• 31.07.2002 14:53

  • von Fabian Hust

Warum Ferrari den F2003 ganz gelassen entwickeln kann

Formel-1-Experten befürchten schon jetzt, dass Ferrari mit dem F2003 ein noch perfekteres Auto auf die Beine stellen könnte

(Motorsport-Total.com) - Auf die Frage, ob man im kommenden Jahr mit Ferrari mithalten könne, haben die Verantwortlichen der konkurrierenden Top-Teams meistens ein und dieselbe Antwort: "Das kommt darauf an, wie gut Ferrari über den Winter arbeitet". Weil Ferrari in diesem Jahr der Konkurrenz einen Schritt voraus ist, müssen die anderen Teams zwei Schritte nach vorne machen, um auf Ferrari aufzuschließen.

Titel-Bild zur News: Ferrari-Präsentation

Der eine oder andere Teamchef dürfte bereits Albträume haben...

Eigentlich gibt es keinen Grund, warum Ferrari nicht wie die anderen Teams in der kommenden Saison erneut einen Schritt nach vorne machen kann, und genau das lässt die anderen Teams die Sorgenfalten auf die Stirn treiben. Seit Ende Juni ist die Weiterentwicklung des F2002 eingestellt, die Neuerungen, die man jetzt noch am Auto sieht, dienen schon der Planung für die kommende Saison.

Die hellen Köpfe hinter dem F2003
Auch wenn Headhunter versuchen, Ferrari Personal abzujagen, so sind zumindest die wichtigsten Köpfe auch für die kommenden zwei Jahre bei Ferrari gesetzt. Ross Brawn koordiniert und überwacht als Technischer Direktor die Zusammenarbeit der einzelnen Abteilungen. Chefdesigner Rory Byrne ist für den Bau des Chassis' verantwortlich, Paolo Martinelli ist der Chef der Motorenabteilung, Nicholas Tombazis koordiniert die Arbeit seiner Aerodynamiker und Ingnazio Lunetta leitet die Forschungsabteilung des italienischen Rennstalls.

Hinter diesen technischen Direktoren stehen mehr als 500 Angestellte und unbestätigten Berichten zu Folge will man bei Ferrari personell stark aufstocken. Neben Michael Schumacher und Rubens Barrichello werden auch die Testfahrer Luca Badoer und Luciano Burti eng in die Entwicklung des Autos integriert, nicht nur in der späteren Testphase, sondern auch durch ihren Input in der frühen Designphase, wenn es darum geht, die Stärken und Schwächen des aktuellen Autos zusammenzutragen.

Die Entwicklungsstrategie
Wie im letzten Jahr kann sich Ferrari alle Zeit der Welt lassen. Der F2002 ist so gut, dass man mit dem Vorjahresauto wie schon in diesem Jahr in die neue Saison starten könnte. Das lässt mehr Entwicklungsspielraum und gibt mehr Zeit, die Zuverlässigkeit des Autos zu erhöhen. Wie im letzten Jahr plant man zwar, gleich mit dem neuen Auto in die Saison zu starten, aber Ross Brawn, der Technische Direktor des Teams, schließt nicht aus, dass man mit dem F2002 die Saison 2003 angeht.

Der F2003 wird eine Weiterentwicklung des F2002 sein. Man wird versuchen, die Schwächen, die der F2002 aufgezeigt hat, auszubügeln. "In einigen Bereichen werden wir einen erheblichen Schritt in neue Richtungen unternehmen", so Ross Brawn gegenüber der 'motorsport aktuell'. Es wird also einige Gebiete geben, bei denen man von einer Revolution sprechen kann. Chefdesigner Rory Byrne kündigte jüngst an, dass "der Schritt von 2002 auf 2003 noch größer als der vom letzten auf dieses Jahr" sein wird, das wisse man schon anhand der Computer-Berechnungen.

Aerodynamik
Von "ständig neuen Ideen" spricht Ross Brawn, die das Team haben soll und dies bezieht sich vor allem auf die Aerodynamik. Auf diesem Gebiet lassen sich schon seit Jahren die größten Fortschritte machen. Auch wenn schon seit Jahrzehnten mit Flügeln gearbeitet wird, so ist die Aerodynamik immer noch ein relativ unerforschtes Gebiet. Die Zusammenhänge sind selbst für den besten Physiker komplexe Vorgänge und restlos erforscht und damit ausgereizt ist die Aerodynamik noch lange nicht.

Fast rund um die Uhr arbeitet man bei Ferrari im Windkanal. Das Ziel: Möglichst viel Abtrieb bei geringem Luftwiderstand zu generieren. Besonders der Bereich um die vordere Radaufhängung bis hinunter zum Unterboden gilt bisher als ein relativ vernachlässigter Bereich, wie extreme Lösungen bei McLaren und Arrows in diesem Jahr zeigten, die Ferrari nicht verfolgte. Auch das Heck lässt sich durch noch kompaktere Bauweise des Motors und des Getriebes niedriger gestalten, was den Wirkungsgrad des Heckflügels erhöht.

