• 19.06.2005 14:06

Villeneuve: "Arbeiten jetzt enger zusammen"

Der Sauber-Pilot im Interview über seine Leistung im Qualifying, ehrliche Antworten in der Formel 1 und wahre Helden

(Motorsport-Total.com) - "Zu wenig aggressiv" sei er im Qualifying gewesen, so Jacques Villeneuve. Platz zwölf ist dennoch keine schlechte Ausgangslage. Im Interview mit unseren Kollegen des 'emagazine' der 'Credit Suisse' spricht Sauber-Pilot über seine Performance im Qualifying, über die Probleme gewisser Leute mit ehrlichen Antworten und über wahre Helden.

Titel-Bild zur News: Jacques Villeneuve

Jacques Villeneuve befindet sich bei Sauber im Aufwärtstrend

Frage: "Bist du zufrieden mit dem heutigen Qualifying?"
Jacques Villeneuve: "Nun, verglichen mit unseren Leistungen Anfang Saison ist es bestimmt ein gutes Resultat. Wenn man jedoch berücksichtigt, dass ich praktisch übers ganze Wochenende schneller war als Felipe, dann wäre wohl mehr dringelegen. Das Auto war schnell, ich war schnell. Deshalb wurmt es mich schon ein bisschen."#w1#

Frage: "Wo hast du Zeit liegen gelassen?"
Villeneuve: "Es gab eine Kurve im Infield, wo ich etwas spät bremste und in einem etwas großen Radius durchfuhr, doch ich verlor dort nicht allzu viel Zeit. Doch fuhr ich die restliche Runde etwas zu wenig aggressiv. Ich entschied, eine saubere Runde ohne zu viele Fehler zu fahren, doch leider konnte ich nicht erwarten, dass so viele Autos so eng beisammenliegen."

Frage: "Kannst du morgen am Start gleich wieder ein paar Plätze gutmachen?"
Villeneuve: "Warum nicht? Unsere Starts waren bisher immer ziemlich gut, mit Ausnahme von Montreal."

Villeneuve gewöhnte sich immer besser an das Sauber-Team

Frage: "Dein Teamkollege Felipe Massa liegt in der Startaufstellung auf Platz zehn und damit direkt vor dir. Musst du den Start also etwas vorsichtiger angehen?"
Villeneuve: "Am Start gibt es so viele Autos, dass man sich schwerlich nur auf ein einziges konzentrieren kann, auch wenn es dasjenige deines Teamkollegen ist. Wenn fünf oder sechs Autos um dich herum sind und du dich nur auf eines fixierst, dann machst du bestimmt Fehler."

Frage: "Du bist im Laufe der Saison in den Qualifyings immer schneller geworden. Woran liegt das?"
Villeneuve: "Ich musste mich erst ans Auto und ans Team gewöhnen. Jetzt arbeiten wir enger zusammen als am Anfang, und das Auto ist nun soweit, dass ich darin ganz natürlich fahren kann."

Frage: "Heute drehte sich alles um Reifen und Sicherheit. Wie schätzt du die Situation ein?"
Villeneuve: "Ich bin nicht über alles auf dem Laufenden, doch es scheint, dass einige Autos Probleme mit den Reifen hatten, andere jedoch nicht. Wir gehören zu denjenigen Teams, die keine Probleme hatten. Es kommt mir etwas vor, als ob einige Teams die falschen Reifen ausgewählt haben, und es könnte sein, dass wir alle für deren Fehler bezahlen."

Frage: "Stört diese Unsicherheit deine Konzentration aufs Rennen?"
Villeneuve: "Natürlich, denn man kann nicht so arbeiten, wie man das gewöhnlich machen würde. Denn nun kriegen wir Anweisungen vom Reifenhersteller bezüglich der Setups und des Reifendrucks, die unter Umständen nicht zu meinem Auto oder meinem Fahrstil passen."

Unfall von Ralf Schumacher macht Villeneuve keine Sorgen

Frage: "Hattest du ein mulmiges Gefühl, als du heute durch die Kurve fuhrst, wo Ralf Schumacher gestern einen Crash hatte?"
Villeneuve: "Nein. Ich fuhr hier bereits in der IndyCar-Serie, also im ovalen Rundkurs und in der umgekehrten Fahrtrichtung, und hatte an der gleichen Stelle einen Crash. Da mache ich mir längst keine Sorgen mehr."

Frage: "Gibt es andere Stellen in der Formel 1, wo du dir sehr wohl Sorgen machst?"
Villeneuve: "Ich weiß nicht. Es sind generell die Kurven, wo man am Limit fährt. In dieser Kurve hier jedoch kann man nur in die Mauer fahren, wenn der Wagen einen Defekt hat oder wenn der Reifen platzt. Also ist es keine Stelle, die mir Angst einjagt."

