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Weggefährten erinnern sich an Vettel: "Er hasste es, zu verlieren!"

Wegbegleiter erinnern sich an Sebastian Vettels Anfänge, seine Vorzüge, aber auch seine negativen Seiten: "Er war manchmal unfassbar getrieben"

(Motorsport-Total.com) - Nach gut 16 Jahren Formel 1 ist es vorbei: Sebastian Vettel hat seine Karriere zum Ende der Saison 2022 beendet - mit vier WM-Titeln, 53 Siegen und 57 Polepositions im Gepäck. Als er 2006 als Bub erstmals im Formel-1-Fahrerlager aufgetaucht war, da wusste noch keiner, welchen Eindruck er in der Königsklasse hinterlassen würde.

Titel-Bild zur News: Mark Webber und Sebastian Vettel (Red Bull)

Waren sich nicht immer grün: Mark Webber und Sebastian Vettel Zoom

Gerhard Berger, der später als Teilhaber bei Toro Rosso Vettels ersten Sieg in Monza 2008 feiern durfte, erinnert sich noch, als er den Namen das erste Mal gehört hat: "Das war ganz lustig. Ich war damals auf Mauritius im Urlaub und habe dort zufällig den Michael Schumacher getroffen", erzählt er bei 'ServusTV'.

Damals habe ihm Schumacher erzählt, dass er noch sehr aktiv im Kartsport unterwegs sei. "Und ich habe ihn gefragt, ob er dort überhaupt noch konkurrenzfähig und schnell ist", so Berger. "Und er meint, ja eigentlich schon fährt er noch vorne mit. Nur einer ist dort dabei, ein junger Bursche mit zwölf oder 13 Jahren, der macht ihm das Leben schwer."

"Dann sage ich, wer ist das, und er meint, der heißt Sebastian Vettel."

Und Vettel sollte sich noch überall einen Namen machen. 2004 dominierte er die Formel BMW ADAC und kam über die Formel-3-Euroserie und die Formel Renault 3.5 schließlich in die Formel 1, wo mit Red Bull und BMW schon zwei große Marken die Hände auf ihm hatten.

Auch Red-Bull-Teamchef Christian Horner erinnert sich dabei an einen besonderen jungen Mann: "Er kam in das Red-Bull-Juniorprogramm und hat sich mit 17 Jahren ins Auto gesetzt und ist von Heppenheim nach Milton Keynes gefahren", erzählt er. "Auf einmal steht der da und meint: 'Hi, ich bin Sebastian Vettel und möchte mich ein bisschen umschauen'."

Sebastian Vettel, Michael Schumacher

Michael Schumacher wurde schon früh auf Sebastian Vettel aufmerksam Zoom

"Das hat echt noch keiner seiner jungen Kollegen vorher gemacht", so Horner.

Vettel für Toro Rosso "ein Geschenk"

Und Vettel sollte seine Chance bald bekommen. Nach seinem Debüt in Indianapolis 2007, als er bei BMW-Sauber für den verletzten Robert Kubica starten durfte und gleich einen Punkt holte, ersetzte er nur wenig später dauerhaft Scott Speed bei Toro Rosso, mit dem Red Bull nicht mehr zufrieden war.

"Für uns war das ein Geschenk", sagt Teamchef Franz Tost. "Ich war davon überzeugt, dass der Sebastian aufgrund seiner Eigenschaften ein hervorragender Rennfahrer wird", so der Österreicher. "Dass er viermaliger Weltmeister wird, hat man dazumals noch nicht gewusst, aber dass er Rennen gewinnen kann, da hätte ich drauf gewettet."

Und auch das ging schneller als gedacht: Nur knapp ein Jahr später sollte im Regen von Monza Vettels große Stunde schlagen, als er nicht nur die Poleposition holte, sondern das Rennen auch souverän gewann. "Das war sehr beeindruckend", erinnert sich Mark Webber, Vettels späterer Teamkollege.


