• 12.03.2008 22:14

  • von Inga Stracke

Vettel: "Wir sind kein Spaßverein"

Toro-Rosso-Youngster Sebastian Vettel im Interview über die neue Saison, seine Chancen und Ziele und das Verbot der Traktionskontrolle

(Motorsport-Total.com) - So startet man angenehm in eine neue Formel-1-Saison: Toro Rosso, Red Bulls B-Team, lud heute an den Strand von St Kilda, um mit den Medien zu plaudern und ein paar nette Fotos zu schießen. Mittendrin im Getümmel der Journalisten war Sebastian Vettel, der 2008 vor seiner ersten vollen Saison in der Königsklasse steht.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Sebastian Vettel wirkte bei den Interviews am Strand von St Kilda locker und gelöst

Frage: "Sebastian, Saisonbeginn am Strand in Australien. Wie gefällt es dir hier?"
Sebastian Vettel: "Es ist schön hier! Das Wetter ist gut, es macht Spaß. Jetzt wird es langsam Zeit, dass es endlich losgeht!"#w1#

Angetan von der Atmosphäre in Melbourne

Frage: "Wie gefällt dir Melbourne als Stadt, die Atmosphäre hier in Australien?"
Vettel: "Sehr gut. Die Leute sind wirklich sehr locker drauf, haben alle Spaß am Leben, glaube ich. Ich denke, das hier ist ein sehr guter Ort, um das Ganze anzuleiern."

Frage: "Du warst ja im Vorjahr auch mal beim Surfen. Warst du schon mal hier?"
Vettel: "Hier nicht. Letztes Jahr war ich in Amerika, auf Hawaii, aber hier sind weniger große Wellen. In anderen Teilen des Landes schon, aber hier weniger."

"Ich mache mir nicht in die Hose, dass ich am Sonntag um 15:30 Uhr am Start stehe." Sebastian Vettel

Frage: "Mit welchem Gefühl gehst du in die Saison? Fühlst du dich schon als alter Hase oder ist es immer noch aufregend und neu?"
Vettel: "Ich mache mir nicht in die Hose, dass ich am Sonntag um 15:30 Uhr am Start stehe, aber es ist immer etwas Neues. Ich fange jetzt letzten Endes meine erste volle Saison an. Darauf freue ich mich, aber den generellen Ablauf habe ich ja letztes Jahr schon kennen gelernt."

Frage: "Ist es anders, erstmals in eine volle Saison zu gehen?"
Vettel: "Ja, klar. Ich bin zum ersten Mal von Anfang an dabei. Vom Rennablauf her wird sich nicht viel ändern, aber klar, man freut sich drauf..."

Frage: "Ich wollte eher auf das Mentale eingehen..."
Vettel: "Gut war, dass ich letztes Jahr überhaupt Rennen fahren konnte, um mir mal ein Bild davon zu machen, wie so ein Rennen aussieht, und um für den Winter zu wissen, was ich tun und was ich trainieren muss und so weiter. Da wusste ich, woran ich arbeiten muss und was die Schwächen sind, die ausgemerzt werden müssen. Ich denke, das habe ich soweit getan, und von daher kann ich stärker in die neue Saison starten."

Körperlich noch fitter als 2007

Frage: "Was waren das denn für Schwächen?"
Vettel: "Die gebe ich hier nicht bekannt (lacht; Anm. d. Red.)! Darüber spricht ja niemand gerne. Ich hatte in den Rennen keine großen Probleme, aber ich habe im Winter natürlich verstärkt an der Physis gearbeitet, um noch besser vorbereitet zu sein. Dafür hatte ich auch mehr Zeit. Ansonsten hatten wir ja auch Testfahrten, die mir geholfen haben, was die Technik angeht, denn beim Testen hat man dafür mehr Zeit als bei den Rennen. Bei den Rennen geht alles Schlag auf Schlag, Strategie und so weiter - da muss einfach schnell entschieden werden. Aber bei den Wintertestfahrten hat man ein bisschen mehr Zeit."

