant sein, sonst wird es schwierig. Die Formel 1 hat früher keine gute Arbeit geleistet, was ihr Image angeht. Sie wurde als Benzin- und geldverbrennender Sport wahrgenommen, was in den 70ern und 80ern akzeptabel war und sogar zur Formel 1 dazugehörte."
Doch selbst damals gab es aus diesem Grund Probleme - vor allem in Deutschland. Formel-1-Reporterlegende Achim Schlang erinnert sich: "Die Formel 1 hatte vor vielen Jahren in Deutschland das Image einer Sportart für Geisteskranke, die Vergnügen daran hatten, dass Benzin verschwendet wird und dass Leute ihre Gesundheit riskieren. Sie hatte ähnliche Probleme wie das Berufsboxen. Erst durch Michael Schumacher hat sich das geändert."
Reglement 2013 als erster Schritt
Inzwischen habe sich aber auch die Wertegesellschaft geändert, meint Whitmarsh. Daher müssen man vor allem an der Kommunikation arbeiten: "Formel-1-Motoren sind im Vergleich zu konventionellen Motoren sehr effizient, aber wir müssen die Wahrnehmung verändern, wir müssen etwas unternehmen, zeigen, dass wir effizient sind. Damit meine ich den effizienten Umgang mit Ressourcen und petrochemischen Produkten, aber auch mit Geld."
Daher wünscht sich der Brite, dass die Teams zum Wohle des Sports die eine oder andere Einschränkung hinnehmen. Als Beispiel nennt er das Ressourcenrestriktions-Abkommen: "Es ist für alle schwierig umzusetzen, doch die Teams haben sich freiwillig darauf verständigt. Ich halte es für wichtig, dass wir diesbezüglich einen gemeinsamen Nenner gefunden haben. Diese Botschaften müssen wir weiterhin in die Welt schicken: Diejenigen, die in der Formel 1 gewinnen, sind die effizientesten Organisationen, die am besten mit ihren Ressourcen umgehen."
Man müsse - wie man es bei der minimalistischen McLaren-Präsentation auf dem Potsdamerplatz in Berlin vorexerziert hat - näher an die Menschen herankommen. Dies sieht er durch das bereits fixierte Motorenreglement 2013 auch gesichert: "2013 werden wir Technologien entwickeln, die für die Öffentlichkeit aufregend sind, weil sie sie irgendwann in ihren eigenen PKWs haben: kleinere Motoren mit Turbolader, Hybridtechnologie - all das wird uns alle betreffen. Die Formel 1 kann ein Entwicklungskatalysator für solche Dinge sein und sie kann öffentliches Interesse an solchen Technologien generieren. So leisten wir unseren Beitrag."

