• 27.09.2009 13:50

  • von Dieter Rencken

Villeneuve: "Ich bin mit Feuereifer bei der Sache"

Ex-Weltmeister Jacques Villeneuve im Interview über seine Comeback-Pläne, die neue Formel 1, "Crashgate" und seine Fahrerkollegen

(Motorsport-Total.com) - Der Vertragspoker in der Formel 1 ist vier Rennen vor Saisonende bereits voll im Gange. Neben den bereits aktiven Formel-1-Piloten machen sich aber auch einige aktuell Außenstehende große Hoffnungen darauf, im kommenden Jahr an den Start zu gehen. Bis zu vier Teams könnten 2010 zusätzlich in der Startaufstellung vorstellig werden - und Jacques Villeneuve denkt ernsthaft über ein Comeback nach. Im Interview spricht er über seine Pläne und Vorstellungen für 2010.

Titel-Bild zur News: Jacques Villeneuve

Jacques Villeneuve arbeitet in Singapur an seinem Formel-1-Comeback für 2010

Frage: "Jacques, was verschlägt dich nach Singapur?"
Jacques Villeneuve: "Das Essen (lacht; Anm. d. Red.). Nein, ich arbeite einfach weiterhin daran, in die Formel 1 zurückzukehren, um es auf den Punkt zu bringen. Ich wollte nicht nach Monza gehen, weil das immer ein sehr verrücktes Wochenende ist. Ich dachte mir, dass es hier in Singapur wesentlich ruhiger zugehen würde - außerdem wollte ich mir diese Rennstrecke ohnehin einmal anschauen. Hierherzukommen lohnt sich definitiv, es ist eine schöne Erfahrung."#w1#

Frage: "Reist du von hier aus weiter nach Suzuka? Das wäre einer deiner alten Rennschauplätze..."
Villeneuve: "Nein, ich werde nicht dorthin weiterreisen. Aber Japan wäre sicherlich auch sehr spaßig geworden, wo ich diesen Ort doch sehr gut kenne. Ich bin aber nicht hier, um Party zu machen."

Frage: "Wie ist es um die Fortschritte deiner Pläne für 2010 bestellt? Einige Zeitungen schreiben bereits, dass du im kommenden Jahr definitiv zurückkehren wirst..."
Villeneuve: "Definitiv? Wow! Das sind gute Nachrichten (lacht; Anm. d. Red.)! Es ist aber nicht gut, wenn solche Dinge geschrieben werden, denn noch ist nichts sicher. Wenn es dann schließlich nicht passiert, stehst du wie ein Idiot da. Ich kann dieser extremen Zuversicht also nichts abgewinnen, solange es noch nicht klar ist."

"Es gibt Möglichkeiten. Andererseits sind da auch sehr viele Fahrer, die in die Formel 1 einsteigen wollen. Es scheint, dass die Teams nun vielmehr darauf bedacht sind, Geld zusammen zu bekommen, als in der Vergangenheit. Obwohl die Zeiten jetzt schwieriger sind, scheinen plötzlich alle Fahrer Geld zu haben - aus welchen Gründen auch immer. Das ist sehr interessant."

"Es gibt Möglichkeiten." Jacques Villeneuve

Frage: "Hast du ein Budget?"
Villeneuve: "Nein. Ich habe nicht daran gearbeitet, ein Budget zusammen zu stellen. Das habe ich ausschließlich in Bezug auf die NASCAR gemacht. Du kannst aber nicht einfach zu jemandem hingegen und sagen: 'Ich mache entweder dies oder jenes.' Du solltest dich auf einen Bereich konzentrieren."

Formel 1 und NASCAR sind die Spitze

Frage: "Warum willst du zurückkehren?"
Villeneuve: "Ganz einfach: Ich liebe den Rennsport, das habe ich im Blut. Ich wurde in die Rennsportwelt hineingeboren. Es gibt weltweit nur zwei Serien auf wirklich hohem Niveau. Das sind die Formel 1 und NASCAR. Letztere kannst du viel länger bestreiten. Man muss nur einmal sehen, dass Mark Martin mit seinen 51 Jahren die Meisterschaft anführt."

"Aber einen Formel-1-Wagen kannst du nun einmal nicht übertreffen. Es gibt einfach keinen Vergleich dazu. Sollte es also eine Chance geben, es zu machen, dann musst du alles dafür tun. Wenn ich zuhause bin, springe ich mit einem Motocrossbike herum oder fahre Kart - dieser Ansatz ist bei mir also immer noch vorhanden. Ich wäre dumm, wenn ich es nicht versuchen würde. Ich bin mit Feuereifer bei der Sache."

