• 22.03.2011 16:46

Warum Toro Rosso auf den "doppelten" Unterboden setzt

Chefdesigner Ben Butler erklärt, was der "doppelte" Unterboden bei Toro Rosso bringt und warum man dafür beinahe auf KERS verzichten hätte müssen

(Motorsport-Total.com) - Der Toro Rosso STR6 geht als Geheimtipp in die Saison 2011. Der Bolide des Red-Bull-B-Teams überzeugte bei den Testfahrten mit einer guten Performance, tollen Zeiten und innovativen Ideen. Vor allem der doppelte Unterboden - ein Konzept, das erstmals 1992 von Ferrari eingesetzt wurde - erregte viel Aufsehen.

Titel-Bild zur News: Sebastien Buemi

Der Toro Rosso überzeugt mit seinen extrem unterschnittenen Seitenkästen

Kein Wunder, dass ausgerechnet die Truppe von Teamchef Franz Tost dieses Konzept aufgegriffen hat, schließlich war der heutige Toro-Rosso-Technikchef Girogio Ascanelli damals Teil der Truppe aus Maranello. Doch auch Chefdesigner Ben Butler hat großen Anteil am STR6. Warum man auf einen doppelten Unterboden setzt, welche Nachteile man in Kauf nimmt und worin die Herausforderungen lagen, erklärt Butler im Interview.

Frage: "Herr Butler, die Leute sagen, dass der STR6 einen doppelten Unterboden hat. Was bedeutet das?"
Ben Butler: "Wir nennen es lieber extrem unterschnittene Seitenkästen. Im Grunde bedeutet es, dass wir die gesamte Hardware anheben, die normalerweise im Boden und im Bereich der Seitenkästen untergebracht ist, und so den Weg zum Heck frei machen. Das klingt einfach, doch man muss alles neu einbauen, um dieses Konzept umsetzen zu können. Das Ergebnis ist, dass die Luft ungehindert zum Heck des Autos strömt und nicht um die Seitenkästen herumgeführt werden muss."

Frage: "Auch andere Teams machen ungewöhnliche Dinge mit ihren Seitenkästen. Dient das dem gleichen Ziel?"
Butler: "Ich kann nicht für sie sprechen, aber man erkennt, dass viele Teams ganz unterschiedliche Dinge im Heckbereich der Autos machen."

Frage: "Hat es dieses Jahr für die Designer Priorität, den neuen Diffusor effizient zum Arbeiten zu bringen?"
Butler: "Ich glaube, dass alle Teams dieses Jahr mit vielen Herausforderungen fertig werden mussten. Die Rückkehr von KERS bedeutet für viele Teams, dass sie einiges über die Schwierigkeiten lernen, dieses System und seine Auswirkungen auf das Bremsverhalten durch die Ladung von KERS anzupassen. Das Gewichtslimit für Auto und Fahrer ist jetzt um 20 Kilo höher als letztes Jahr, das KERS-Paket wiegt aber bei vielen mehr als das. Daher ist auch die Gewichtsverteilung wichtig."

"Die Gewichtsverteilung liegt nun mit 45,5 bis 46,5 Prozent vorne, daher fügt man nicht nur Gewicht hinzu, man muss es auch am richtigen Platz anbringen. Dann wäre da noch der neue Heckflügel, mit dem jeder zurecht kommen muss, weil man sonst sehr viel Performance verliert. Zudem gibt es neue Chassisregeln. Die Liste geht noch weiter."

"Es stimmt aber, dass das Verbot des Doppeldiffusors zu einem enormen Verlust von Performance geführt hat, zudem wurde die Höhe des Diffusors reduziert. Dieser Bereich benötigt im Windkanal viel Aufmerksamkeit, um so die bei diesen Autos gewohnte Performance zurückzuerobern."

Frage: "Ferrari versuchte es mit dieser Herangehensweise vor langer Zeit. Hat sich bei den Regeln etwas geändert, wodurch diese Idee wieder Sinn macht hat?"
Butler: "Noch einmal: Das Verbot des Doppeldiffusors hat dieses Konzept wieder interessant gemacht, seit 1992 haben sich aber viele andere Dinge verändert. Damals gab es keine Stufe im Unterboden, eine ausgedehnten Diffusor und Zwölf-Zylinder-Motoren."

Frage: "Wenn es der Vorteil ist, einen ungestörten Luftstrom zum Heck des Autos zu gewährleisten, was sind dann die Nachteile?"
Butler: "Der Nachteil ist, dass mehr Teile des Autos weiter oben angebracht sind. Bei Rennautos will man allgemein einen tiefen Schwerpunkt erreichen. Das ist also nicht optimal, aber die Auswirkungen sind nicht groß. Der größere Nachteil ist das zusätzliche Gewicht. Die Oberfläche des Bodyworks ist größer und wir haben große Teile von überhängendem Bodywork."

"Davor war alles effizient gestützt, um jetzt aber das gleiche Steifheits-Niveau zu erreichen, ist es unerlässlich, Gewicht dazu zu geben. Wir wussten das aber beim Start dieses Projektes und alle haben dabei großartige Arbeit geleistet, das Kerngewicht des Autos um zwanzig Kilo zu reduzieren. Wenn wir das Gewicht nicht reduziert hätten, dann hätten wir auf KERS verzichten müssen."

Frage: "War es schwieriger, die Kühler und anderes einzubauen?"
Butler: "Der Einbau war zäh, vor allem beim Auspuff. Unser Auspuff-Designer ist wahrscheinlich bei der 65. Ausbaustufe des Auspuffs und selbst er wird schon müde, weil er den ganzen Tag lang die Rohre anschauen muss. Das ist aber ein entscheidender Bereich, den dieses Jahr alle Teams erforschen. Mit den unterschnittenen Seitenkästen macht es die Lage etwas schwieriger und es hat eine Weile gedauert, bis wir es hinkriegten."

Frage: "Wird das Auto dadurch schwieriger zu fahren?"
Butler: "Nicht wirklich. Das Auto ist schwieriger zu fahren, weil das KERS das Bremsverhalten beeinträchtigt, weil wir den Heckflügel benutzen, weil der Fahrer den Frontflügel nicht mehr auf der Strecke verstellen darf. Es ist also schwieriger, eine Balance zu finden. Diese Probleme haben aber nichts mit dem Konzept der unterschnittenen Seitenkästen zu tun."

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