Villeneuve: "Das hat Schumacher versäumt"
Der Weltmeister von 1997 erkennt die Erfolge von Michael Schumacher durchaus an, doch seine Einstellung zum Sport bringt den Kanadier auf die Palme
(Motorsport-Total.com) - Enge Freunde waren Jacques Villeneuve und Michael Schumacher nie und sie werden es wohl auch nie werden. Zu unterschiedlich sind die Vorstellungen der beiden von ihrem Sport. Dass es in Jerez 1997 auch noch zur folgenschweren Kollision zwischen beiden im WM-Kampf kam, bildet nur einen Höhepunkt in der jahrelangen Auseinandersetzung.

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Für Jacques Villeneuve ist Michael Schumacher nicht der Beste
Dabei möchte Villeneuve den sportlichen Erfolg Schumachers in keiner Weise schmälern, er ordnet ihn lediglich anders ein. "Seine Sammlung von WM-Titeln, Siegen, Rekordrunden und Trainingsbestzeiten ist beeindruckend", schrieb er in der 'Welt'. "Er hat als Rennfahrer, aber auch als Mensch im Formel-1-Wagen neue Maßstäbe gesetzt. Ob man die Größe und die Qualität eines Sportlers oder Formel-1-Fahrers aber nur an seiner Erfolgsquote einordnen kann, halte ich für fraglich."#w1#
"Er war immer schnell, immer extrem motiviert, immer topfit, immer konzentriert, er hatte immer nur ein einziges Ziel im Visier: Er wollte gewinnen", fuhr er fort. Das aber "nichts Außergewöhnliches, sondern Standard" bei Formel-1-Piloten. Doch Schumacher vermochte es, ein Imperium um sich herum aufzubauen, sich selbst als Erfolgsgaranten zu etablieren, der seinen Marktwert fast in Selbstbestimmung festlegte.
Villeneuves andere Vorstellung
"Das kann man ihm nicht vorwerfen", so Villeneuve weiter, denn seine Leistungen haben ihn schließlich in diese Lage gebracht. Doch der Kanadier stört sich am Umgang mit den Schumacher-Teamkollegen, die selten eine Gleichbehandlung erhielten. "Und ich spreche nicht nur von der Technik oder den möglichen Testfahrten. Ich spreche auch von der mentalen Unterstützung, der Art und Weise, wie man einen Fahrer im Team anspricht, wie man mit ihm umgeht, wie man ihn behandelt."
Daher platzte auch ein Wechsel von Villeneuve zu Ferrari. "Ich war dazu bereit, Ferrari nicht. Ich nehme an, Michael Schumacher hat es nicht gewollt", erklärte der Weltmeister von 1997. "Ich wäre nie in die Rolle eines Eddie Irvine, Rubens Barrichello oder Felipe Massa geschlüpft." Villeneuve habe andere Vorstellung davon, wie ein Formel-1-Pilot auftreten sollte.
Von den Fähigkeiten hinter dem Lenkrad sieht er sich zudem nicht als schlechter an. "Ich glaube nicht, dass er als Rennfahrer besser ist als ich oder andere Topfahrer", erklärte er. "Er weiß das, und deshalb hat sich Schumacher als Formel-1-Fahrer so verhalten, dass er für mich trotz seiner ganzen Anhäufung von Siegen, WM-Titeln und Pokalen nie zu den ganz Großen in diesem Sport zählen wird."
"Es war niederschmetternd"
Und da er nun zurücktritt, könne er in die Liga mit "Fangio, Clark oder Senna" nicht mehr aufsteigen. Für Villeneuve bleiben zählbare Erfolge von Schumacher, die er respektiert, aber eben auch nicht mehr. Kollision im Titelkampf 1994, Kollision im Titelkampf 1997, Parkmanöver in Monaco 2006 - Villeneuve ist vor allem von diesen drei Situationen enttäuscht, noch enttäuschter aber über Schumachers Auftreten nach den Geschehnissen.
Im kleinen Kreis der Formel-1-Fahrer argumentierte der Rekordweltmeister so wie vor der Weltpresse. "Es war niederschmetternd, denn mir wurde klar, dass er seit 1994, als er sich durch den Rammstoß an Damon Hills Williams die WM sicherte, im Verlauf von zehn Jahren in seiner Grundhaltung offensichtlich nicht verändert hatte", so Villeneuve. "Er fährt im Zweifelsfall rücksichtslos und unfair, macht sich auf der Strecke seine eigenen Gesetze, legt sie zu seinen Gunsten aus und erwartet, dass jeder ihm dieses auf ihn zugeschnittene System abnimmt."
Mit dieser Ansicht sei Schumacher aber keineswegs allein. "Ayrton Senna war ähnlich", so Villeneuve. "Der Unterschied zu Schumacher: Er hat sie zugegeben und dazu gestanden. Ayrton Senna hat den Mut gehabt und sein anderes Gesicht, sein Ego zu zeigen. Er hat zu dem gestanden, was er tat. Genau das hat Michael in den entscheidenden Momenten seiner Karriere versäumt."

