• 15.04.2010 18:08

  • von Dieter Rencken

Webber: "Das Gefühl war niederschmetternd"

Mark Webber im Interview über den Moment, als ihm sein Teamkollege den Sepang-Sieg raubte, McLarens Speed-Vorteil und Hamiltons Zick-Zack-Manöver

(Motorsport-Total.com) - Red-Bull-Pilot Mark Webber sitzt zwar im besten Auto der Formel 1, liegt aber nach drei Rennen nur auf dem achten Rang in der WM-Wertung. In Sepang holte der "Aussie" zwar seine erste Saison-Pole und stand erstmals 2010 am Podest, doch wieder gab es einen Schönheitsfehler: Sein Teamkollege Sebastian Vettel trickste ihn in der ersten Kurve aus und raubte ihm den Sieg. Im Interview spricht er über die bitteren Sekunden in der ersten Kurve von Sepang und blickt auf das Rennwochenende in Schanghai.

Titel-Bild zur News: Mark Webber

Red-Bull-Pilot Mark Webber hat noch keinen Saisonsieg auf dem Konto

Frage: "Mark, was ändert sich für dich an der Herangehensweise und am Gefühl, wenn du vor einem Rennen weißt, dass du das schnellste Auto hast?"
Mark Webber: "Wir waren im letzten Rennen zwar Erster und Zweiter, aber es war kein normales Qualifying. McLaren war sehr schnell und Ferrari auch, besonders im Rennen. Wir brauchen mal einen normalen Grand Prix, um das Kräfteverhältnis einschätzen zu können. In Melbourne waren wir am schnellsten und in Malaysia waren wir auch nicht so schlecht, auch wenn ich nicht sagen würde, dass wir einen Riesenvorteil hatten."#w1#

"Man muss es halt auf die Reihe bekommen. Schanghai ist eine neue Strecke mit anderen Temperaturen. Wir kommen nicht mit der Einstellung hierher, dass wir gerade gewonnen haben und deswegen wieder am schnellsten sein werden. Wir werden schnell sein, aber ob wir einen Vorteil haben werden? Es wäre dumm, so zu denken."

Bitterer Doppelsieg für Webber

Frage: "Hast du die erste Kurve von Malaysia in deinem Kopf noch einmal durchgespielt?"
Webber: "Es hat ein paar Tage gedauert, bis ich Gelegenheit dazu hatte, es mir anzuschauen. Ich hatte einfach dieses Gefühl, dass er links kommt. Ich konnte ihn nicht sehen, weil er so dicht an meinem Heckflügel war. Ich habe in all den Jahren viele erste Kurven erfolgreich verteidigt. Nach links gezogen bin ich, weil ich dachte, dass er dort ausscheren würde, aber das war nicht der Fall."

"Die Führung in der ersten Kurve zu verlieren, war nicht so niederschmetternd wie das Rennen selbst." Mark Webber

Frage: "War es ein niederschmetterndes Gefühl, als du das Video gesehen hast?"
Webber: "Ja, aber es war nicht so niederschmetternd wie der Moment in der ersten Kurve, denn ich hatte gehofft, dass er sich dort selbst ausbremsen würde. Das hätte er beinahe getan, aber eben doch nicht ganz. Das Schauen war nicht so niederschmetternd wir das Rennen selbst. Schade ist halt, dass man in den vergangenen Jahren mit der Strategie, mit einem kurzen und einem langen Stint zum Beispiel, noch etwas machen hätte können. Jetzt entscheidet sich der Grand Prix auf den ersten 500 Metern."

Frage: "Warum bist du nicht einfach vor Sebastian Vettel zum ersten Boxenstopp gekommen?"
Webber: "Der, der vorne liegt, hat die Wahl."

Frage:: "Ist das die teaminterne Regel?"
Webber: "Ja. Das war in Melbourne so und wird auch hier so sein, dass derjenige als Erster entscheiden darf, der vorne ist. Das ist bei allen Teams so. Zum Beispiel in Bahrain mit Rosberg und Michael, als sie Michael gegenüber Rosberg vorgezogen haben. Aber derjenige, der hinten ist, kann unter Umständen auch profitieren."

