• 07.02.2003 10:35

  • von Fabian Hust

Warum sich Ferrari noch einmal deutlich verbessern kann

Die Konkurrenz zittert vor den ersten Tests des neuen F2003 und der kann durchaus deutlich schneller sein als der F2002

(Motorsport-Total.com) - Auf die Frage, ob man in diesem Jahr mit Ferrari mithalten könne, haben die Verantwortlichen der konkurrierenden Top-Teams meistens ein und dieselbe Antwort: "Das kommt darauf an, wie gut Ferrari über den Winter gearbeitet hat". Weil Ferrari im Rekord-Jahr 2002 der Konkurrenz einen deutlichen Schritt voraus war, müssen die anderen Teams zwei Schritte nach vorne machen, um auf Ferrari aufzuschließen.

Titel-Bild zur News: Ferrari-Präsentation

Mit Spannung wird die Präsentation des F2003 erwartet

Eigentlich gibt es keinen Grund, warum die Italiener nicht wie die anderen Teams auch über den Winter hinweg einen Schritt nach vorne machen konnten, und genau das lässt die anderen Teams die Sorgenfalten auf die Stirn treiben. Seit Anfang 2002 bastelte Ferrari am Konzept des F2003, seit Ende Juni 2002 wurde bereits die Weiterentwicklung des F2002 zum Großteil eingestellt, um sich voll auf das neue Auto konzentrieren zu können.

Die hellen Köpfe hinter dem F2003

Auch wenn Headhunter versuchen, Ferrari Personal abzujagen, so sind zumindest die wichtigsten Köpfe auch für die kommenden zwei Jahre bei Ferrari gesetzt. Ross Brawn koordiniert und überwacht als Technischer Direktor die Zusammenarbeit der einzelnen Abteilungen. Chefdesigner Rory Byrne ist für den Bau des Chassis' verantwortlich, Paolo Martinelli ist der Chef der Motorenabteilung, Nicholas Tombazis koordiniert die Arbeit seiner Aerodynamiker und Ingnazio Lunetta leitet die Forschungsabteilung des italienischen Rennstalls.

Hinter diesen technischen Direktoren stehen mehr als 500 Angestellte. Neben Michael Schumacher und Rubens Barrichello wurden und werden auch die Testfahrer Luca Badoer und der neu verpflichtete Ex-Sauber-Fahrer Felipe Massa eng in die Entwicklung des Autos integriert, nicht nur in der späteren Testphase, sondern auch durch ihren Input in der frühen Designphase ? das galt zumindest für Badoer und den vor wenigen Tagen entlassenen Luciano Burti ?, wenn es darum geht, die Stärken und Schwächen des aktuellen Autos zusammenzutragen.

Die Entwicklungsstrategie

Wie im vorletzten Jahr konnte sich Ferrari bei der Entwicklung des Autos für die kommende Saison alle Zeit der Welt lassen. Das Vorjahresauto war wieder einmal so gut gewesen, dass man mit ihm wie schon im Jahr 2002 auch in dieser Saison in die neue Saison starten kann. Das ließ mehr Entwicklungsspielraum über den Winter und verschafft mehr Zeit, die Zuverlässigkeit des Autos während der laufenden Saison zu erhöhen.

Der F2003 wird eine Weiterentwicklung des F2002 sein. Man hat versucht, die Schwächen, die der F2002 aufgezeigt hat, auszubügeln. "In einigen Bereichen werden wir einen erheblichen Schritt in neue Richtungen unternehmen", so Ross Brawn. Es wird also einige Gebiete geben, bei denen man dennoch von einer kleinen "Revolution" sprechen kann. Chefdesigner Rory Byrne kündigte jüngst an, dass "der Schritt von 2002 auf 2003 noch größer als der vom letzten auf dieses Jahr" sein wird, das wisse man schon anhand der Computer-Berechnungen.

Aerodynamik

Von "ständig neuen Ideen" spricht Ross Brawn, die das Team haben soll und dies bezieht sich vor allem auf die Aerodynamik. Auf diesem Gebiet lassen sich schon seit Jahren die größten Fortschritte erzielen. Auch wenn schon seit Jahrzehnten mit Flügeln gearbeitet wird, so ist die Aerodynamik immer noch ein relativ unerforschtes Gebiet. Die Zusammenhänge sind selbst für den besten Physiker komplexe Vorgänge und restlos erforscht und damit ausgereizt ist die Aerodynamik noch lange nicht.

