• 30.11.2006 13:50

White: "Der beste Indikator ist die Menge der Punkte"

Renault-Motorenchef Rob White im ausführlichen Interview über die Höhen und Tiefen der zurückliegenden Saison aus seiner Sicht

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Rob, wo hast du das Saisonfinale, den Grand Prix von Brasilien, erlebt?"
Rob White: "Ich war im 'Square-Com-Gebäude' von Renault in Boulogne, Paris. Teammitglieder aus Viry, Leute von Renault und der Fanclub hatten sich dort getroffen. Es versteht sich, dass die Stimmung super war. Es war ein langes, nervenaufreibendes Rennen, aber am Ende gab es das gewünschte Ergebnis. Das war ein fantastischer Moment. Wir haben bewiesen, dass das Renault-Team ein echtes Topteam ist, das genau weiß, wie man unter Druck motiviert und konzentriert bleibt."

Titel-Bild zur News: Rob White

Ex-Cosworth-Mann Rob White ist der Mastermind hinter dem Renault-Motor

Frage: "Beide Autos erwiesen sich als äußerst zuverlässig: Weder die E- noch die D5-Spezifikation bereitete über ihre Laufzeit Probleme..."
White: "Ja, das war besonders befriedigend. Die Entscheidung, zwei verschiedene Ausbaustufen einzusetzen, war unorthodox, ging aber voll auf. Trotzdem komme ich einfach nicht von dem Motorschaden in Monza los. Wir verfolgen eine Nulldefektpolitik. Es ist eine der Säulen unserer Entwicklungsphilosophie, jedes Rennen zu beenden, um in der Lage zu sein, Titel zu gewinnen. Aber wir müssen diesen Zwischenfall auch in Relation setzen: 2006 war die erste Saison für die neuen V8-Motoren, und insgesamt erlitten unsere Gegner mehr Defekte als wir."#w1#

Teaminterne Kommunikation funktioniert optimal

"Unser Motor war der erste V8, der 2006 ein Rennen gewann." Rob White

Frage: "Der RS26-V8 lief von Beginn an gut..."
White: "Ich glaube, seine Qualitäten basieren auf den Schritten unseres Entwicklungsprozesses. Wir haben viel Zeit aufgewendet, um gemeinsam mit Projektmanager Léon Taillieu das Konzept des Triebwerks zu definieren, die technischen Herausforderungen zu verstehen - und diese Erkenntnisse auf die Nutzung unserer Ressourcen anzuwenden. Im Winter arbeiteten wir sehr viel an den Prüfständen. Unsere Kommunikation mit der Chassisabteilung in Enstone lief beispielhaft. Unser Motor war nicht der erste, der auf der Rennstrecke getestet wurde - und wir wurden für das späte Debüt reichlich kritisiert -, aber es war der erste V8, der 2006 ein Rennen gewann. Und das war schließlich unser Ziel."

Frage: "Wie wurde der RS26 im Saisonverlauf weiterentwickelt?"
White: "Der Ausgangspunkt war eine gute Zuverlässigkeit vom Start weg. Von da an durchlief die Maschine einen normal Entwicklungsweg. Wir identifizierten schnell jene Bereiche, von denen wir eine Leistungssteigerung erwarteten, und planten die Entwicklungsschritte. Natürlich mussten wir an jedem Punkt die Auswirkungen des Leistungszuwachses auf die Zuverlässigkeit berücksichtigen und bisweilen einzelne Komponenten umkonstruieren."

Frage: "War der gesamte Entwicklungspfad von vornherein fest geplant oder habt ihr die Prioritäten je nach den aktuellen Anforderungen der Saison festgelegt?"
White: "Es handelt sich immer um eine Mischung aus beidem. Die Entwicklungsschritte sind von Beginn bis Ende der Saison vorausgeplant, aber dieser Plan kann jederzeit modifiziert werden, wenn sich gewisse Parameter ändern - seien es Probleme auf der Strecke oder unerwartete Fortschritte in der Konstruktionsabteilung."

