Whitmarsh: "Unser Ziel ist die Weltmeisterschaft"
McLaren-Mercedes-Geschäftsführer Martin Whitmarsh im ausführlichen Gespräch zum bevorstehenden Saisonstart - Ziel ist der Titel mit Fernando Alonso
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Wie schreiten die Vorbereitungen des Teams für den Start der Formel-1-Saison 2007 voran?"
Martin Whitmarsh: "Unsere Vorbereitungen sind voll am laufen, und das wird bis Donnerstagabend so weitergehen. Die Testfahrten auf der Strecke sind beendet, wir haben eine signifikante Kilometerleistung abgespult und dabei den größten Durchschnitt an gefahrenen Kilometern aller neuen Autos erreicht. Natürlich hatten wir einige Probleme während der Tests, aber ein Teil der Aufgabe nach über 13.300 gefahrenen Kilometern ist das Finden des Limits. Da ist es unvermeidlich, wenn einmal etwas kaputtgeht."

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Martin Whitmarsch will 2007 Rennen und die Weltmeisterschaft gewinnen
"Der entscheidende Punkt ist, dass wir während der Tests die Performance unseres MP4-22 kontinuierlich verbessern konnten. Wir haben viel gelernt und sogar noch am letzten Testtag Verbesserungen gefunden. Daher bringen wir neue Komponenten, Setups und andere Ideen für unsere Freitagstests nach Melbourne mit. Wir hoffen, dass wir unser Auto dadurch weiter verbessern können."#w1#
"Zusammengefasst hatten wir einen tollen Launch des McLaren-Mercedes-Teams, wir waren von Anfang an schnell unterwegs und konnten ständig Fortschritte erzielen. Aber wir wissen auch, dass wir eine unglaublich ausgeglichene Saison vor uns haben. Rennen und Weltmeisterschaften zu gewinnen ist nie einfach, und dieses Jahr gibt es da keine Ausnahme."
Frage: "Wie war die Performance des MP4-22 im Vergleich zur Konkurrenz?"
Whitmarsh: "Der Winter war aufgrund der freiwilligen Testbeschränkung der Teams ein wenig ungewöhnlich. Wir hatten viel mehr Tests zusammen mit den anderen Top-Teams und der gesamten Konkurrenz. Daher hatten wir die Möglichkeit unsere jeweilige Wettbewerbsposition viel genauer zu untersuchen, als wir das in allen früheren Formel-1-Saisons feststellen konnten. Typischerweise führt es einen, wenn man nur auf die Zeiten am Ende einer Session schaut, auf eine falsche Fährte. Wir haben generell analysiert, wo wir uns mit unserem Programm befunden haben, und wir glauben, dass wir recht gut dabei sind. Ob wir das sind, oder nicht, das werden wir in Kürze wissen. Ob wir genug getestet haben, oder nicht, das spielt jetzt keine Rolle mehr. Alles was zählt, ist, wie wir in Australien und den anderen 16 Rennen abschneiden."
Großes Verständnis für das neue Auto
Frage: "Der MP4-22 hat nun über 13.300 Kilometer auf den Teststrecken zurückgelegt. Was hat das Team über das neue Auto gelernt und was wurde seit dem Launch im Januar weiterentwickelt?"
Whitmarsh: "Das meiste von dem, was genau wir gelernt haben, werde ich natürlich für mich behalten. Aber das Auto reagiert auf Veränderungen so, wie es unsere Analyseinstrumente voraussagen. Das ist sehr positiv. Wir wissen, dass wir uns über die Saison weiterentwickeln müssen, wir verstehen unser Auto aber gut, und haben bereits eine Prioritätenliste erstellt. Alles in Allem gehen wir mit einem größeren Verständnis über unser neues Auto in das erste Rennen, als wir das bisher erlebt haben. Unser Launchtermin war der geplante, wir hatten schnell zwei neue Autos zur Verfügung, wir haben eine Menge Kilometer absolviert und durch unsere Zuverlässigkeit konnten wir große Fortschritte machen."
Frage: "Wie hat sich das Verhältnis zu Bridgestone entwickelt?"
Whitmarsh: "Die Organisation und die entscheidenden Leute sind immer noch die gleichen, mit denen wir schon früher zusammengearbeitet hatten. Das Team genießt die Auffrischung unserer Partnerschaft. Natürlich haben die Teams, die bereits in früheren Jahren mit Bridgestone zusammengearbeitet haben, einen kleinen Vorteil. Tatsächlich hat Bridgestone einen sehr kompetenten Job für alle Teams gemacht. Wir fühlen uns nicht benachteiligt, was die Charakteristik und die Beständigkeit der Reifen betrifft."
Saisonziel ist die Weltmeisterschaft
Frage: "Ein Teil der Medien spricht sehr positiv, was die Performance von McLaren-Mercedes betrifft. Wie sind die Gedanken von Martin Whitmarsh dazu?"
Whitmarsh: "Wir hoffen natürlich, dass die Gedanken von außen stehenden Personen ehrlich gemeint sind, wenn sie sagen, dass wir in diesem Jahr die Weltmeisterschaft gewinnen. Und wir hoffen natürlich auch, dass sie korrekt sind. McLaren-Mercedes geht jedoch nicht ins erste Rennen mit der Annahme, dass dies eine Selbstverständlichkeit sein wird. Unser Ziel ist die Weltmeisterschaft, und wir wären enttäuscht, wenn wir das nicht erreichen würden. Das ist aber nicht neu, so gehen wir an jede Saison heran."
