Was Williams noch zum absoluten Top-Team fehlt

Claire Williams und Rob Smedley erklären, warum die Truppe manchmal nicht wie ein Top-Team agiert, was man dagegen tut und wieso man Weltmeister werden kann

(Motorsport-Total.com) - Im Vorjahr war Williams die große Überraschung, als man hinter Mercedes und Red Bull Dritter in der Konstrukteurs-WM wurde. Dieses Jahr hing die Latte höher, doch die Truppe aus Grove konnte nur bedingt einen Sprung nach vorne machen: Wie im Vorjahr ist man Dritter in der Konstrukteurs-WM, doch Ferrari hat Williams überholt.

Titel-Bild zur News: Valtteri Bottas

An der Box agiert die Williams-Mannschaft immer wieder unglücklich Zoom

Zudem schleichen sich bei den Rennen immer wieder Fehler ein: Die Boxenstopps und -strategien sind nicht immer glücklich, über die Saison hinweg fehlt es an Konstanz. Vor allem auf engen Kursen, wo die Mercedes-Antriebseinheit keinen großen Vorteil darstellt, liegt man oft zurück. Das hat aber auch damit zu tun, dass der Williams wie im Vorjahr wenig Luftwiderstand aufbaut, was wiederum auf schnellen Kursen ein Vorteil ist.

Insgesamt hat man den Eindruck, als hätte Williams seine Schwächen aus dem Vorjahr nicht behoben, obwohl man mit dem Briten Rob Smedley sogar einen erfahrenen Mann im Team hat, der die Abstimmung zwischen dem Renneinsatz und der Arbeit in der Fabrik verbessern soll. Als in Spa bei Valtteri Bottas' Boliden aus Versehen ein falscher Reifen angeschraubt wurde und dieser eine Strafe erhielt, kam es in Grove zur Krisensitzung.

Krisensitzung nach Spa-Boxenstopp-Fehler

"Das war wirklich ein Fall, wo man in die Fabrik zurückkehren und dort alles besprechen musste - und sehr offen und ehrlich zu sich selbst sein musste", sagt Smedley. Er sieht keine grundsätzlichen Probleme bei seinem Team: "Ich bin der Meinung, dass wir nur feine, wohlüberlegte Änderungen machen sollten."

Die stellvertretende Teamchefin Claire Williams hat eine Erklärung dafür, warum Williams manchmal nicht so ausgebufft und flexibel auftritt wie die direkte Konkurrenz von Ferrari oder Mercedes - und man immer wieder vermeintliche Anfängerfehler begeht. "Man darf nicht vergessen, dass wir über einen Zeitraum von zehn Jahren etwas auf dem absteigenden Ast waren", argumentiert sie.

Valtteri Bottas

In Spa fasste Bottas aus Versehen zwei unterschiedliche Reifenmischungen aus Zoom

"Jetzt präsentiert sich Williams auf der Strecke meistens deutlich verbessert, aber es gibt definitiv noch Bereiche im Team, an denen wir arbeiten müssen, um ein richtiges Top-Team zu werden. Das Problem ist, dass wir alle zwei Wochen damit konfrontiert sind - und die Arbeit, die noch vor uns liegt, jedes Mal, wenn wir einen Fehler machen, bloßgestellt wird."

Wieso bei Bottas ein falscher Reifen angeschraubt wurde

Das wurde vor allem in Spa bei Bottas' Boxenstopp-Panne deutlich. Wie es zu so einem Faux-pas kommen konnte? "Wir haben unser System verändert, haben die Reifen anders aufgestellt - und zwar nicht mehr vertikal, sondern horizontal." Die Umstellung bereitete dann Probleme: "Wir waren auf das neue System einfach nicht gut genug vorbereitet. Wir haben aber auch ein Absicherungssystem, damit nie eine Einzelperson die volle Verantwortung trägt. Das hat aber ebenfalls versagt. Und so ist es dazu gekommen." Sie stellt sich aber vor ihre Mannschaft: "Jeder macht Fehler."

Außerdem lobt sie die Ehrlichkeit ihres Teams: "Bis vor ein paar Rennen haben wir uns nicht mit Ruhm bekleckert, aber unsere Leute heben immer die Hand, wenn es darum geht, einen Fehler zuzugeben." Auch Smedley ist mit der Moral der Truppe zufrieden und verweist auf die Krisensitzung: "Ich bin wirklich zufrieden, wie alle reagiert haben. Das Team muss verstehen, dass der Druck, unter dem wir stehen, ganz normal ist. Wer dieses Druckniveau nicht mag, der sollte etwas anderes tun und sich ein anderes Team suchen. Wer aber Rennen und Weltmeisterschaften gewinnen will, der muss sich gewöhnen."

"Wir haben uns nicht mit Ruhm bekleckert." Claire Williams

Claire Williams sieht Titelpotenzial

Und genau das ist langfristig das Ziel von Williams. Obwohl man im Vergleich zur direkten Konkurrenz in Sachen Budget klar im Hintertreffen ist. Ist die Vorgabe reine Traumtänzerei? Claire Williams wehrt sich: "Wir haben es in der Vergangenheit geschafft, haben 16 Weltmeisterschaften gewonnen - gegen Teams mit viel größeren Budgets. Es geht darum, wie man sein Geld einsetzt. Es geht darum, welche Gehirne für einen arbeiten - und ich denke, dass wir dieses Talent besitzen."

"Wir haben in der Vergangenheit 16 Weltmeisterschaften gewonnen - gegen Teams mit viel größeren Budgets." Claire Williams

Sogar gegen das Mercedes-Werksteam sieht sie eine Chance, dabei hat die Truppe aus Brackley nicht nur deutlich mehr Geld, sondern erhält auch die Antriebs-Updates früher. Zudem ist der Motor perfekt an das Silberpfeil-Chassis angepasst. Williams will sich aber nicht unterordnen: "In der Formel 1 geht es nicht nur um den Motor, sondern auch um das Chassis und so viele andere Komponenten. Wenn man all das hinkriegt, warum soll man dann das Team des Motorenherstellers nicht schlagen können?"

Hoffen auf Singapur

Eine kühne Aussage, denn ausgerechnet in Monza, wo Williams dank der Autocharakteristik gut aufgestellt sein sollte, war man hinter Mercedes und Ferrari dritte Kraft: Felipe Massa und Bottas fehlten am Ende auf den zweitplatzierten Ferrari-Piloten Sebastian Vettel ganze 22 Sekunden. Massa hat eine Erklärung: "Beim Motor sind sie jetzt so stark wie Mercedes - und es wird von Rennen zu Rennen immer schwieriger gegen sie, weil sie weiterhin ihr Auto verbessern."

Zudem verweist Smedley, der Ferrari aus seinen vielen Jahren als Massas Renningenieur gut kennt, darauf, dass das Antriebs-Update der Scuderia erfolgreich war. "Ihre neue Antriebseinheit hat sich in Qualifying und Rennen bewährt. Sie haben stets ein sehr gutes Tempo gezeigt."

Er hofft, dass Williams bald in den Genuss des neuen Mercedes-Updates kommen wird, das Lewis Hamilton in Monza einen deutlichen Leistungsvorteil verlieh. Zudem kündigt er für Singapur ein umfangreiches Update-Paket an: "Ich hoffe, dass wir mit diesen Änderungen dort wieder auf Ferrari-Niveau sein werden."