Monza-Motorschaden hatte etwas Gutes an sich

"Nach Monza schwankten wir zwischen Überraschung und Enttäuschung." Rob White

Frage: "Führte der Defekt von Monza bei den Motorenleuten zu vielen schlaflosen Nächten?"
White: "Ich bin sehr stolz darauf, wie Léon Taillieu und sein Team diese Geschichte gelöst haben. Nach Monza schwankten wir zwischen Überraschung und Enttäuschung, aber wir wandelten diese Energie in etwas Konkretes, Positives um. Wir fanden und verstanden die Ursache des Schadens, entwickelten eine Lösung, testeten sie und gaben sie für den Einsatz frei. Parallel dazu kontaktierten wir unsere Zulieferer, um sicherzustellen, dass sie alle Liefertermine halten konnten. Als wir vor dem Grand Prix von China die gefundene Lösung zum letzten Mal testeten, gab es zwei mögliche Wege. Der erste war bekannt und sicher, der andere etwas riskanter, bot dafür einen Leistungsvorteil. Wir wählten die zweite. Das ist typisch für unsere Arbeitsweise."

Frage: "Der Schaden im letzten Saisondrittel blieb zwar ein Einzelfall, aber er zeigte trotzdem, dass man sich in Sachen Zuverlässigkeit niemals zu sicher sein darf..."
White: "Genauso ist es. Du hörst nie auf, nach noch besserer Zuverlässigkeit zu suchen. Und das Erfolgsgeheimnis dahinter ist, dass wir immer wachsam bleiben. Dennoch wäre es verkehrt, sich ausschließlich auf die Haltbarkeit zu konzentrieren, selbst zum Saisonende. Ein Rennmotor muss maximale Leistung bringen. Es ist diese Balance zwischen zwei widersprüchlichen Zielen, die wir jeden Tag suchen. Unsere Stärke bestand darin, dass wir offenbar den besten Kompromiss gefunden haben."

Frage: "Ab dem zweiten Lauf waren Fernando Alonso und Giancarlo Fisichella auf unterschiedlichen Motorwechselzyklen unterwegs, weil Fisichella nach seinem Ausfall in Bahrain einen frischen Motor bekommen hatte. War das ein Vorteil oder ein Problem für euch?"
White: "Weder noch. Es erlaubte uns, bestimmte Entwicklungen früher einzuführen als geplant, aber das brachte natürlich auch eine erhöhte Arbeitsbelastung mit sich, weil wir die betreffenden Teile ja auch rechtzeitig durch unseren Freigabeprozess bringen mussten - vor dem vorgesehenen Rhythmus."

Frage: "Kannst du uns sagen, von welchem Plus an Leistung, Drehmoment oder Drehzahl während der Saison wir sprechen?"
White: "Ich glaube, ich habe die Frage nicht ganz verstanden... (grinst; Anm. d. Red.)"

Kein Motor funktioniert ohne Chassis...

"Für Power, Drehmoment oder Drehzahlen bekommst du keine Punkte." Rob White

Frage: "Was ist für dich ein guter Formel-1-Motor?"
White: "Das ist aus meiner Sicht ganz einfach: Für Power, Drehmoment oder Drehzahlen bekommst du keine Punkte. Der beste Indikator ist die Menge der WM-Punkte, die du einfährst, denn alles was zählt, ist die kombinierte Performance des Chassis/Motorpakets."

Frage: "Demnach müsste die Zusammenarbeit zwischen Enstone und Viry ziemlich gut funktionieren..."
White: "Das tut sie. Beide Seiten stehen kontinuierlich im Austausch und die Arbeitsprozesse sind gut eingespielt - auch wenn sie laufend weiter verbessert werden. Wir sind direkt, ehrlich und - das ist das wichtigste - wir vertrauen einander."

Frage: "Ab 2007 wird Renault Motoren an Red Bull Racing liefern. Was ändert sich dadurch?"
White: "Ich halte das für einen guten Schritt. Erstens, weil er die Präsenz von Renault in der Formel 1 stärkt. Wir freuen uns sehr darauf, die Arbeit mit unseren neuen Partnern aufzunehmen. Denn zweitens wird uns das helfen, die Konsequenzen des neuen Motorenreglements abzufedern, das auf eine erhebliche Einschränkung der Motorenentwicklung hinausläuft."

Frage: "Mit welchen Erwartungen gehst du in die neue Saison?"
White: "Es ist noch etwas früh, um detailliert über 2007 zu sprechen, aber wir werden die kommende Saison so angehen, wie wir es die vergangenen zwei Jahre gemacht haben. Das heißt: das Beste aus unseren Ressourcen machen und die bestmöglichen Ergebnisse holen - und dabei jede sich ergebende Chance besser nutzen als unsere Gegner!"