"Wenn man eine starke Leistung gebracht hat, dann hat man die gebracht - fertig, aus, Ende." Sebastian Vettel

Frage: "Es gibt eine Reihe junger Piloten, die fast gleichzeitig in die Formel 1 gekommen sind. Du gehörst da auch dazu. Denkst du manchmal darüber nach, was du mit einem Auto eines dieser Kollegen ausrichten könntest?"
Vettel: "Letzten Endes hat jeder, der es geschafft hat, ein Riesenlos gezogen. Ich kenne diese neue Generation vielleicht ein bisschen besser, weil man irgendwo zusammen aufgewachsen ist - und da gönnt man das jedem. Zu sagen, wenn ich in dem Auto wäre, würde ich das auch so machen oder noch besser, wäre falsch. Letzten Endes ist es egal, ob man in einem starken oder in einem schwachen Auto sitzt, denn wenn man eine starke Leistung gebracht hat, dann hat man die gebracht - fertig, aus, Ende. Da gibt es nichts zu diskutieren. Das muss man erstmal nachmachen."

Frage: "Ist im Team alles bestens motiviert?"
Vettel: "Alles paletti! Alle sind gut drauf und freuen sich, dass es jetzt losgeht. Es war zum Teil ein sehr anstrengender Winter. Man darf nicht vergessen, dass wir nicht wie die großen Teams die Kapazitäten für ein Test- und ein Einsatzteam haben, sondern wenn Not am Mann ist, ist eben das Einsatzteam da. Das zehrt ein bisschen an den Reserven, von daher hatten die jetzt auch mal eine kurze Pause, um sich zu erholen. Das war gut. Letzten Endes freuen sich jetzt alle, dass es wirklich losgeht."

Frage: "Du fährst in einem sehr marketingorientierten Team..."
Vettel: "Nein, das würde ich nicht so sagen. Wir arbeiten nicht aus Jux und Tollerei, sondern wir haben klare Ziele. Wir sind kein Spaßverein, sondern wir sind alle am Arbeiten und wir wollen auch was erreichen. Es ist nicht so, dass wir nur im Kreis fahren, um irgendwelche Sponsoren herumzutragen."

PR-Arbeit ist keine Ablenkung

Frage: "Aber ihr macht mehr und bessere Öffentlichkeitsarbeit als andere Teams. Wie sehr lenkt das einen jungen Fahrer von dem ab, was eigentlich sein Kernbereich sein sollte, nämlich vom Autofahren?"
Vettel: "Mich lenkt das nicht ab. Ich konzentriere mich auf das, was wichtig ist für mich."

Frage: "Aber du musst in der Formel 1 viel von deiner Zeit für andere Aufgaben aufwenden, oder nicht? Das meine ich eigentlich..."
Vettel: "Ich würde nicht sagen, dass es bei uns mehr Aufgaben gibt für die Fahrer als zum Beispiel bei BMW - das ist der einzige Vergleich, den ich in der Formel 1 habe. Von daher sehe ich nicht, dass unsere Leistungen darunter irgendwie leiden könnten. Mit der Formel 3 kann man die Formel 1 generell nicht vergleichen. Hier gibt es eben mehr zu tun."

Sebastian Vettel

So startet es sich gut in die neue Saison: Am Steuer eines Motorboots! Zoom

Frage: "Du hast mit Sébastien Bourdais einen neuen Teamkollegen. Wie verstehst du dich mit ihm, wie schätzt du ihn ein?"
Vettel: "Ich komme soweit gut mit ihm aus, habe kein Problem mit ihm. Er ist sehr stark, gerade was den Rennspeed angeht. Ich denke, er hat sehr viel Erfahrung, hat schon sehr viel mitgemacht. Davon kann ich sicher etwas lernen."

Frage: "Wo rechnest du dir Chancen aus? Kommen dir die Regeländerungen entgegen?"
Vettel: "Ich denke, es ist keine schlechte Entscheidung. Anfangs konnte es sich keiner vorstellen, ohne Traktionskontrolle zu fahren, aber in der Vergangenheit haben sie es mit schlechteren Autos und mehr PS auch geschafft. Von daher ist das glaube ich kein Problem. Man muss den Fahrstil schon ein bisschen anpassen, aber ich denke, dass dafür alle genug Zeit hatten und dass es alle gut hinbekommen haben."