Motor und Getriebe
Ferrari bastelt immer noch an dem Motorblock mit integriertem Getriebe, der ohne Kupplung auskommt. Das würde Gewicht und Platz sparen sowie das Auto ohne PS-Zugewinn schneller machen. Laut Brawn unterscheidet sich der neue Motor "markant" vom Vorgängermodell. Der Motor und das Getriebe sind so anders, dass sie im alten Auto nicht getestet werden können. Ferrari-Insider behaupten, dass die neue Einheit weiterhin nicht zuverlässig auf den Prüfständen funktioniert ? Ferrari könnte erneut dazu gezwungen sein, auf das Novum zu verzichten. Es ist denkbar, dass Ferrari - wie Honda es in diesem Jahr getan hat - den Zylinderkopfwinkel etwas erweitert, um den Schwerpunkt des Motors zu senken.

Der PS-Zuwachs wird sich wie in jedem Jahr wohl im niedrigen zweistelligen Bereich bewegen, die Technologie stößt Jahr für Jahr mehr an ihre Grenzen, auch wenn 2003 die 19.000 U/Min.-Marke fallen wird. Die Größe des Motors, sein Gewicht und der Verbrauch werden Jahr für Jahr wichtigere Faktoren, weil große PS-Sprünge eben nicht mehr möglich sind. Dass Ferrari hier noch Potenzial hat, zeigt die Einschätzung der Experten, dass Ferrari weder den stärksten, noch den kleinsten, noch den sparsamsten Motor besitzt.

Chassis
Das Chassis wird um den Motor und das Getriebe herum aufgebaut. Das Reglement bleibt stabil, es müssen keine neuen Ausmaße oder Crashtestbedingungen erfüllt werden. Aus diesem Grund kann sich das Team ganz darauf konzentrieren, das Gewicht des Chassis' zu senken. Die abgespeckten Kilos werden per Zusatzgewichte unten am Auto verteilt, um die 600 kg Mindestgewicht zu erreichen. Das senkt den Schwerpunkt und verbessert die Balance, was Zeitvorteile in den Kurven bringt.

Elektronik
Die Teams sind weit davon entfernt, die neue Freiheit auf dem Gebiet der Elektronik auszureizen. Die Möglichkeiten sind fast unbegrenzt, noch arbeitet die Traktionskontrolle nicht optimal. Der Fahrer muss immer noch aufpassen, dass er die Hinterreifen nicht zu sehr belastet und gegebenenfalls den Schlupf der Traktionskontrolle reduzieren. Anhand von Messdaten könnte das in Zukunft die Elektronik selbst regeln. Mehr und mehr wird die Traktionskontrolle erkennen, ob ein Auto in der Kurve instabil wird und bei der Stabilisierung helfen. Dennoch wird es nie elektronische Stabilitätsprogramme geben, da einzelne Räder laut Reglement nicht abgebremst werden dürfen.

In den Kinderschuhen stecken die Teams auch noch mit der bi-direktionalen Telemetrie. Das Verändern des Gemisches oder der Drehzahl könnte in Zukunft von der Box ständig den aktuellen Bedingungen auf der Strecke angepasst werden. Das würde den Benzinverbrauch senken und letztendlich das Auto schneller ins Ziel kommen lassen. Noch denken und berechnen die Teams viel "von Hand", mehr und mehr wird in Zukunft ausgeklügelter Software überlassen, die in der Lage sein wird, das Maximum an Geschwindigkeit, taktischer Flexibilität und Zuverlässigkeit aus einem Paket herauszuholen.

Reifen
Auch wenn Ferrari die Reifen nicht selbst herstellt, sind die Italiener von allen Teams am stärksten in die Reifenentwicklung integriert. Die Bewegungsabläufe eines Formel-1-Autos sind so kompliziert, dass Bridgestone im Moment noch viel dazulernt, was sukzessiv umgesetzt wird. Das Verhalten der Reifen beim Beschleunigen, Abbremsen, in den Kurven und beim Überfahren von Randsteinen sowie ihre Auswirkungen auf die Aerodynamik des Gesamtpaketes ? es gibt noch viel Raum für Verbesserungen. Durch die Zusammenarbeit mit der Aufhängung der Autos und der Traktionskontrolle können zudem große Fortschritte in Sachen Haltbarkeit der Pneus gemacht werden. Neben der Aerodynamik sind die Reifen das Gebiet, auf dem man am meisten Fortschritte machen kann.

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