• 14.06.2010 12:21

  • von Dieter Rencken

Whitmarsh: "Red Bull wird nachlegen"

McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh über den Doppelsieg von Kanada, die Leistung seiner beiden Fahrer und den Titelkampf gegen Red Bull und Ferrari

(Motorsport-Total.com) - Martin Whitmarsh hatte viel Freude in Montréal: Erstmals in dieser Saison gelang es seinem Team, die Qualifikations-Dominanz von Red Bull zu durchbrechen und ein Auto auf die Pole-Position zu stellen. Tags darauf ließ McLaren den zweiten Doppelsieg binnen zweier Rennen folgen - und stimmte Teamchef Whitmarsh damit überaus zufrieden. In seiner Medienrunde spricht der Brite über das erfolgreiche Abschneiden in Kanada und die Hoffnung seines Teams für die kommenden Rennen.

Titel-Bild zur News: Martin Whitmarsh (Teamchef)

Martin Whitmarsh ist sehr angetan von der Leistung seines Formel-1-Rennstalls

Frage: "Martin, wie lautet dein Fazit zum Rennen in Kanada? Dein Team konnte erneut einen Doppelsieg erzielen..."
Martin Whitmarsh: "Dieses Rennen war sehr zufriedenstellend. Wir hatten hier eine gute Geschwindigkeit und eine gute Leistung. Wir mussten uns vor niemandem verstecken. Ich denke, wir haben alles richtig hinbekommen. Beide Piloten sind wirklich hervorragend gefahren."#w1#

"Das Team hat genau die passenden Entscheidungen getroffen. Wir hielten bewusst nach Lücken im Verkehr Ausschau und platzierten unsere Fahrer in eben diesen Lücken. Jede dieser Entscheidungen hat ziemlich genau gepasst - die Autos landeten dort, wo wir sie haben wollten. Das war sehr zufriedenstellend."

"Das war schön für das Team. Es kann ja immer so vieles schiefgehen. Schon das vergangene Wochenende war toll für uns, doch dieses Mal war es noch etwas besser. Wir haben die anderen Teams aufgrund unserer Geschwindigkeit geschlagen. Beide Fahrer haben fantastische Arbeit geleistet."

"Ich denke, viele Leute haben die harte Reifenmischung unterschätzt." Martin Whitmarsh

Frage: "Die Strategie des Teams hat sich als die richtige erwiesen..."
Whitmarsh: "Genau. Ich denke, viele Leute haben die harte Reifenmischung unterschätzt. Sie haben den Daten vom Freitag zu viel Vertrauen geschenkt. Da hätte man den Eindruck bekommen können, dass dieser Pneu ähnlich schnell verschleißt wie der weiche Reifen."

"So war es aber nicht. Für uns ging es nur darum, die Autos im Rennen in passende Lücken im Verkehr zu setzen. Wir mussten das meiste aus unseren Möglichkeiten machen. Das ist uns in meinen Augen ziemlich gut gelungen."

Frage: "Es scheint so, dass es große Schwankungen im Feld gibt - niemand konnte sich bisher dauerhaft an der WM-Spitze festsetzen. Erwartest du, dass das im weiteren Saisonverlauf weiterhin der Fall sein wird?"
Whitmarsh: "Ja. Ich würde es natürlich gerne etwas einfacher haben. Es wäre klasse, wenn wir die Führung bis zum Jahresende nicht mehr abgeben müssten."

"Red Bull ist ein starkes Team und sie werden zurückschlagen." Martin Whitmarsh

"Red Bull ist aber ein starkes Team und sie werden zurückschlagen. Wir machen allerdings ebenfalls viel Druck. Es stehen einige Entwicklungen für unser Auto auf dem Programm. Genau so soll es ja auch sein. Ich kann mich nicht hinstellen uns sagen: 'Jawohl, wir werden die Titel gewinnen.' Ich kann nur sagen: Wir werden alles versuchen, um diese Aufgabe zu bewerkstelligen."

Frage: "Geht es in diesem Jahr darum, das meiste aus den sich bietenden Möglichkeiten zu machen? Red Bull hätte in dieser Saison schon sechs oder sieben Siege einfahren können, doch es ist ihnen nicht gelungen..."
Whitmarsh: "Auf diese Weise haben wir schon Titel gewonnen und auch verloren. Unser Team ist diesbezüglich sozusagen kampferprobt. Wir haben bereits einige WM-Kämpfe mitgemacht. Wir haben also vermutlich etwas mehr Erfahrung in unserem Team."

"Wir unterschätzen Red Bull aber keineswegs. Sie werden sicherlich stark zurückschlagen. Wir müssen einfach sicherstellen, dass wir das Auto kontinuierlich weiterentwickeln. Es ist die klassische Ausgangslage: Wenn es uns nicht gelingt, dem Fahrzeug immer mehr Leistung zu verpassen, dann werden wir weder Rennen noch den Titel gewinnen."¿pbvin|512|2830|mclaren|0|1pb¿

Der Erfahrungsvorteil liegt bei McLaren

Frage: "Welche Rolle spielt die Erfahrung im Titelkampf? McLaren weiß wie man Titel gewinnt, Red Bull nicht..."
Whitmarsh: "Adrian (Newey, Red-Bull-Designer; Anm. d. Red.) hat einiges an Erfahrung. Insgesamt muss ich aber sagen: Wir haben als Team schon um viele Meisterschaften gekämpft. Das trifft auch auf unsere beiden Fahrer zu."