Frage: "Hätte sich Seb gleich verhalten wie du?"
Webber: "Ja, natürlich hätte er das."

Keine Angst vor dem McLaren-Topspeed

Frage: "Eine Kombination aus dem Abtrieb, den dein Auto produziert, und dem Motor sorgt dafür, dass euch heuer Geschwindigkeit auf der Geraden fehlt. Wie sehr beschäftigt dich der McLaren und dessen Vorteil bei der Höchstgeschwindigkeit?"
Webber: "Da mache ich mir nicht mehr Sorgen als in Malaysia. Lewis nützte den Vorteil und das ermöglichte es ihm, bis zu einem gewissen Punkt nach vorne zu kommen. Doch dann lief er auf einen Kerl mit dem gleichen Motor auf und hatte plötzlich Probleme. Natürlich gibt es eine lange Gerade und gewisse Autos, die dort schneller sind als wir, also müssen wir unsere Arbeit in anderen Streckenteilen machen."

"Das ist uns in der Vergangenheit gelungen - wie in Melbourne, wo die Strategie sehr gut funktioniert hat. Und hätte es dort nicht fünf verregnete Minuten gegeben, wäre das Rennen langweilig geworden. So hat der Regen alles auf den Kopf gestellt. Wir können nichts daran ändern - wir haben, was wir haben."

"Lewis wird es nicht mehr machen. Er hat sich da etwas in die Nesseln gesetzt." Mark Webber

Frage: "Sprechen wir über Lewis in Malaysia: Viele Fahrer wollen eine Klarstellung, wie oft man die Spur wechseln darf, bezüglich der Art und Weise, wie er sich gegen Vitaly Petrov verteidigt hat. Wie siehst du das?"
Webber: Das wird glaube ich im Fahrerbriefing geklärt. Lewis wird es nicht mehr machen, er hat sich da etwas in die Nesseln gesetzt, es ist aber auch gut, dass die Stewards uns jetzt etwas mehr Spielraum geben. Bei einem harten Regelwerk ist es immer ein schmaler Grat, wie zum Beispiel bei meiner Durchfahrtsstrafe am Nürburgring, oder anderen Ereignissen, als Leute bestraft wurden, wie zum Beispiel Sébastien Bourdais in Fuji mit Massa und ähnliches. Da gab es schon viele solche Vorfälle. Das war jetzt ein neuer Stil, wenn man so will, so der Gerade entlang zu fahren - einer, der wohl abgeschafft wird."

Webber rechnet nicht mit Konsequenzen für Hamilton

Frage: "Wo unterscheidest du selbst zwischen Verteidigen und den Verfolger abschütteln? Dieser Fahrstil war in den 60ern und 70ern ganz normal, sogar noch in deiner Formel -Ford-Zeit."

Webber: "Den Verfolger abzuschütteln ist eine Art des Verteidigens. In vielen Klassen war es üblich, die Gerade wie eine Schikane zu fahren und den Verfolger zu blockieren - ich weiß nicht, welche Wirkung das tatsächlich hat. Es macht die Sache aber zumindest für den Verfolger unberechenbar, abgesehen von der Sache mit dem Windschatten. Die Autos sind jetzt sehr schnell auf den Geraden, das waren sie auch in den vergangenen zwanzig Jahren. Doch die Aggressivität hat sich seit den 80ern geändert, wahrscheinlich zu Gunsten der Sicherheit, aber zum Nachteil des harten Racings."

"Ich wurde über die Jahre hinweg dafür kritisiert, manchmal zu hart zu sein, wenn es darum geht, wann man sein Manöver macht. Ich weiß, dass es nur ein Manöver gibt, es ist nur die Frage, wann man es macht. Das Letzte, was man will, ist, dass jemand auf dein Hinterrad auffährt und aufsteigt - das wollen wir vermeiden. Es ist schon so schwer genug, zu überholen, wenn wir jetzt auch noch ständig die Spur wechseln, dann wird es noch schwieriger. Es wird sich aber alles in Wohlgefallen auflösen und niemand muss eingreifen."