Frage: "Und die legendäre 'Eau Rouge' in Spa?"
Villeneuve: "Die 'Eau Rouge' ist bestimmt eine der anspruchsvollsten Kurven in der Formel 1. Da muss man sich vorher gut überlegen, ob und wie man sie mit Vollgas nehmen kann."

Frage: "Die schwierige Kommunikation mit dir und dem Team war vor allem in den ersten Rennen regelmäßig ein Thema in den Medien. Was muss sich noch verbessern?"
Villeneuve: "Ich gebe mein Bestes, um mit dem Team zu kommunizieren. Wir haben jedoch unterschiedliche Arbeitsweisen. Das Team ist eher gewohnt, sich auf Daten und Computer zu verlassen und weniger auf den Menschen im Auto. Ich bin es eher gewohnt, auf der menschlichen Ebene zu arbeiten und die Daten zu benutzen, um meinen Fahrstil zu verbessern. Es ist einfach ein anderer Ansatz. Felipe ist sich diese Arbeitsweise gewohnt und es klappt gut für ihn. Aber ich habe acht Jahre einen andern Ansatz benutzt, also habe ich etwas mehr Probleme damit."

Frage: "Ist diese andere Arbeitsweise auch die Folge einer unterschiedlichen Kultur im Sauber-Team?"
Villeneuve: "Andere Teams in der Formel 1 arbeiten gleich, es ist einfach eine andere Art, an eine Sache heranzugehen. Man darf nicht vergessen, dass ich mit den Leuten in meinen früheren Teams sechs Jahre lang zusammengearbeitet habe, mit den Leuten bei Sauber jedoch erst sechs Monate."

Es geht darum, "lebendig zu sein"

Frage: "Du hast einmal gesagt, die Formel 1 brauche Helden. Was macht einen Helden aus?"
Villeneuve: "Der Mensch, nicht ein Auto oder ein Stück Hardware. Es ist der Pilot, der im Auto sitzt. Die Leute wollen, dass der Fahrer ein Rennen gewinnt. Er ist jemand, der bereit ist, Risiken einzugehen, der sagt, was er denkt und wie die Dinge sind. Es geht im Grunde darum, lebendig zu sein und nicht ein Roboter. Gleichzeitig ist ein Held jemand, der stark ist und cool bleibt in schwierigen Situationen."

Frage: "Was sind deine Helden von gestern und heute?"
Villeneuve: "Ich denke, es ist mein Vater, und davor war es Evil Knieval (Motorrad-Stuntman). Nach ihnen kam niemand mehr."

Frage: "Du hast in deiner Karriere tausende von Interviews gegeben. Gibt es Fragen, die du mittlerweile hasst?"
Villeneuve: "Ja, wenn Leute fragen, ob es eine Frage gibt, die mir noch nie gestellt wurde. Solche Sachen. Wenn du Interviews gibst, schaltest du um, es ist Teil deiner Arbeit. Manchmal wird dir die Frage immer und immer wieder gestellt. Doch du darfst nie vergessen, dass es nicht dieselbe Person ist, die dir diese Frage stellt, und wahrscheinlich hört sie die Antwort zum ersten Mal, und dass die Fans, die deine Antwort zum ersten Mal lesen oder hören, sie nicht bereits in einem andern Magazin gelesen oder in einem andern Radio gehört haben. Du musst so viel Respekt und Verantwortung haben, um die Frage nochmals zu beantworten."

Frage: "Hast du deine Einstellung zu den Medien im Laufe deiner Karriere verändert?"
Villeneuve: "Ich war immer sehr offen, also gab es nie ein Problem. Ich denke, das Problem ist eher, dass gewisse Leute irgendeinmal begannen zu behaupten, ich sei schwierig, und andere Leute begannen, dies zu glauben. Ich bin einfach ein Typ, der gewisse Zeit braucht, um mit jemandem eine Beziehung aufzubauen."

Frage: "Du sagst, du seist sehr offen. Heißt das auch, dass du manchmal gerne provozierst?"
Villeneuve: "Nein, nicht mit Absicht. Wenn man mir eine Frage stellt, so versuche ich, sie so ehrlich wie möglich zu beantworten. Das kann manchmal gewisse Leute provozieren, weil sie es nicht gewohnt sind, ehrliche Antworten zu kriegen. Doch ich bin bestimmt nicht einer, der seine Zeit damit verbringt, Probleme zu schaffen."

Frage: "Hast du ein gutes Gefühl fürs morgige Rennen?"
Villeneuve: "Nun, so lange ich nicht sicher bin, was in Sachen Reifen entschieden wird, kann ich dazu keine Antwort geben."