Warum weniger Stopps nur bei Topteams ein Nachteil sind

Karun Chandhok erklärt, wieso Buemi und Kobayashi von ihrer Dreistopp-Strategie profitierten und warum die Teams mit ihren Fahrern besser kommunizieren müssen

(Motorsport-Total.com) - Nur die Strategie kann Sebastian Vettel dieses Jahr besiegen. Das zeigt die bisherige Saison: Bis auf den Grand Prix von China, wo der Red-Bull-Pilot mit einem Stopp weniger und verschlissenen Reifen keine Chance gegen Lewis Hamilton hatte, hieß der Sieger stets Vettel. Doch Lotus-Ersatzfahrer Karun Chandhok - ein ehemaliger Red-Bull-Junior - ist gegenüber 'ESPN' der Meinung, dass der Heppenheimer in Istanbul auch mit einer Dreistopp-Strategie gewonnen hätte.

Titel-Bild zur News: Jenson Button

Jenson Buttons Dreistopp-Strategie stellte sich als Nachteil heraus

"Seb ist derzeit durch sein Selbstvertrauen und seinen Glauben unschlagbar", meint der Inder, der schon im Qualifying bemerkte, in welch bestechender Form sich der 23-Jährige befindet. "Seine Runde war gewaltig. Es gab viele Berichte, dass er den Heckflügel in seiner Pole-Runde schon vor dem dritten Scheitelpunkt der Kurve 8 flacher gestellt hatte. Das ist beeindruckend, denn die meisten anderen mussten damit bis nach dem vierten Scheitelpunkt warten."

Drei Stopps: Button verliert, Hinterbänkler profitieren

Auch im Rennen war Vettel der Konkurrenz stets voraus. "Seb hätte auf einer Dreistopp- und auf einer Vierstopp-Strategie gewonnen", glaubt Chandhok. "Der sichere Weg war es aber, wie Fernando und Mark vier Stopps zu machen." In Bridgestone-Zeiten hatte es sich meist als Fehler herausgestellt, einen zusätzlichen Boxenstopp einzulegen, doch da Überholmanöver durch die stark nachlassenden Pirelli-Reifen und den verstellbaren Heckflügel möglich sind, ist diese Saison das Gegenteil der Fall.

"Bei zwei Rennen hintereinander haben sich mehr Boxenstopps als bessere Strategie herausgestellt." Karun Chandhok

Dies fällt auch Chandhok auf: "Es ist interessant, dass sich nun bei zwei Rennen hintereinander mehr Boxenstopps und somit mehr Zeit auf frischen Reifen als bessere Strategie herausgestellt haben." Er verweist auf die McLaren-Piloten: Lewis Hamilton verlor in der ersten Runde einige Positionen, dann klemmte beim Boxenstopp eine Radmutter, "und dennoch kam er 20 Sekunden vor Jenson ins Ziel. Sogar Jenson weicher Fahrstil reichte nicht aus, damit diese Strategie aufgeht."

Im Gegensatz zu Button profitierten allerdings Sebastien Buemi und Kamui Kobayashi von ihrer Dreistopp-Strategie - beide kamen von hinteren Positionen und fuhren als Neunter und Zehnter in die WM-Punkte. Auch dafür hat Chandhok eine Theorie: "Ein Reifeningenieur hat mir gesagt, dass die Dreistopp-Strategie für Kamui und Buemi funktioniert hat, da sie durchschnittlich eine Sekunde pro Runde langsamer sind als Red Bull und McLaren und daher die identen Reifen weniger belasten. Dieser Gedankengang ergibt für mich Sinn."

Chandhok fordert bessere Kommunikation

Ganz allgemein spielt die Strategie dieses Jahr eine viel wichtigere Rolle. Das wirkt sich laut Chandhok auch auf die Kommunikation zwischen Fahrer und Renningenieur aus: "Wenn man sich die Aussagen der Fahrer nach dem Rennen anhört, dann ist klar, dass die Ingenieure und Fahrer Wege finden müssen, um mehr über ihre Strategien und ihre Platzierung im Rennen kommunizieren zu können. Es ist immer schwierig, zu fahren und nicht genau zu wissen, wo man im Vergleich zu den anderen Autos liegt, die man vielleicht nicht sieht."

"Es ist immer schwierig, zu fahren und nicht genau zu wissen, wo man im Vergleich zu den anderen Autos liegt." Karun Chandhok

Allgemein wollen die Teams die Kommunikation über Boxenfunk auf ein Minimum reduzieren. "Erstens hat man Angst, die Fahrer abzulenken, und zweitens könnte man zu viele Informationen an andere Teams preisgeben", erläutert Chandhok die Gründe. Bei Ferrari hat man einen unkonventionellen Weg gefunden, um dies zu verhindern: "Es war amüsant, dass Andrea Stella (Alonsos Renningenieur, Anm.) mit Fernando über den Boxenfunk Italienisch gesprochen hat, um ihm mitzuteilen, dass man genau das machen wird, was Red Bull macht. Ich bin sicher, dass man bei Red Bull und McLaren schnell auf die Suche nach einem Italienisch-Sprecher ging."