"Es ist großartig, dass andere Teams schlaflose Nächte wegen uns hatten." Mark Webber

Frage: "Die FIA hat das Aufhängungsthema jetzt klargestellt, wodurch das Gerede über dein Team beendet sein sollte. Freut dich das oder ist es dir egal, was andere Leute denken?"
Webber: "Es war großartig, dass andere Leute offenbar schlaflose Nächte hatten. Für uns hat sich nichts verändert, also ist es gut so. Wir schauen nach vorne."

Ist der Red-Bull-Vorteil in Europa dahin?

Frage: "Ihr hätte die ersten drei Rennen der Saison gewinnen müssen, habt aber nur einen Sieg eingefahren. Das hier ist das letzte Rennen, bevor sich das Wettbewerbsbild in Barcelona ändern wird. Es könnte also das letzte Rennen sein, wo ihr einen Vorteil habt, ist es daher entscheidend?"
Webber: "Nein, nicht wirklich. Wir kommen zu allen Rennen mit dem Wissen, dass wir die Chance auf ein wirklich gutes Resultat haben. Ob es ein Top-Resultat ist, erfährst du im Laufe des Wochenendes. Ich sehe überhaupt keinen Grund, warum wir bei den Europarennen nicht konkurrenzfähig sein sollten. Warum glaubst du das denn?"

Frage: "Weil die anderen Teams mit Updates die Lücke schließen könnten."
Webber: "Ja, könnten sie. Aber vielleicht werden sie es nicht. Vergangenes Jahr haben wir während der Saison sehr gut entwickelt. Wir haben zu Saisonbeginn Rennen gewonnen, haben auch am Ende gewonnen, also sehe ich überhaupt keinen Grund, warum wir uns nicht über das gesamte Jahr hinweg gut schlagen sollten."

Große Erleichterung bei Red Bull

Frage: "Nach Sebastians Sieg in Malaysia hast du gesagt, dass du nicht sicher bist, ob das Team hier wieder am schnellsten sein wird. Hat es im Team trotzdem einen Ruck gegeben, ist euch eine Last von den Schultern gefallen, weil es endlich geklappt hat?"
Webber: "Da gab es eine große Erleichterung im Team - gar keine Frage. Aus vielen unterschiedlichen Gründen - die Zuverlässigkeit, das Wetter - hatten wir bis dahin keinen normalen Sonntagnachmittag gehabt. Das ging aber auch anderen Teams so. Ferrari hatte einen Doppelsieg in Bahrain, in Malaysia erlebten sie aber ein ganz anderes Wochenende. Das waren also herausfordernde Orte, um konstant die Leistung in jeder Session und in jedem Rennen auf den Punkt zu bringen. Da war so ein Rennen für uns als Team mit Sicherheit eine gute Medizin."

"Ein Rennen wie Malaysia war für uns als Team mit Sicherheit eine gute Medizin." Mark Webber

"Wir spürten aber nicht nur die Arbeitslast des Wochenendes, davor hatten wir auch sehr solide Wintertestfahrten. Man investiert sehr viel harte Arbeit und wenn man dann mit Champagner belohnt wird, dann beeinflusst das die Einstellung der Leute stark. Mehr kann man als Team nicht tun, ein Doppelsieg ist das ultimative Ergebnis. Außerdem hatten wir ja die Schnellste Runde und die Pole - wir haben in Malaysia alles abgeräumt. Das ist jetzt aber Geschichte. Gut, dass wir die Punkte im Sack haben, aber wir müssen hier her kommen und versuchen, daran so gut wie möglich anzuschließen."

Frage: "Wenn du dein Wissen über dein Team und die anderen kombinierst, könnt ihr dann das gesamte Jahr lang an der Spitze sein?"
Webber: "Ja, an der Spitze. Jede Woche zu Siegen ist sehr, sehr schwierig. Aber wir haben nicht vor, nach hinten durchgereicht zu werden. Wir wollen vorne bleiben."