• 17.07.2002 19:14

  • von Fabian Hust

Vorschau auf den Großen Preis von Frankreich

Mitten im Nirgendwo Frankreichs gastiert die Formel 1 ? die Strecke ist nicht schlecht, aber mögen tut sie niemand so richtig

(Motorsport-Total.com) - Bereits im Jahr 1906 feierte der Große Preis von Frankreich sein Debüt. Das Rennen auf dem über 100 Kilometer langen Straßenkurs 'Circuit de Sarthe' war zugleich der erste Grand Prix in der Geschichte des Automobilsports ? die Geburtstätte des Automobilrennsports ist also Frankreich und nicht England, wie immer wieder behauptet wird. Veranstalter war der französische Automobilclub, der dem Rennen den schmucken Namen "Grand Prix de l'Automobile Club de France" verlieh.

Titel-Bild zur News: Magny-Cours

Magny-Cours ist technisch eine sehr interessante Strecke

Der erste WM-Lauf zur Formel-1-Weltmeisterschaft fand in Frankreich jedoch erst am 2. Juli 1950 in Reims statt. Dort lieferten sich die Piloten auf der langen Geraden wahre Windschattenschlachten. Auch in Rouen wurde auf einem Straßenkurs gefahren, der wegen seiner schnellen Kurven und rutschigen Kopfsteinpflaster-Passagen gefürchtet war.

Ein französischer Nürburgring

Ab dem Jahr 1965 fuhr man in Clermont-Ferrand, einer Strecke mitten im Zentralmassiv Frankreichs, deren Ähnlichkeit mit dem Nürburgring nicht zu leugnen war. Die Strecke mit ihren vielen unterschiedlichen Kurven trennte wie die "Grüne Hölle" in der Eifel die Spreu vom Weizen. Und dann war da noch die traditionelle Rennstrecke von Paul Ricard, die heute immer wieder mit einem Comeback der Formel 1 in Verbindung gebracht wird. Die Strecke war deutlich sicherer als ihre Vorgänger, aber sie lässt damit auch die zahlreichen Herausforderungen vermissen.

Seit 1991 findet der Große Preis von Frankreich in Magny-Cours statt. Die 4,251 Kilometer lange Strecke ist in der Formel 1 einzigartig, auch wenn sie oft zu Unrecht als "Retortenkurs" bezeichnet wird. Der Asphalt ist so eben wie auf keiner anderen Rennpiste, weshalb die Autos mit sehr geringer Bodenfreiheit fahren können und somit dank erhöhten Anpressdrucks sehr hohe Kurvengeschwindigkeiten erreichen.

Denksport für die Ingenieure

Der Asphalt ist sehr wenig griffig, was eine gute Traktionskontrolle erfordert und die Hinterräder schnell verschleißen lässt. Die Teams verwenden auf der Suche nach Grip eher weichere Reifenmischungen. Berüchtigt sind die sich ständig verändernden Streckenbedingungen. Die Sonne heizt den Asphalt sehr schnell auf, da dieser sehr dunkel ist, und auch ein Windrichtungswechsel kann dazu führen, dass das Setup der Autos von Minute zu Minute verändert werden muss. Gefürchtet ist auch Regen, da dieser wegen der extrem ebenen Strecke schlecht abfließt und den wenig rauen Asphalt schnell rutschig werden lässt.

An abwechslungsreichen Kurven mangelt es der Strecke nicht. Die schnelle Kurvenkombination nach Start und Ziel wird mit 180 bis 270 km/h durchfahren, danach kommt eine lange Gerade, an deren Ende eine Haarnadelkurve folgt, vor der man gut überholen kann. Ein guter Kurvenausgang vor der Geraden und ein hoher Top-Speed sind hier also wichtig. Es folgen weitere schnelle Schikanen, die man teilweise überhaupt nicht einsehen kann und eine sehr enge und aufgrund der hohen Randabweiser sehr schwierig zu durchfahrende letzte Schikane vor Start und Ziel. Über 72 Runden wird es am Rennsonntag auf dem 'Circuit de Nevers' gehen, das entspricht 305,814 Kilometern.

Ideale Teststrecke im Nirgendwo

Die Strecke wurde ursprünglich als ideale Teststrecke konzipiert, weswegen sie verschiedene Elemente anderer Rennstrecken vereint. Der Vollgasanteil liegt übrigens bei 51 Prozent, Bremsverschleiß wie Benzinverbrauch bewegen sich auf mittlerem Niveau. Im Qualifying hält BMW-Williams-Pilot Ralf Schumacher mit 1:12.989 Minuten aus dem vergangenen Jahr den Rundenrekord, David Coulthard im McLaren-Mercedes drehte 2001 mit 1:16.088 Minuten eine neuste schnellste Rennrunde. Erfolgreichster Fahrer in Magny-Cours ist übrigens Michael Schumacher mit fünf Siegen. In zehn Rennen sammelte der Deutsche 56 WM-Zähler.

260 Kilometer südlich von Paris erbaut liegt der Kurs Mitten im Nirgendwo. 1991 wurde der Grand Prix von Frankreich von Le Castellet an der Côte d'Azur nach Magny-Cours verlegt, um dieser Region wirtschaftlich etwas auf die Beine zu helfen. Hinter diesem cleveren Schachzug standen Ex-Staatspräsident Francois Mitterand und Nevers-Bürgermeister Pierre Beregovoy, der gleichzeitig auch noch Finanzminister des Landes war... Dass das Rennen bei den meisten Beteiligten unbeliebt ist, liegt schlichtweg an der Lage des Rennens.

