Vettel und der Auspuff: "Dann fällt halt ein Teil weg"
Sebastian Vettel im Interview: Wieso ihn die Auspuff-Debatte kalt lässt, wie er die Schumacher-Krise beurteilt und was er von Kobayashi als Teamkollegen halten würde
(Motorsport-Total.com) - Sebastian Vettel kommt als überlegener WM-Leader zu Fernando Alonsos Heimspiel nach Barcelona. Der Heppenheimer gibt sich auch im sonnigen Spanien gewohnt entspannt und spricht im ausführlichen Interview über sein bisheriges Erfolgsrezept, eine mögliche Beschneidung des Auspuffsystems, Schumachers Krise und über die Zeit, wenn er einmal fett und alt ist.

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Sebastian Vettel bleibt auch im Angesicht der Auspuff-Debatte ruhig
Frage: "Sebastian, du hast drei der ersten vier Rennen gewonnen. Stelle dir vor, ich wäre ein Alien: Wie würdest du mir das erklären?"
Sebastian Vettel: "Du siehst ja aus wie ein Alien, also ist das nicht allzu schwierig. Nein - wie haben wir das gemacht? Wir sind an jedes Rennwochenende für sich herangegangen und haben immer versucht, das Maximum aus uns und aus dem Auto herauszuholen. Natürlich waren alle Rennen ziemlich gut, aber bei manchen Rennen hat man mehr Probleme als bei anderen, wo alles glatter läuft, auch wenn das Resultat überall das gleiche ist."
"Es war aber nicht immer leichte Arbeit. So wird es auch weitergehen: Natürlich wird es Rennen geben, bei denen wir Schwierigkeiten haben werden und wo es hart wird, ganz oben oder auf dem Podest ins Ziel zu kommen. Diese Rennen werden aber auch wichtig sein. Wir können nicht hierher kommen und uns unserer Sache sicher sein."
"Wir sind immer noch hungrig und müssen aggressiv sein. Wir müssen an jedes Rennen Schritt für Schritt herangehen und früher oder später werden wir herausfinden, ob wir in einer guten Position sind, um später in der Saison um den Titel fahren zu können."
Führender ist strategisch im Vorteil
Frage: "Könnt ihr in Hinblick auf die Rennstrategie auf die anderen reagieren, oder hast du das Gefühl, dass ihr dieses Jahr wirklich herausgefunden habt, wie man gewinnt?"
Vettel: "Dieses Jahr sind die Rennen ganz anders. Überholen ist viel einfacher, denn wenn man einmal im Gegensatz zu einem Konkurrenten auf einem frischeren Reifensatz ist, dann ist man schnell im Windschatten und es ist leichter zu überholen, außerdem hat man den Heckflügel. Ich muss nicht erklären, wieviele Stopps wir beim letzten Rennen hatten."
"Klar, wenn es dir gelingt, dich im Rennen in die beste Position zu bringen, dann kann man reagieren, man muss über die Strategie nicht so viel nachdenken. Man kann sich den Luxus erlauben, eine oder zwei Sekunden zu verlieren, indem man eine oder zwei Runden später stoppt. Wenn man aber nicht vorne liegt, dann kann man sich so etwas nicht leisten. Man muss entweder gleichzeitig hereinkommen, oder eine Runde früher, um sie zu schlagen. Daher ist es an der Spitze viel leichter, die richtige Strategie zu finden."
Frage: "Wie viel trägst du selbst dazu bei, denn Mark Webber hat das gleiche Auto, aber er gewinnt nicht so wie du?"
Vettel: "Von außen ist es immer schwer zu beurteilen, was genau vor sich geht. Wir geben aber beide unser Bestes und im Idealfall erreichen wir beide am Sonntag im Rennen unser Optimum. Natürlich war ich mit meinen bisherigen Rennen sehr zufrieden. In China konnte man darüber diskutieren, ob wir alles richtig gemacht haben, aber wir haben wichtige Lektionen gelernt."¿pbvin|512|3691||0|1pb¿
"Ehrlich gesagt, ist es für Mark das Gleiche. Man schaut auf sich selber und versucht, an einem Wochenende das Beste herauszuholen. Aus Sicht des Teams war Mark nicht immer in der besten Position, um ganz vorne mitzufahren. Aber es ist ganz natürlich, dass es Rennen gibt, in denen du als Fahrer oder in Verbindung mit dem Auto Problem haben wirst. Damit musst du dann zurecht kommen."
Kobayashi als Teamkollege?
Frage: "Was würdest du davon halten, wenn Kamui Kobayashi nächstes Jahr dein Teamkollege wäre?"
Vettel: "Ich war mit ihm in der Formel 3, daher kenne ich ihn. Ich erzähle euch etwas: Wir waren vier Fahrer in unserem Team und auch die anderen drei Fahrer rätselten, wie er es schafft, gewisse Kurven zu fahren. Er war in manchen Kurven sehr schnell und wir kamen nicht an ihn heran. In anderen Kurven war er langsamer, also haben wir ihn über die gesamte Runde eingeholt."
"Ich weiß nicht - das ist weit weg. Wir stehen jetzt vor dem fünften Rennen. Letztendlich bin es nicht ich, der einen Fahrer verpflichtet, außer ich bin eines Tages alt und fett und werde Teamchef. Wenn wir uns aber Christian anschauen, der ist nicht sehr alt und auch nicht fett - jetzt habe ich mich gerade noch gerettet. (lacht). Es ist nicht meine Aufgabe, aber ich mag Kamui als Person und das ist das Wichtigste."
Frage: "Was spricht dafür, dass deine gute Serie hier weitergeht?"
Vettel: "Schönes Wetter. Die Deutschen reden immer vom Wetter."
