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  • 21.03.2015 08:05

  • von Mario Fritzsche & Roman Wittemeier

Warum LMP1-Antriebe stabiler laufen als Formel-1-Antriebe

Chris Reinke, Jörg Zander und Marcel Fässler erklären aus Sicht der Werksmannschaft von Audi, wie man das Thema Hybridtechnik in der WEC angeht

(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 und die LMP1, die Topklasse der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC), haben eines gemeinsam. Da wie dort setzen die Hersteller bedingt durch das technische Reglement auf Hybridantriebe. Neben dem klassischen Verbrennungsmotor verrichten ein oder mehrere Elektromotoren ihren Dienst. Dennoch gibt es Unterschiede.

Titel-Bild zur News: Mercedes-KERS 2011

Hybridtechnik gehört in der Formel 1 (Foto: Mercedes) wie in der LMP1 zum Standard Zoom

So gelten in der WEC ganz andere Vorgaben als in der Formel 1, wie Audis LMP1-Leiter Chris Reinke im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' erklärt. "Bei uns müssen die Motoren mindestens 6.000 oder 6.500 Kilometer halten. Das ist immer die Zielvorgabe und somit hält ein solcher Motor immer eine WEC-Renndistanz über sechs Stunden."

Jörg Zander, der in Vergangenheit als Designer für die Formel-1-Teams Toyota, BAR, Williams, Sauber und Brawn tätig war und inzwischen Technikchef bei Audi Sport ist, merkt seinerseits im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' an: "Man darf nicht vergessen, dass wir zumindest bei Audi auf bewährte Technologie aufgesetzt haben. Es war nicht ein ganz so krasser Umschwung wie in der Formel 1, sondern es war bei uns eher ein Prozess über mehrere Jahre. Da gab es eine gewisse Stabilität bezüglich des Aggregats."

24 Stunden von Le Mans als Ausnahme von der WEC-Norm

Die Hybridtriebwerke in der WEC laufen wie Uhrwerke. Die einzige Ausnahme stellt der Saisonhöhepunkt - die legendären 24 Stunden von Le Mans - dar. "Wir gehen nur einmal im Jahr an die Grenzen der Haltbarkeit - und das ist bei den 24 Stunden von Le Mans. Dort kann man auch in unserer Szene mal den einen oder anderen Motorschaden sehen", bemerkt Reinke.

Chris Reinke, Audi-WEC-Projektleiter

Audis LMP1-Leiter Reinke erklärt: Nur in Le Mans geht es an die Belastungsgrenze Zoom

So spannt der LMP1-Leiter des 13-maligen Le-Mans-Gewinners Audi den Bogen zur Formel 1 und ist überzeugt, dass es auch dort weniger Motorschäden zu beklagen gäbe, "wenn die Formel 1 nur 20 Minuten fahren würde". Vor allem Rückkehrer Honda tut sich mit dem aktuellen Formel-1-Reglement sichtlich schwer. Die Hybridtriebwerke der Japaner machen bis dato mehr mit Pannen als mit Zuverlässigkeit von sich reden.

Honda-Probleme: Ex-Honda-Mann Jörg Zander wundert sich

Zander rümpft die Nase. "Wenn man sich Honda in der Formel 1 anschaut, dann muss man schon sagen, dass man vielleicht etwas mehr hätte erwarten dürfen", sagt der Ex-Honda-Mann, schränkt aber ein: "Ich weiß nicht, wann man dort den Entwicklungsprozess losgetreten hat. Das ist natürlich von großer Bedeutung."

Ungeachtet dessen zeigt sich der ehemalige Honda-Designer von den aktuell vorherrschenden Leistungsunterschieden im Grand-Prix-Sport überrascht. "Die Vorgaben im Reglement der Formel 1 sind in Sachen Antrieb recht klar. Dass es dann zu solchen Diskrepanzen bei der Leistung der verschiedenen Hersteller gibt, hätte ich so nicht erwartet, denn alle haben sich auf Grundlage der Regeln entsprechende Zielvorgaben setzen können", so Zander.

Jörg Zander

Jörg Zander zieht den direkten Vergleich zwischen Formel 1 und WEC Zoom

Ist es für die selbsternannte Königsklasse des Motorsports womöglich von Nachteil, dass sämtliche Testfahrten in der Öffentlichkeit stattfinden, während die Werksteams aus der WEC häufig privat auf die Teststrecke gehen? "Das kann ich nicht einschätzen. Ich kann aber sagen, dass unsere Motorenentwicklung zum allergrößten Teil auf dem Prüfstand stattfindet. Da sind wir nicht wirklich streckenabhängig", so Reinke.

Marcel Fässler zweifelt am Formel-1-Konzept

Audi-Werksfahrer Marcel Fässler, der in Diensten der Ingolstädter in den Jahren 2011, 2012 und 2014 bei den 24 Stunden von Le Mans siegte und sich zudem im Jahr 2012 die Krone des WEC-Champions aufsetzte, bestätigt dies. "Ein großer Vorteil ist natürlich, dass wir im Vergleich zur Formel 1 viel mehr testen können. Die haben zwölf Testtage. Das ist mit neuen Systemen herzlich wenig. Testen hilft in solchen Situationen immer", sagt Fässler im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'.

Der Schweizer vermutet daher: "Unsere Systeme müssen länger halten. Vielleicht hat man aufgrund dessen einen Tick mehr Reserven eingebaut." Bezogen auf die Kosten kommt Fässler zum Schluss: "Die Formel 1 ist nicht billiger geworden durch all die Testbeschränkungen. Es kostet immer noch sehr viel Geld. Man steckt halt nun das Geld in Simulationen statt in Testfahrten auf der Strecke. Wir dürfen hingegen viel fahren, aber klar, auch wir machen viel auf Prüfständen. Da kann man viele Probleme aussortieren."

"Man steckt halt nun das Geld in Simulationen statt in Testfahrten auf der Strecke." Audi-Werksfahrer Marcel Fässler über die Formel 1