• 06.07.2008 19:23

  • von Dieter Rencken

Whitmarsh: "Lewis hat viel gelernt"

McLaren-Geschäftsführer Martin Whitmarsh über Krise und Triumph von Lewis Hamilton und die Entscheidung im Großbritannien-Grand-Prix

(Motorsport-Total.com) - Viel Kritik hatte sich Lewis Hamilton anhören müssen, aber heute schlug der britische Superstar in Silverstone zurück: Nachdem ihm gestern noch Heikki Kovalainen die Show gestohlen hatte, ging er mit seinem McLaren-Mercedes im Rennen über Wasser, deklassierte die Konkurrenz und übernahm damit wieder die WM-Führung. Kein Wunder, dass McLaren-Geschäftsführer Martin Whitmarsh anschließend in seiner Analyse für die Medien zufrieden Bilanz zog.

Titel-Bild zur News: Martin Whitmarsh

Martin Whitmarsh kann zufrieden sein: Hamilton-Sieg in der McLaren-Heimat

Frage: "Martin, die Entscheidung fiel heute beim ersten Boxenstopp, als Lewis und Kimi Räikkönen gleichzeitig reinkamen. Wie habt ihr diese Situation erlebt?"
Martin Whitmarsh: "Wir haben die Ferrari-Mechaniker aus der Box kommen gesehen, also gingen wir davon aus, dass sie Kimi reinholen. Daher tankten wir Lewis relativ lange auf. Die Jungs haben einen großartigen Job gemacht, denn wir gaben Lewis für den zweiten Stint mehr Benzin als Kimi."#w1#

Poker mit dem Wetter

"Die Frage war, wie viel Benzin wir ihm geben können, um trotzdem noch in Führung zu bleiben. Das haben wir optimal hinbekommen. Wir haben uns entschieden, die Reifen zu wechseln - in der Hoffnung, dass unsere Wetterinformationen stimmen. Wenn es nämlich abgetrocknet hätte, dann hätte es anders ausgehen können, aber wir hatten eine Regenwolke auf dem Radar."

Frage: "Lewis hat darüber gesprochen, wie schwierig es für ihn war, mit all den Dingen umzugehen, die bei diesem Rennen auf ihn hereinbrechen, zum Beispiel mit dem immensen Druck. Wie ist es euch damit ergangen?"
Whitmarsh: "Für Lewis ist das eine große Herausforderung, denn im Vorjahr war es gerade mal der Beginn dieses Phänomens. Klarerweise bauen sich die Leute, die Fans, die Medien ihre Helden auf. Es gab im Vorjahr eine ganze Reihe von tollen Ereignissen, während er dieses Jahr schon als Superstar hierher kam. Aber wenn dann mal etwas schief geht, dann treten die Leute auch ganz schnell hin. Das hat von uns niemand so persönlich mitbekommen wie Lewis."

"Diese Dinge muss man lernen, so ist eben das Geschäft. Ich bin mir sicher, dass dieses Rennen all diese Dinge vergessen machen wird. Er verlässt Silverstone als Führender der Weltmeisterschaft und er weiß, dass er das Vertrauen hat und den nötigen Schwung. Wir für unseren Part haben das Auto verbessert - und das werden wir auch so fortsetzen, denn Ferrari steht nicht still. Wir müssen weiterhin pushen."

Frage: "Es zeugt von einem starken Charakter, mit 23 Jahren all die negativen Dinge hinter sich zu lassen und so ein Rennen abzuliefern, nicht wahr?"
Whitmarsh: "Niemand von uns kann den Druck nachvollziehen, mit dem er konfrontiert wird. Dazu kommt ja auch, dass Heikki hier wirklich stark war und Lewis gehörig unter Druck gesetzt hat. Auf die für uns schönste Art und Weise hatte er also den größten Druck aus dem eigenen Team, den man sich vorstellen kann."

Gesunder Konkurrenzkampf

"Lewis hat Heikki an diesem Wochenende sehr unterstützt, aber das haben die Leute sicher mitbekommen. Die beiden haben großen Respekt voreinander und kommen sehr gut miteinander aus. Der Start und das, was danach passiert ist, war nichts für schwache Nerven, aber die beiden wollen sich eben gegenseitig besiegen - und das leben sie genau in der richtigen Dosierung aus. Beide waren absolut fair."

Frage: "Gemessen an seinen Maßstäben hat Lewis das Qualifying ziemlich verpatzt. Hast du dir deswegen Sorgen gemacht?"
Whitmarsh: "Was ich bemerkenswert fand, war Lewis' Körpersprache nach dem Qualifying. Gemessen an seinem unglaublichen Standard war es wirklich eine schlechte Leistung - er hatte Glück, mit einer so schlechten Leistung noch in der zweiten Reihe zu stehen."

"Interessant war aber, dass er sich nicht unterkriegen ließ, sondern dass er sagte: 'Es ist ein langes Rennen, 60 Runden - nehmt das Wetter noch dazu und ich kann es packen!' Lewis hat in den vergangenen Wochen sicher viel gelernt. Er hat das punktemäßig bemerkenswert gut überstanden, wenn man bedenkt, was in den vergangenen paar Rennen passiert ist. Das ist eine gute Ausgangsbasis."