"Sollte es also eine Chance geben, es zu machen, dann musst du alles dafür tun." Jacques Villeneuve

Frage: "Wie würdest du deine Chancen auf ein Formel-1-Comeback einschätzen?"
Villeneuve: "An manchen Tagen sind die Chancen gut, an anderen Tagen eher schlecht. Das schwankt im Augenblick recht heftig, was sehr seltsam ist. Meine Chancen sind jedenfalls besser, als noch vor einigen Monaten."

Frage: "Siehst du deine Chancen eher bei einem der neuen Teams oder bei einem bereits etablierten Rennstall?"
Villeneuve: "50:50."

Die Formel 1 reizt noch immer

Frage: "Was hast du an der Formel 1 vermisst?"
Villeneuve: "Den Wettbewerb, das Rennfahren und das Fahren am Limit. Auch die Arbeit mit den Ingenieuren, um das meiste aus einem Rennwagen herauszuholen. Die Kopfarbeit ist auch ein Teil der Faszination dieses Sports. Das vermisse ich sehr."

Frage: "Du hast beispielsweise die 24 Stunden von Le Mans bestritten. Ist das so anders?"
Villeneuve: "Es ist einfach nicht so aufregend, denn im Grunde genommen versuchst du dabei nicht, das perfekte Setup für dich persönlich zu finden. Weil ich während der Saison kein Stammpilot war, wurde ich in die Setuparbeit gar nicht einmal so sehr eingebunden."

"Ich stieg einfach ins Auto und passte mich den Einstellungen an, wie sie die anderen Fahrer schon die gesamte Saison über verwendeten. Das war sehr schön und hat Spaß gemacht. Wir waren beide Male schnell, als ich hinter dem Steuer saß. Die Aufregung ist aber eine andere - eigentlich geht es dabei recht ruhig zu. Im Rennen selbst bist du ruhig und entspannt. Da fehlt irgendwie eine gewisse Portion Hektik."

"Da fehlt irgendwie eine gewisse Portion Hektik." Jacques Villeneuve

Frage: "Erlaubt es dir deine familiäre Situation, ein bis zwei Saisons in der Formel 1 zu absolvieren? Du bist frisch geschieden und hast Kinder..."
Villeneuve: "Natürlich wäre es einfacher, wenn du eine Frau hast, die da aushelfen könnte (lacht; Anm. d. Red.)."

Frage: "Macht dir diese Situation zu schaffen?"
Villeneuve: "Nein, es ist okay. Es gab keinen Kampf oder dergleichen. Wenn es dazu gekommen wäre, dann hättet ihr sicherlich davon gehört. Die Situation ist also nicht so schlimm."

Frage: "Hat sich dein Verhältnis zu deiner Mutter und zu deiner Schwester durch diese Geschichte verändert? Es hieß, ihr würdet nicht mehr mit einander reden..."
Villeneuve: "Nein, da gab es keine Veränderungen. Das sind Familienangelegenheiten. Alles okay."

Erfahrung wird wieder wichtiger

Frage: "Spielt es für dich eine Rolle, dass Rubens nach dieser langen Zeit noch immer vorne mitfahren kann?"
Villeneuve: "Das ist natürlich großartig, aber es ist nicht nur Rubens. Meistens sind es die erfahrenen Jungs, die an der Spitze unterwegs sind. Nun ist natürlich auch ein Vettel vorne mit dabei. Meistens sind es hingegen die erfahrenen Leute. So wie die Autos nun aufgestellt sind, scheint Erfahrung wieder ungeheuer wichtig zu werden - auch im Bezug darauf, wie der Fahrer mit seinen Ingenieuren zusammenarbeitet."

"Alle Teams, die auf junge Piloten gesetzt haben, scheinen Rückschritte zu machen. Sie haben einfach eine schwierige Zeit, um auf Tempo zu kommen. Sie können sich nicht mehr auf die Elektronik verlassen. Du kannst einem Piloten heute nicht mehr sagen: 'Sei still und fahre.' Das funktioniert einfach nicht mehr."

"Alle Teams, die auf junge Piloten gesetzt haben, scheinen Rückschritte zu machen." Jacques Villeneuve

Frage: "Du hast ein gutes Verhältnis zu Jock Clear, der nun Renningenieur von Rubens ist. Was sagt er dazu?"
Villeneuve: "Er ist mit ein Grund, weshalb ich zurückkommen will. Seit Saisonbeginn sagt er mir nun schon, dass ich diese Autos lieben würde und dass sie meiner Arbeits- und Fahrweise entgegen kommen würden. Er sagt auch, dass ich wieder Spaß haben würde, weil die Teams kleiner werden. Das hat mir schon dabei geholfen, zurück zu wollen. Daher wurde ich in Monaco vorstellig."