Fotostrecke: Die Formel-1-Karriere von Sebastian Vettel

"Er war sehr, sehr gut, fast magisch schnell, als wir diese schmalen Reifen hatten und wenig Abtrieb. Er konnte die Reifen managen wie kaum ein anderer", sagt der Australier bei 'ServusTV'. "Aerodynamisch war er nicht der Allerbeste, aber was Motor und Elektronik und diese Dinge angeht, da war er absolut brillant."

Horner: Haben so lange gespielt, bis er gewonnen hat...

Doch der Deutsche hatte auch seine Negativseiten, wie Webber selbst feststellen musste. Mehrfach geriet er mit Vettel bei Red Bull aneinander. "Wir sind uns in der Türkei ins Auto gefahren und in Malaysia hatten wir den berühmten Multi-21-Vorfall", erinnert er.

"Es war frustrierend. Wir alle verlieren manchmal die Beherrschung im Cockpit, aber unter Druck war bei ihm manchmal Panik und er hat das große Ganze aus den Augen verloren", sagt Webber. "Es war schwierig für alle, Sebastian wieder runterzukühlen."

"Er war unglaublich ehrgeizig", ergänzt Teamchef Horner. "Er hasste es, zu verlieren. Ich erinnere mich noch an ein Tennismatch. Wir haben so lange gespielt, bis endlich er gewonnen hat. Er konnte vorher nicht aufgeben. Er war unfassbar getrieben manchmal."


Fotostrecke: Sebastian Vettels kontroverseste Momente

Das machte es für ihn vor allem schwierig, als die Erfolge ausblieben. Nach vier WM-Titeln in Folge folgte 2014 der große Rückschlag. Red Bull konnte in der neuen Turboära nicht mehr mit Mercedes mithalten, und sein neuer Teamkollege Daniel Ricciardo machte ihm das Leben sportlich schwerer als zuvor Webber.

"Es war fast wie ein Kater nach all den WM-Siegen. Man gewöhnt sich halt einfach zu leicht ans Gewinnen", sagt Horner. "Wir haben in dem Jahr drei Rennen gewonnen, aber alle mit Daniel." Für ihn war damals offensichtlich, dass Vettel nicht mehr an Renault glaubte.

Traum bei Ferrari nicht erfüllt

"Und dann kam dieses scheinbar sehr attraktive Angebot von Ferrari. Und er wollte in die Fußstapfen von Michael Schumacher treten", so Horner.

Doch obwohl Vettel gleich sein zweites Rennen für die Scuderia gewann und jahrelang die große Hoffnung der Tifosi war, sollte sich dieser Traum nicht erfüllen. Wirklich nah dran war Vettel nie am Titel. Zwar wurde er in der Zeit zweimal Vizemeister, doch in beiden Jahren machte Lewis Hamilton den Sack schon vorzeitig zu.

"Da muss ich ein bisschen schmunzeln", wirft Berger ein. "Ich war auch bei Ferrari und wollte dort auch mein großes Ziel erreichen, Weltmeister zu werden und mir ist das auch nicht gelungen." Das haben nur Michael Schumacher und Niki Lauda geschafft, meint er. "Und das hat der Sebastian auch nicht zusammengebracht."


Lebenswerk: So rührend & lustig war Vettels Rede!

Kein anderer kann Dankesreden so gut wie Sebastian Vettel. In diesem Video zeigen wir euch seinen Auftritt bei den Autosport-Awards in London. Weitere Formel-1-Videos

Aber: Auch Ferrari selbst ist laut Webber eine Verantwortung dafür zu geben: "Sie haben alle Fahrer seit Michael Schumachers Zeiten eigentlich im Stich gelassen. In Maranello bringen sie kein Siegerauto zusammen und Schuld sind dann immer die Fahrer", sagt der Australier. 2022 steht Charles Leclerc sinnbildlich dafür.

Vettel selbst ging 2021 noch zwei Jahre zu Aston Martin. Doch mehr als mitgefahren ist er dort auch nicht und stand eher aufgrund seiner Aktivitäten abseits der Rennstrecke im Mittelpunkt. 2023 findet die Formel 1 gänzlich ohne den viermaligen Weltmeister statt.