Teure Einöde

Man kann schon sagen, dass der Plan, die Region wirtschaftlich zu fördern, gelungen ist - zumindest für ein Wochenende im Jahr. Die Wirtschaft blüht ? noch mehr allerdings die Wirtschaften. Otto-Normalverbraucher muss schon sein Sparschwein schlachten, wenn er hier einigermaßen überleben will. Hotels und Restaurants sind immer noch absolute Mangelware, und die Nachfrage bestimmt, wie das nun mal so ist, auch die Preise. Ohne frühzeitige Buchung bekommt man am Rennwochenende nicht einmal mehr eine Lagerstätte in einer Scheune ? auch die sind im Allgemeinen restlos ausgebucht.

Wer sich den Luxus leistet essen zu gehen, tut gut daran, vorher an einem Würstchenstand schon mal den größten Hunger zu stillen. Wartezeiten im Restaurant von bis zu einer Stunde sind keine Seltenheit, und für den Preis eines einfachen Schnitzels bekommt mal normalerweise gut und gerne ein 3-Gänge Menü.

Essen, Trinken und Feiern

Restaurants gibt es in den Dörfern rund um die Strecke jede Menge. Eines der begehrtesten, auch unter den Fahrern, ist die Pizzeria 'San Remo' in Nevers. Die Wände sind mit Fotos derer gepflastert, die sich hier auch schon mal eine Pizza Ruccola oder eine der anderen Köstlichkeiten des Hauses schmecken ließen: Ayrton Senna, Damon Hill, Jean Alesi, Rubens Barrichello und viele andere. Wer Glück hat, trifft Fahrer und Prominenz auch im 'La Renaissance' oder im 'Le Paddock' in Magny-Cours.

Für Fans des nächtlichen Stadtlebens ist der Große Preis von Frankreich wahrlich nichts, um die Strecke herum befinden sich lediglich ausgedehnte Felder und verschlafene Dörfer. "Die Menükarte des Hotels kenne ich mittlerweile auswendig", so Eddie Irvine über eine ganz und gar nicht typische Formel-1-Umgebung. Die Lage hat aber den Vorteil, dass die Zufahrt zur Strecke bequem und stressfrei erfolgen kann und es auch an Parkplätzen nicht mangelt.

In punkto Nightlife hat der Grand Prix von Frankreich verhältnismäßig wenig zu bieten, außer man nimmt die lange Fahrt nach Paris in Kauf. Für alle, die sich den Stress nicht antun möchten, gibt es allabendlich Partys rund um den Bahnhof in Magny-Cours. Die Bars und Cafés im Dörfchen St. Parize unweit der Strecke, sind an den Grand-Prix-Wochenenden Treffpunkt lokaler Schönheiten. Die größte Auswahl and Lokalitäten, in denen man sich amüsieren kann, hat aber Bourges. Rund um den mittelalterlichen 'Place Gordaine' tobt bis spät in die Nacht.

2001:
Mit einem taktisch perfekten Rennen sichert sich Michael Schumacher vor BMW-Williams-Pilot Ralf Schumacher den sechsten Saisonsieg im zehnten Rennen und feiert zugleich seinen 50. Jubiläumssieg. Mika Häkkinen bleibt schon am Vorstart mit technischen Problemen stehen, Teamkollege David Coulthard fährt zu schnell in der Boxengasse und muss eine 10-Sekunden-Zeitstrafe absitzen, was ihn um einen leicht möglichen zweiten Platz bringt. Stattdessen kommt der Schotte nur auf den vierten Platz. Die letzten WM-Ränge belegten Jarno Trulli im Jordan-Honda als Fünfter und Nick Heidfeld, der im Sauber nach vielen enttäuschenden Rennen als Sechster endlich wieder einen WM-Zähler einfährt.

2000:
Michael Schumacher geht in Führung, schneidet beim Start David Coulthard, um seine Position zu verteidigen und muss sich gegen den Schotten in der Haarnadelkurve wehren, der eindeutig schneller unterwegs ist. Coulthard fühlt sich unfair behandelt und zeigt dem Deutschen den "Stinkefinger". 13 Runden vor Schluss fällt Schumacher mit Motorschaden aus. Coulthard siegt vor McLaren-Mercedes-Teamkollege Mika Häkkinen und Rubens Barrichello im Ferrari.

1999:
Bei einem Rennen mit starkem Regen gelingt es Heinz-Harald Frentzen dank fehlerfreier Fahrt und einer cleveren Strategie, seinen ersten Sieg für das Jordan-Team zu holen. Schon das Qualifying ist verregnet und Rubens Barrichello kann im Stewart-Ford die erste Pole für das Team herausholen als es ihm gelingt, zum optimalen Zeitpunkt auf die Strecke zu gehen. Der Brasilianer führt sechs Runden bis ihn Coulthard überholt. Coulthard fällt jedoch mit technischen Problemen aus. Frentzen gewinnt vor Mika Häkkinen und Rubens Barrichello.

1998:
Als Jos Verstappen seinen Stewart-Ford am Start abwürgt, muss das Rennen neu gestartet werden, wovon Michael Schumacher profitiert, der nach dem Neustart in Führung geht. Eddie Irvine hält die McLaren auf Distanz und kommz hinter Michael Schumacher und vor Mika Häkkinen auf den zweiten Platz.

1997:
Michael Schumacher gewinnt im Ferrari vor Heinz-Harald Frentzen im Williams-Renault. Eddie Irvine im zweiten Ferrari kommt auf Platz drei. David Coulthard wird bei einem gescheiterten Überholversuch durch Jean Alesi aus dem Rennen geworfen.

1996:
Damon Hill gewinnt vor Williams-Renault-Teamkollege Jacques Villeneuve. Jean Alesi holt im Benetton den dritten Platz. Michael Schumacher steht zwar auf der Pole Position, scheidet dann aber mit einem kapitalen Motorschaden schon in der Einführungsrunde aus!