"Fahrer und Team sind aber fest entschlossen, weiterhin Rennen zu gewinnen." Martin Whitmarsh

"Wir wissen also genau, wie schwierig ein solches Unterfangen ist. Fahrer und Team sind aber fest entschlossen, weiterhin Rennen zu gewinnen. Wir müssen das nun Schritt für Schritt angehen. Die vergangenen zwei Grands Prix haben uns natürlich sehr gefallen."

"Nun geht es nach Valencia und dort wollen wir aus unserer aktuellen Form Kapital schlagen. In Silverstone wollen wir dann einen großen Schritt nach vorne machen und ein gutes Ergebnis einfahren. Sollte uns das nicht gelingen, so werden wir das Auto dennoch weiterentwickeln, laufen aber Gefahr, nicht nur von Red Bull überrumpelt zu werden."

Frage: "Kann es McLaren auch auf Strecken wie Silverstone oder Spa mit Red Bull aufnehmen? Könnt ihr das Auto dahingehend entwickeln?"
Whitmarsh: "Aber natürlich. Wir haben ein gutes Entwicklungsprogramm. Wir versuchen, bei jedem Rennen etwas Zeit zu finden. Binnen vier Rennen kannst du da schon deutlich voran kommen."

"Im Augenblick arbeiten wir an einem recht großen Paket, das wir gerne in Silverstone einführen möchten." Martin Whitmarsh

"Im Augenblick arbeiten wir an einem recht großen Paket, das wir gerne in Silverstone einführen möchten. Anschließend werden weitere Schritte folgen. Ich rechne aber damit, dass Red Bull ebenfalls nachlegen wird. Sie haben noch keinen Titel geholt und sind darauf aus, sich eine WM-Krone zu sichern. Das wird hart. Ferrari ist ebenfalls noch im Rennen."


Fotos: McLaren, Großer Preis von Kanada


"Man sollte auch Mercedes nicht unterschätzen, nur weil sie im Augenblick etwas weiter hinten liegen. Ferrari ist da. Sie sind nur schwer zu schlagen - wie hier in Kanada. Fernando ist ein starkes Rennen gefahren. Speziell deswegen war es sehr zufriedenstellend zu sehen, wie Jenson ihn auf der Strecke überholt hat."

Whitmarsh schreibt Red Bull nicht ab

Frage: "Deine beiden Fahrer liegen nun an der spitze der Fahrerwertung. Wäre es nicht traumhaft für das Team, wenn die Piloten die Führung auch beim Heimrennen in Silverstone inne hätten?"
Whitmarsh: "Natürlich. Als Team wollen wir aber logischerweise überall gut abschneiden. In Silverstone ist es aber etwas Besonderes, denn dort schauen uns hunderte von Gästen über die Schulter."

"Als Team wollen wir logischerweise überall gut abschneiden." Martin Whitmarsh

"Das ist einmalige Geschichte in jeder Saison. Es wäre großartig, wenn wir dort noch immer die WM-Spitze inne haben würden. Noch besser wäre es, wenn wir auch ein prima Ergebnis erzielen könnten. Wir werden sehen."

Frage: "Hat das Rennen in Kanada gezeigt, dass die Formel 1 guten Motorsport bieten kann, wenn die Reifenregeln passen?"
Whitmarsh: "Ich denke schon. Wir hatten in diesem Jahr sieben großartige Rennen. Hier in Kanada lagen vier Autos ungefähr 40 Runden lang innerhalb von nur drei Sekunden. Und das auf einer Strecke, auf der man seinem Vordermann nicht unbedingt dichtauf folgen sollte. Wir hatten ein richtig tolles Rennen. Das war prima Motorsport - das ganze Jahr schon."

Frage: "Hat Lewis eigentlich ein spezielles Rezept für Kanada? Jedes Mal, wenn er hier auftaucht, scheint er die Gegner hinter sich zu lassen..."
Whitmarsh: "Lewis tendiert dazu, sehr spät einzulenken. Er geht die Kurven allesamt sehr aggressiv an. Anschließend gelingt es ihm, das Auto rasch in die Balance zu bringen und früh ans Gas zu gehen."

"Hin und wieder braucht es genau diese Aggressivität, um das Beste aus dem Auto und der Möglichkeit zu machen." Martin Whitmarsh

"Andere Fahrer haben Probleme beim Herausbeschleunigen, wenn sie ähnlich spät einlenken wie Lewis. Lewis wird manchmal vorgeworfen, ein zu aggressiver Fahrer zu sein. Hin und wieder braucht es aber genau diese Aggressivität, um das Beste aus dem Auto und der Möglichkeit zu machen."

Frage: "Lewis hat zwei Rennen gewonnen, Jenson hat zwei Rennen gewonnen. In der Gesamtwertung liegen sie nur wenige Punkte auseinander. Man kann also kaum sagen, wer bislang besser unterwegs war..."
Whitmarsh: "Lewis war in Kanada schon immer klasse und hat prima Arbeit geleistet. Beide unserer Fahrer haben bis zum Rennende alles gegeben. Sie lagen unterm Strich drei Sekunden auseinander. Das zeigt, wie eng sie beisammen sind. Jenson hat gezeigt, dass auch er überholen kann. Beide haben alles aus den Reifen herausgeholt."