"Wir glauben, dass wir sehr stark sein werden, aber wir sind mit Sicherheit nicht selbstzufrieden, und wir werden niemanden unterschätzen. Der Hype ist nun vorbei. Wir haben zwei enthusiastische Rennfahrer, wir haben ein starkes Team und wir glauben, dass wir ein wettbewerbsfähiges Auto haben. Das sind die Zutaten, wir werfen all dies in einen Topf, wir arbeiten hart an der Weiterentwicklung des Autos und in der Konsequenz an der Realisierung unserer Ziele."
Frage: "Wie sind die Erwartungen des Teams für die Saison 2007?"
Whitmarsh: "Wir erwarten, dass wir Rennen gewinnen werden, und unser ultimatives Ziel ist der Gewinn der Weltmeisterschaft."
Frage: "Wie verstehen sich die Fahrer untereinander?"
Whitmarsh: "Das Team arbeitet hervorragend mit unseren neuen Einsatzfahrern und unseren zwei sehr etablierten Testfahrern. Fernando, Lewis, Pedro und Gary arbeiten enger zusammen, als wir das in der jüngeren Vergangenheit erlebt haben, es existiert ein guter Geist der Zusammenarbeit. Die Fahrer sind voll motiviert und hervorragende Mannschaftsspieler. Das könnte möglicherweise etwas abwertend gegenüber früheren Fahrern klingen, soll es aber nicht. Wir hatten das Privileg, in den vergangenen Jahren einige großartige Rennfahrer im Team zu haben."
Alonso hat das Team schon vorangebracht
Frage: "Wie hat sich Fernando ins Team eingearbeitet und wie wird sich seine Saison entwickeln?"
Whitmarsh: "Schon bevor Fernando zu uns kam, war klar, dass er ein unglaublich talentierter Rennfahrer ist. Er besitzt enormen Fokus, Einsatzwillen und Intelligenz. Diese Charaktereigenschaften haben sich für uns erst herauskristallisiert, als er zu uns stieß und mit uns zusammenarbeitete. So jemanden neu im Team zu haben, der aus einem wettbewerbsfähigen Umfeld kommt, ist von großem Vorteil, weil er eine relativ unabhängige Vergleichsmarke über Themen wie Technologie, Auto, Prozesse und die Art und Weise, wie wir Rennen gewinnen wollen, geben kann. Obwohl wir ein großes Team sind, sind wir jederzeit offen für neue Dinge, und wir haben bereits einiges von Fernando lernen können. Wir hoffen, dass sich dieser Prozess im Saisonverlauf weiterentwickelt."
"Natürlich haben wir eine Menge Leute im Team, die schon mit Weltmeistern zusammengearbeitet haben. Aber das Besondere an Fernando ist, wenn du in seine Augen schaust, und das Selbstvertrauen, den Glauben und den Blick von jemandem, der mehr Weltmeisterschaften gewinnen will, spürst. Das ist sehr aufregend."
Hamilton hat die richtigen Emotionen
Frage: "Wie lange wird das Team Lewis Zeit geben, um sich in der Formel 1 zu akklimatisieren und wann erwartet ihr Resultate?"
Whitmarsh: "Lewis ist ein enthusiastischer Rennfahrer, der so schnell wie möglich gewinnen will. Wir wollen die Erwartungen etwas mäßigen, die Lewis selbst und andere an ihn haben. Gleichzeitig wissen wir jedoch, dass ein so ambitionierter, fokussierter und talentierter Rennfahrer wie Lewis immer einen kleinen Teil in seiner Persönlichkeit tragen wird, der ihm sagt: 'Ich will das erste Rennen gewinnen'. Wenn das nicht geht, dann das Zweite, und so weiter. Vorausgesetzt, dass sie gut ausbalanciert sind, dann sind es die richtigen Emotionen, die man haben muss. Für uns ist am Wichtigsten, dass er uns seine Bereitschaft zum Lernen zeigt, und dass er sich in der Saison entwickelt. Egal, was er im ersten Rennen alles macht, wir wollen, dass seine Performance im Verlauf der Saison stärker wird."
"Wenn man sich die vergangenen fünf Jahre seiner Karriere anschaut, dann hat Lewis drei Jahre davon dominiert und den Titel in der jeweiligen Klasse gewonnen. Das ist bemerkenswert und darauf konzentrieren sich die Leute logischerweise. Aber in zwei der Jahre musste er viel lernen, und sich entwickeln. Das waren enorm wertvolle Saisons für ihn, vor allem im Hinblick auf seine mentale Stärke, wenn man den Hype und die Erwartungen, die um Lewis herum aufgebaut waren, betrachtet. Er konnte immer damit umgehen, und wurde dadurch noch stärker, aber er musste auch mit mehr Druck umgehen, als viele seiner Zeitgenossen. Er hatte Situationen, in denen er nicht glücklich mit sich und seiner Performance war, aber er konnte auch damit umgehen. Ich bin sicher, dass Lewis von sich selbst starke Auftritte in seinen ersten Formel-1-Rennen erwartet. Wenn es so kommt, prima. Wenn nicht, dann hat er die Erfahrung, damit umzugehen und wir werden ihn dabei langfristig unterstützen."

