Was Newey so besonders macht

Adrian Newey wird von den Ingenieuren der Konkurrenzteams für seine Fähigkeiten bewundert - Red Bull will den Stardesigner unter keinen Umständen ziehen lassen

(Motorsport-Total.com) - Adrian Newey gilt als der beste Designer in der Formel 1. Schon seine Frühwerke bei dem chronisch unterfinanzierten March-Team in den 1980er-Jahren sorgten mit einigen starken Leistungen für hochgezogene Augenbauen. Als er Anfang der Neunzigerjahre zu Williams wechselte, fuhr das britische Traditionsteam allen auf und davon. Teilweise waren die Boliden technologisch ein Jahr vor allen anderen Rennställen. Bereits damals begann der Automobilweltverband FIA einige von Neweys Entwicklungen per Reglement einzuschränken, Stichwort aktive Radaufhängung.

Titel-Bild zur News: Adrian Newey (Technischer Direktor)

Adrian Newey hat Red Bull innerhalb weniger Jahre an die Spitze geführt

Dieses Katz- und Mausspiel dauert bis heute an. Der von Newey perfektionierte von Auspuffgasen angeströmte Diffusor wurde für diese Saison verboten. Obwohl sich der neue RB8 von Red Bull im ersten Qualifikationstraining der Saison nicht als Klassenprimus präsentiert hat, ist die Saison noch viel zu jung, um Newey und sein Design-Team abzuschreiben. Seit 2005 arbeitet der 53-Jährige für den österreichischen Energy-Drink-Hersteller. Zwei Fahrer- und zwei Herstellerkronen konnten gewonnen werden.

Bei Red Bull hat Newey eines gefunden, was er davor bei McLaren nicht hatte: Freiheit. Der Brite kann sich voll entfalten und seine Ideen umsetzen. Bei McLaren war er nur ein Teil, wenn auch ein wichtiger, eines großen Ingenieurstabes. Auch Williams machte einen entscheidenden Fehler. Newey forderte Mitte der Neunzigerjahre Anteile am Team, das damals von Erfolg zu Erfolg fuhr.

Frank Williams lehnte das ab und ließ Newey ziehen. Der Teamchef hat im Nachhinein zugegeben, dass das wahrscheinlich sein größer Fehler war. Wer weiß, welche Erfolge Williams mit Newey noch feiern hätte können... Das liegt aber weit in der Vergangenheit zurück. Für ein Traditionsteam hat Newey noch nicht gearbeitet: Ferrari. In den vergangenen Wochen kamen erneut Gerüchte auf, wonach die Scuderia an einer Verpflichtung interessiert ist.

Red Bull lässt Newey nicht ziehen

Der aktuelle F2012 scheint eher ein Flop als ein Topauto zu sein. Sollte auch in diesem Jahr kein großer Erfolg möglich sein, könnten in Maranello Köpfe rollen. Newey wäre für Präsident Luca di Montezemolo und Teamchef Stefano Domenicali die Rettung. Noch drei Jahre läuft Neweys Vertrag bei Red Bull. Würde ihn das Team ziehen lassen? "Unter keinen Umständen", sagt Teamchef Christian Horner gegenüber 'Formula1.com'. "Ich muss ihn auch nicht dazu überreden zu bleiben. Er genießt es, ein Teil unseres Teams zu sein. Er hat das immer klargestellt."

Der Williams FW15 aus dem Jahr 1993 war der Konkurrenz weit überlegen Zoom

Doch was macht Newey so einzigartig? Seine Ingenieurkollegen aus den Konkurrenzteams bewundern die Art und Weise, wie der Brite arbeitet und denkt. McLarens Technikdirektor Paddy Lowe hat mit Newey bei Williams und McLaren zusammengearbeitet. "Er ist ein großartiger Aerodynamiker. Er ist kreativ und innovativ. Er hat ein sehr gutes Verständnis über das Auto als Ganzes. Er hat seit Anfang der Achtzigerjahre an allen Bereichen eines Autos gearbeitet", sagt Lowe gegenüber 'Autosport'.

Darin könnte eines von Neweys Erfolgsgeheimnissen liegen. Als er in die Formel 1 kam, konstruierte ein Designer meist das komplette Auto. Mittlerweile gibt es Ingenieure, die nur Radaufhängungen konstruieren oder sich nur um bestimmte Bereiche des Autos kümmern und nicht im Detail wissen, was am anderen Ende passiert. Dadurch entwickeln sich Spezialisten, doch ein erfolgreiches Fahrzeug muss stimmig sein und als Einheit gut zusammenarbeiten.

Alleine bei Mercedes sind fünf ehemalige Technische Direktoren angestellt, die sich um ihre jeweiligen Gebiete kümmern. Aufgrund der Spezialisierung ist es für Nachwuchstalente auch nicht einfach, zu einem neuen Newey heranzuwachsen. "Jetzt ist es aufgrund der großen Teams sehr schwierig für einen Ingenieur, sich diese Erfahrung anzueignen, die ich habe", sagt Lowe. "Adrian hatte noch mehr Möglichkeiten dazu als ich."

Mika Häkkinen, Melbourne, Albert Park Melbourne

Im Jahr 1998 machte Adrian Newey Mikka Häkkinen (McLaren) zum Weltmeister Zoom

"Wenn man sich seine Autos ansieht, dann sind sie eine Reflexion des Mannes, der sie gebaut hat. Er hat einen unglaublichen Sinn für Details. Außerdem ist er ein Original", beschreibt Lowe seinen langjährigen Weggefährten. "Er sieht das große Gesamtbild, das komplette Auto. Das ganze Ding trägt seine Handschrift. Es ist keine Ansammlung verschiedener Lösungen, die von verschiedenen Leuten zusammengestoppelt wurden."

Andrew Green fungiert als Technischer Direktor bei Force India und bewundert Neweys Künste: "Ich habe mit ihm damals bei Red Bull gearbeitet und bewundere ihn. Er ist ein talentierter Aerodynamiker und Ingenieur. Sein Arbeits- und Führungsstil sind einzigartig. Es wird nie wieder einen zweiten Adrian Newey geben. So wie er das Auto in Bewegung sehen kann und wie er seine Pläne zeichnet, ist einzigartig."

James Allison stieß 1991 zu Benetton, wo ab der Saison 1992 die hohe Nase salonfähig gemacht wurde. Newey folgte bei Williams diesem Trend erst ab der Saison 1995. Allison, der heute Technischer Direktor bei Lotus ist, sieht Neweys Stärken in Innovationen innerhalb des eng gesteckten Reglements. Auch Nick Fry, Geschäftsführer bei Mercedes, sieht keinen neuen Newey in die Formel 1 kommen.

"Adrian ist sehr gut, ein Aerodynamiker, der weiß, was ein Rennauto braucht", sagt der Brite über seinen Landsmann. "Ich glaube, wir müssen alle viel arbeiten, bis wir zu Adrian aufschließen. Man kann seine Erfolge nicht in Frage stellen. Er ist einzigartig. Der einzige Kritikpunkt wäre, dass er ein Team verwundbar macht, wenn ihm etwas passieren würde. Man muss sicherstellen, dass die zurückgebliebene Organisation weiterhin ein konkurrenzfähiges Design für die Zukunft bewerkstelligen kann."