Fast rund um die Uhr arbeitet man bei Ferrari im Windkanal. Das Ziel: Möglichst viel Abtrieb bei geringem Luftwiderstand zu generieren. Besonders der Bereich um die vordere Radaufhängung bis hinunter zum Unterboden gilt bisher als ein relativ vernachlässigter Bereich, wie extreme Lösungen bei McLaren und Arrows im vergangenen Jahr zeigten, die Ferrari nicht verfolgte. Auch das Heck lässt sich durch noch kompaktere Bauweise des Motors und des Getriebes niedriger gestalten, was den Wirkungsgrad des Heckflügels erhöht.

Motor und Getriebe

Ferrari bastelte angeblich auch diesen Winter an einem Motorblock mit integriertem Getriebe, der ohne Kupplung auskommt. Das würde Gewicht und Platz sparen sowie das Auto ohne PS-Zugewinn schneller machen. Laut Brawn unterscheidet sich der neue Motor "markant" vom Vorgängermodell. Der Motor und das Getriebe sind so anders, dass sie im alten Auto nicht getestet werden können. Ferrari-Insider behaupten, dass die neue Einheit weiterhin nicht zuverlässig auf den Prüfständen funktioniert ? Ferrari könnte erneut dazu gezwungen sein, auf das Novum zu verzichten.

Der PS-Zuwachs wird sich wie in jedem Jahr wohl im niedrigen zweistelligen Bereich bewegen, die Technologie stößt Jahr für Jahr mehr an ihre Grenzen, auch wenn 2003 die 19.000 U/Min.-Marke fallen wird. Die Größe des Motors, sein Gewicht und der Verbrauch werden Jahr für Jahr wichtigere Faktoren, weil große PS-Sprünge eben nicht mehr möglich sind. Dass Ferrari hier noch Potenzial hat, zeigt die Einschätzung der Experten, dass bisher Ferrari weder den stärksten, noch den kleinsten, noch den sparsamsten Motor besaß.

Chassis

Das Chassis wird um den Motor und das Getriebe herum aufgebaut, die in modernen Formel-1-Autos eine tragende Einheit bilden. Das Reglement bleibt stabil, es müssen keine neuen Ausmaße oder Crashtestbedingungen erfüllt werden. Aus diesem Grund konnte sich das Team ganz darauf konzentrieren, das Gewicht des Chassis zu senken. Die abgespeckten Kilos werden per Zusatzgewichte unten am Auto verteilt, um die 600 kg Mindestgewicht zu erreichen. Das senkt den Schwerpunkt und verbessert die Balance, was Zeitvorteile in den Kurven bringt.

Elektronik

Die Teams sind weit davon entfernt, die seit Mai 2001 vorhandene Freiheit auf dem Gebiet der Elektronik auszureizen. Die Möglichkeiten sind fast unbegrenzt, noch arbeitet die Traktionskontrolle nicht optimal. Der Fahrer muss immer noch aufpassen, dass er die Hinterreifen nicht zu sehr belastet und gegebenenfalls den Schlupf der Traktionskontrolle reduzieren. Anhand von Messdaten könnte das in Zukunft die Elektronik selbst regeln.

Mehr und mehr wird die Traktionskontrolle erkennen, ob ein Auto in der Kurve instabil wird und bei der Stabilisierung helfen. Dennoch wird es nie elektronische Stabilitätsprogramme geben, da einzelne Räder laut Reglement nicht abgebremst werden dürfen ? Pech nur, dass alle Entwicklungen wegen des kommenden Elektronik-Verbots nur kurze Zeit bis zur Saisonmitte ausgenutzt werden können.

Reifen

Auch wenn Ferrari die Reifen nicht selbst herstellt, sind die Italiener von allen Teams am stärksten in die Reifenentwicklung integriert. Die Bewegungsabläufe eines Formel-1-Autos sind so kompliziert, dass Bridgestone im Moment noch viel dazulernt, was sukzessiv umgesetzt wird. Das Verhalten der Reifen beim Beschleunigen, Abbremsen, in den Kurven und beim Überfahren von Randsteinen sowie ihre Auswirkungen auf die Aerodynamik des Gesamtpaketes ? es gibt noch viel Raum für Verbesserungen. Durch die Zusammenarbeit mit der Aufhängung der Autos und der Traktionskontrolle können zudem große Fortschritte in Sachen Haltbarkeit der Pneus gemacht werden. Neben der Aerodynamik sind die Reifen das Gebiet, auf dem man am meisten Fortschritte machen kann.

Fazit
Auch wenn der F2002 ein extrem gutes Formel-1-Auto war, das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht. Revolutionen sind in der Formel 1 kaum mehr möglich, aber durch gezielte Verbesserung auf allen Gebieten lassen sich dennoch große Schritte nach vorne machen. Dass Ferrari einen "Flop" hinlegt, damit kann die Konkurrenz nicht rechnen. Eher schon, dass die Roten auch in diesem Jahr den Maßstab darstellen werden.