Whitmarsh: Das Rennen zwischen den Rennen
Interview mit McLaren-Geschäftsführer Martin Whitmarsh: Warum Hamiltons Unfall in Monaco ein Segen war und wie die Chancen für Kanada stehen
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Martin, Lewis Hamilton hat beim Grand Prix von Monaco euren zweiten Sieg hintereinander geholt. Durch den Regen war es aber keine geradlinige Sache, nicht wahr?"
Martin Whitmarsh: "Absolut. Der Samstag war eine kleine Enttäuschung für uns, denn wir dachten, wir hätten die richtige Benzinmenge gewählt, um auf Pole-Position zu fahren, aber es hat nicht sollen sein. Das war hart, aber wir wussten, dass wir zwei gute Fahrer und ein recht schnelles Auto haben. Wir waren guter Dinge, wussten aber auch, dass es ein schwieriges Rennen werden würde. Uns war nur nicht klar wie schwierig..."

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Martin Whitmarsh kann mit dem Grand Prix von Monaco zufrieden sein
Frage: "Lewis kam nach seinem Mauerkuss in der Tabakkurve in Runde sechs an die Box. Habt ihr da geglaubt, dass er noch gewinnen kann?"
Whitmarsh: "Auf jeden Fall. Er hatte einen großartigen Start und durch den Zwischenfall - so unglücklich er auch war - fiel er nur auf den fünften Platz zurück. Wir sahen seine schnellen Rundenzeiten bei den feuchten Bedingungen und wussten, wie viel Benzin wir im Tank hatten. Wir rechneten damit, am Ende des Rennens in einer starken Position zu sein, und es bestand ja auch immer die Möglichkeit einer Safety-Car-Phase, die alles durcheinander bringt."#w1#
Schnelle Zeiten als Schlüssel zum Erfolg
Frage: "Wie zufrieden warst du mit der Reaktion des Teams nach diesem frühen Rückschlag?"
Whitmarsh: "Ich glaube, wir sind sehr gut damit umgegangen. Wir haben eine Menge nachgetankt, aber Lewis konnte trotzdem sehr schnelle Zeiten fahren - ein wichtiger Faktor in dieser Phase des Rennens. Er hat einen fantastischen Job gemacht! Die Bedingungen waren außergewöhnlich schwierig, aber er hat keine Fehler gemacht und das Team hat zur richtigen Zeit die richtigen Entscheidungen getroffen. Wir freuen uns über den Ausgang."
Frage: "War der Mauerkuss im Nachhinein betrachtet nicht sogar ein Segen für euch, denn dadurch hatte Lewis mehr Benzin im Tank?"
Whitmarsh: "Uns wurde eine Karte in die Hand gegeben, die wir gut gespielt haben. Wir gerieten in eine spezielle Situation und machten das Beste daraus."
Frage: "Wann hättet ihr Lewis zum ersten Boxenstopp reingeholt, wenn das Rennen ganz normal verlaufen wäre?"
Whitmarsh: "Wir wollen das nicht preisgeben, aber wir sind zuversichtlich, dass wir beim ersten Stopp vor Ferrari gekommen wären. Es wäre schwierig geworden, aber es ist jetzt sowieso hypothetisch, weil es aufgrund der Umstände eben kein normales Rennen war."
Frage: "Beim zweiten Boxenstopp in Runde 54 hatte Lewis noch Benzin im Tank. Warum habt ihr ihn vorzeitig reingeholt?"
Whitmarsh: "Wir wollten dem Risiko einer Safety-Car-Phase ausweichen. Die Leute haben angefangen, auf Trockenreifen zu wechseln, aber es war noch sehr rutschig, also war das Risiko eines Unfalls ziemlich hoch, auch wenn klar war, dass Trockenreifen die richtige Entscheidung waren. Darum haben wir ihn reingeholt. Das war die richtige Entscheidung."
Frage: "Die zweite Safety-Car-Phase dauerte einige Runden, sodass die Reifentemperatur abgefallen sein muss. Trotzdem hat Lewis eine persönlich schnellste Runde gefahren, als das Rennen wieder freigegeben wurde. Das war beeindruckend."
Whitmarsh: "Das war es. Lewis und Heikki (Kovalainen; Anm. d. Red.) haben einiges an Erfahrung, schon aus der Kartzeit, und sind an solche Bedingungen gewöhnt. Lewis kann auch besonders gut mit Safety-Car-Restarts umgehen. Er hat das fantastisch gemacht."
Softwarefehler bei Kovalainen?
Frage: "Lewis' Sieg dominiert natürlich die Schlagzeilen, aber auch Heikki Kovalainen hat unter schwierigen Bedingungen einen guten Job gemacht, nicht wahr?"
Whitmarsh: "Ja. Vor dem Start der Aufwärmrunde hat er die Kontrolle über die Kupplung verloren - es war vielleicht ein Softwarefehler wegen des Monitors, der ans Auto gestöpselt war, aber wir müssen das untersuchen. Wir haben das Lenkrad gewechselt, das System zurückgesetzt und bekamen ihn in Fahrt, aber Heikki hatte viel Pech, weil er ständig im Verkehr hing. Bei freier Fahrt konnte er aber zeigen, wie schnell er in Monaco sein kann."
Frage: "Was passierte mit ihm während der zweiten Safety-Car-Phase?"
Whitmarsh: "Er hatte eine Runde Rückstand und lag hinter Adrian Sutil. Wir baten die FIA darum, dass er Adrian überholen und die eine Runde Rückstand aufholen darf, wie es in den Regeln festgelegt ist. Er bekam die Erlaubnis, aber das Rennen wurde schon neu gestartet, als er noch im Niemandsland war. Er hat weiter gepusht, sammelte aber einen wertvollen Punkt, also hat er einen fantastischen Job gemacht. Er war am Ende besonders schnell und fuhr die zweitschnellste Rennrunde. Das ist umso mehr bemerkenswert, als er seine Konzentration nicht verloren hat, als es nur noch um einen Punkt ging. Seine Einstellung war fantastisch."
Frage: "Das erste Saisondrittel ist vorbei. McLaren-Mercedes hat zwei Rennen gewonnen, Ferrari vier. Wie schätzt du die Situation ein?"
Whitmarsh: "Es sieht so aus, als würde es zu einem Titelrennen zwischen uns und Ferrari kommen, auch wenn ich BMW und andere immer noch nicht aus den Augen lassen möchte. Wir müssen unser Auto bis zum Jahresende weiter verbessern. Wenn wir schneller weiterentwickeln können als Ferrari, werden wir die Weltmeisterschaft gewinnen. Umgekehrt gilt das natürlich auch. Abgesehen von den Rennen alle zwei Wochen gibt es auch dazwischen ein Rennen um die schnellste Weiterentwicklung."
Frage: "Ihr habt euch kürzlich bei Testfahrten auf Kanada vorbereitet. Wie ist es da gelaufen?"
Whitmarsh: "Wir sind nur einen Tag in Le Castellet in Frankreich gefahren, aber es war eine produktive Übung. Bremsen und Höchstgeschwindigkeit sind ein entscheidender Faktor in Kanada und wir haben uns auf diese Bereiche konzentriert. Dieses Jahr ist unser Auto in schnellen und lang gezogenen Kurven sehr schnell. Solche gibt es in Montréal nicht, aber wir haben dort in der Vergangenheit sehr gut abgeschnitten und ich bin zuversichtlich, dass uns das wieder gelingen wird."