Frage: "Du wurdest schon mit US F1 in Verbindung gebracht. Hattet ihr Gespräche und wäre das möglich für dich?"
Villeneuve: "US F1 ist aus gewissen Gründen keine Möglichkeit für mich. Dazu bin ich nicht genug Amerikaner (lacht; Anm. d. Red.)."

Frage: "Du denkst also, die Teams werden den Wert der Erfahrung nun wieder zu schätzen wissen?"
Villeneuve: "Ja. Natürlich geht es aber auch darum, mit einem Sack voll Geld anzukommen. Ich habe in einigen Ländern aber noch immer ein gewisses Image. Wenn das Team die Sache gut in die Hand nimmt, dann kann das auch Geld einbringen. Das wäre ein weitere Geldbeutel, wenn man so will."

Neuauflage des Duells Schumacher vs. Villeneuve?

Frage: "Als du 1997 mit Michael um den Titel gefahren bist, war das ein äußerst spannendes Duell. Hast du das Gefühl, dass diesbezüglich in dieser Saison etwas fehlt?"
Villeneuve: "Es fehlt ganz klar die Aufregung. Das sind doch alles beste Freunde. Das sind halt keine Gladiatoren. Wenn ich mir Sport ansehen, dann will ich Action erleben. Ich will sehen, wie es sich die Jungs gegenseitig richtig geben. Sie sollen sich natürlich nicht gegenseitig umbringen, aber den jeweils anderen ordentlich bügeln. Das muss dich doch antreiben. Aber das scheint kein Beweggrund für die Jungs da draußen zu sein. Das ist schon erstaunlich."

Frage: "Sprichst du heutzutage mit Michael? Was wäre, wenn auch er wieder dazustoßen würde?"
Villeneuve: "Nein, in dieser Beziehung waren wir nie aktiv. Es wäre aber großartig, wenn er zurückkommen würde. Wir haben aber kein Problem miteinander. Es gab nie ein Hass-Problem. Da gab es andere Geschichte, vielleicht in Punkto Respekt. Keine Ahnung. Er hat jedenfalls sehr viel erreicht und war ein großer Protagonist in der Formel 1."

"Es gab nie ein Hass-Problem." Jacques Villeneuve

Frage: "Haben die Fahrer heute an Einfluss und Kraft verloren? Man muss sich ja nur einmal anschauen, wie Nelson Piquet in Singapur 2008 sein Auto in die Wand setzte..."
Villeneuve: "Da ging es aber nicht um einen Fahrer, der keinen Einfluss hat, sondern um einen Piloten, der jung, schwach und ein Idiot war. Er hat unter Beweis gestellt, dass er niemals in die Formel 1 hätte aufsteigen dürfen. So einfach ist das."

Frage: "Warst du überrascht darüber, dass man ihm Immunität gewährte?"
Villeneuve: "Ja."

"Crashgate" sorgt für Fragezeichen

Frage: "Was hätte deiner Meinung nach mit ihm geschehen sollen?"
Villeneuve: "Wenn er Immunität bekommen hat, dann ist das okay. Das bedeutet aber nicht, dass ihm die Leute im Fahrerlager mit Respekt begegnen werden. Wenn mir so etwas passieren würde, dann würde ich mich wohl auf den Mond schießen oder dergleichen (lacht; Anm. d. Red.)."

Frage: "Du hast selbst drei Rennen mit diesem Team zusammengearbeitet..."
Villeneuve: "Ja, aber da gab es niemals irgendwelche seltsamen Situationen. Ich wurde nie gebeten, Fernando zu helfen. Das stand nie zur Debatte."

"Ich wurde nie gebeten, Fernando zu helfen." Jacques Villeneuve

Frage: "Was hältst du insgesamt von der "Crashgate"-Affäre?"
Villeneuve: "Ach, diese Sache ist so... Ich denke, wir kennen ohnehin nicht die ganze Wahrheit. Da ist es natürlich einfach, sich ein Urteil zu bilden. Das jüngste, was ich darüber gelesen habe, war, dass Nelson den Stein ins Rollen und die Idee vorgebracht hat. Jeder würde sagen: 'Nein, du spinnst doch!' Dann würde man diesen Vorschlag verwerfen. Aber für ein paar Sekunden denkt man auch: 'Mh, eigentlich lehnt man ein Geschenk nicht ab.' Später passt man sich wohl einfach daran an. So habe ich das gelesen. Wenn es wirklich so passiert ist, dann fände ich das erstaunlich."