Frage: "Und Auto und Fahrer?"
Vettel: "Ich denke, die ersten vier Rennen waren sehr gut für uns. Unabhängig vom Streckentyp waren wir immer vorne dabei und in der Lage, ganz vorne mitzufahren. Deswegen sind wir auch zuversichtlich für hier. Die Strecke ist uns ja vom Winter bekannt, weil wir oft hier waren. Natürlich sind die Bedingungen jetzt anders, es war deutlich kälter, wir müssen also abwarten. Ich glaube, Barcelona stellt immer schon den Zeitpunkt dar, wo viele Teams neue Teile und große Updates bringen."
"Da ist mit Sicherheit von allen einiges zu erwarten, auch wir haben einiges mitgebracht. Ob es funktioniert, wird sich dann morgen zeigen. Und ob sich das Kräfteverhältnis auch etwas verschiebt. Morgen kriegen wir einen frischen Eindruck. Ich denke aber, dass wir soweit gut aufgestellt sind, daher sind wir recht zuversichtlich. Das Gefühl ist so gut, wie es sein kann."
Frage: "Welche neuen Teile gibt es?"
Vettel: "Augen auf morgen! Dann glaube ich, dass man das Eine oder Andere erkennen kann. Dieses Jahr ist es vom Reglement her ziemlich schwierig, etwas herbeizuzaubern, was dann nach viel aussieht. Da muss man schon genauer hinschauen, weil man einfach nicht die Möglichkeiten hat, viel zu experimentieren. Es sind immer wieder Kleinigkeiten, auch für mich, wo ich mir manchmal das Teil anschaue und gar nicht erst den Unterschied erkenne. Der Effekt könnte dann aber ziemlich groß sein."
"Die Autos an sich werden sich nicht verändern - bei keinem erwartet man jetzt große Änderungen an der Form. Es geht nur ums Detail. Zu nahe will ich da jetzt aber nicht darauf eingehen."
Keine Angst vor der Auspuff-Reglementänderung
Frage: "Zuerst war es der Frontflügel, jetzt ist es der angeblasene Diffusor. Ihr werdet jetzt schon wieder von einem Team angeschwärzt, das eure Lösung überprüft haben möchte. Was weißt du darüber? Besteht die Gefahr, dass ihr abrüsten müsst?"
Vettel: "Nein, davon höre ich jetzt zum ersten Mal. Die Diskussion der letzten zwei Wochen würde alle treffen. Wenn man sich die Autos anschaut, dann ist es bei allen das Konzept, den Auspuff in die Aerodynamik mit einzubinden."
"Ich glaube, da ist jetzt keine große Änderung zu erwarten. Und auch wenn das irgendwann nicht mehr der Fall ist, dann ändert sich nicht die ganze Welt, sondern dann fällt halt ein Teil weg. Es würde uns in dem Fall denke ich genauso treffen wie alle anderen. Ich glaube nicht, dass wir da im speziellen eine Sache besser machen als alle anderen."
Frage: "Alonso hat heute seinen Ferrari-Vertrag bis Ende 2016 verlängert. Du wärst dann 30, wenn du Ferrari fahren könntest."
Vettel: "Ja, das habe ich heute gehört, dass Fernando ziemlich lange bei Ferrari bleibt. Erstmal Gratulation, aber bis dahin kann noch sehr viel passieren und es ist noch ein sehr langer Weg. Wenn er sich wohlfühlt und die Möglichkeit hat, seinen Vertrag zu verlängern und alles dafür spricht - und offensichtlich hat er das ja getan -, dann ist das auch okay. Ich denke nicht darüber nach, wann ich dann da fahren könnte."
"Momentan bin ich hier voll und ganz zufrieden und habe meinen Vertrag Anfang des Jahres verlängert. Es läuft noch viel Wasser den Rhein runter."
Ist Schumacher zu alt?
Frage: "Alonso hat vorhin gesagt, dass sich Red Bull warm anziehen muss, weil hier in Spanien alle Leute hinter ihm stehen. Spürst du das auch?"
Vettel: "Er ist natürlich hier der Held - zurecht. Er war der erste Spanier, der hier gewonnen hat. Wir hoffen, dass er das dieses Jahr nicht auch wieder tut, sondern dass wir idealerweise vor ihm sind. Natürlich muss man mit Ferrari und auch mit Fernando hier im speziellen rechnen, denn es ist sein Heim-Grand-Prix und da bekommt schon ein bisschen einen Boost."
"Die Retourkutsche gibt es dann vielleicht auf dem Nürburgring in Deutschland, aber hoffen wir, dass es soweit gar nicht kommt. Vielleicht können wir ja im Doppelpack zuschlagen - in Spanien und dann auch in Deutschland."
Frage: "Es gibt Diskussion über Michael Schumacher: Ist er zu alt, soll er zurücktreten? Verstehst du die Diskussion?"
Vettel: "Naja, ich sag mal, es wird immer viel geredet. Man wird immer nach dem letzten Rennen beurteilt. Vielleicht hat er nicht den rosigsten Grand Prix gehabt in der Türkei. Angenommen, der Michael gewinnt hier, dann würde diese Frage beim nächsten Rennen in Monaco nächste Woche nicht mehr gestellt werden."
Frage: "Würdest du ihm den Sieg überlassen?"
Vettel: "Freiwillig mit Sicherheit nicht, aber ich denke, er wird auch wieder gute Rennen haben und gute Ergebnisse einfahren. Es ist für ihn natürlich derzeit für ihn kein Vergnügen, wenn jeder in gewisser Weise auf ihm herumhackt, aber er hat schon genug mitgemacht - mehr als jeder andere im ganzen Fahrerlager und weiß auch damit umzugehen."