Frage: "Glaubst du, dass die Qualität des Fahrers nun mehr herauskommen wird?"
Vettel: "Das muss man sehen. Es liegt dem einen mehr und dem anderen weniger, aber letztendlich hatten alle genug Zeit, sich darauf einzustellen. Ich denke nicht, dass jemand groß Probleme damit haben wird. Es sind Fahrer dabei, die früher in der Formel 1 schon ohne Traktionskontrolle gefahren sind, und es sind Fahrer dabei, die in den Nachwuchsserien auch keine Traktionskontrolle hatten. Gut, die Autos in den Nachwuchsserien sind nicht ganz so stark, aber wenn man will, bekommt man es dort auch hin, dass die Räder durchdrehen, so ist es nicht."

Mehr Überholmanöver oder nicht?

Frage: "Wird es dadurch mehr Fahrfehler geben?"
Vettel: "Ich denke schon, gerade auf die komplette Renndistanz. Der Grat ist schmäler geworden. Wenn man das Auto verliert, hatte man mit der Traktionskontrolle doch immer eine Hilfe, die das Auto ein bisschen gefangen hat. Darauf konnte man sich verlassen, aber diese Hilfe ist jetzt weg. Wenn man einen kleinen Fehler macht und das Auto verliert, verliert man gleich sehr viel Zeit. Ob dadurch mehr Überholmanöver zustande kommen oder nicht, wird sich zeigen, aber es könnte schon sein."

"Jedes Rennen, das wir in den Top 10 abschließen können, ist für uns wie ein Sieg." Sebastian Vettel

Frage: "Was ist denn dein Ziel für diese Weltmeisterschaft?"
Vettel: "Besser zu sein als letztes Jahr, mehr Punkte zu machen! Man muss schauen. Jedes Rennen, das wir in den Top 10 abschließen können, ist für uns wie ein Sieg. Es ist eine lange Saison. Wir fangen zunächst mit dem alten Auto an und bekommen dann das neue. Dann muss man sehen, wie stark man wirklich ist. Letzten Endes sieht man bei den Wintertestfahrten ungefähr, wo man steht, aber bei den ersten Rennen sieht man es dann wirklich. Da bekommt man es bestätigt oder nicht. Deswegen ist das Ziel, dass wir uns verbessern, denn wir sind ein junges Team im Aufschwung. Zu sagen, wir müssen diesen oder jenen Platz erreichen, wäre aber falsch."

Frage: "Ist es dein persönlich wichtigstes Ziel in einem Team wie Toro Rosso, das Interesse der Topteams zu wecken?"
Vettel: "Ich sehe das vielleicht ein bisschen anders, relativ klar: Mein Ziel ist immer, das Beste herauszuholen aus den Möglichkeiten, die ich habe, und da ist es egal, ob das Auto schwächer ist oder stärker. Wenn ich am Ende eines Rennens mit meiner Leistung zufrieden bin, dann habe ich alles getan, was in meiner Gewalt steht. Ob das dann anderen Leuten auffällt oder nicht, das liegt nicht in meiner Hand."

Frage: "Dein Tipp für die Spitze?"
Vettel: "Rot und Silber! Dafür muss man kein Fachmann sein. Wer von beiden vorne sein wird? Da muss man abwarten. Das kann sich während einer Saison verschieben. Letztes Jahr hat Ferrari sehr stark angefangen, die haben dominiert. Alle haben gesagt, dass es ein langweiliges Jahr wird, aber dann hat es McLaren doch geschafft, das Blatt sehr früh zu wenden. Je nach Strecke war dann das eine oder das andere Auto voran. Ich schätze Ferrari für dieses Jahr sehr stark ein, aber man muss kein Fachmann sein und man liegt nie falsch, wenn man auf eines dieser beiden Teams tippt. Die anderen Teams sind meiner Meinung nach zu weit weg."