• 12.02.2007 08:59

  • von Michael Noir Trawniczek

Vettel: "Testfahrten helfen enorm"

Der BMW Sauber F1 Team Testfahrer im ausführlichen Interview über die Arbeit als Testfahrer, unterschiedliche Fahrstile und seine Ziele für dieses Jahr

(Motorsport-Total.com) - Dienstagnachmittag in der Boxengasse des Circuito de Jerez, vor der BMW Sauber F1 Team Box. Sorgenfalten auf der Stirn von Sebastian Vettel - immer wieder muss der 19-jährige Deutsche die Box ansteuern, sein Test kommt nicht richtig in Schwung.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Sebastian Vettel bei Testfahrten in Jerez: Erstes volles Jahr als Formel-1-Testfahrer

Alles in allem jedoch gilt das BMW Sauber F1 Team als eine Art Geheimtipp für die bevorstehende Saison 2007, das Team war in seinem Debütjahr die positive Überraschung des Jahres. Das gilt auch für Vettel, der bei seinem ersten Freitagseinsatz gleich einmal die Bestzeit markieren konnte.#w1#

In der kommenden Saison wird Vettel weiterhin für den Rennstall testen - auf das Rennen fahren möchte der Vizemeister der Formel 3 Euroserie des Jahres 2006 auch in der Saison 2007 nicht verzichten - er möchte im Team von Carlin Motorsport den Titel in der World Series by Renault erobern.

Frage: "Du hast vorhin in der Box gesagt, es würde noch etwas 'unrund laufen' - welche Probleme hattet ihr da heute?"
Sebastian Vettel: "Wir hatten den ganzen Tag über Probleme mit der Hydraulik. Ich denke, da gibt es ein bisschen etwas aufzuholen, aber es ist noch relativ früh zu sagen, ob wir schnell oder langsam sind. Aber ich denke, so weit sind wir gut sortiert. Jetzt müssen wir eben schauen, dass wir die Probleme die wir haben noch lösen können."

Frage: "Die Hydraulik ist ja ein umfassendes Element in einem Formel-1-Wagen..."
Vettel: "Ein Hydraulikdefekt hat zur Folge, dass man nicht mehr fahren kann. Nicht in dem Sinne, dass immer gleich gar nichts mehr geht - aber sicherheitshalber fährt man natürlich an die Box und checkt das durch."

"Und das kostet eben verdammt viel Zeit, denn es läuft ja nicht so ab, dass man schnell mal den Deckel aufmacht und reinschaut, die Klappe wieder zumacht und weiterfährt, sondern das bedeutet dann immer relativ viel Aufwand und kostet halt Zeit. Unterm Strich dreht man dann nicht viele Runden und die Ergebnisse sind dann ebenfalls nicht so gut, weil man einfach nicht genügend Runden am Stück fahren kann."

Frage: "Die neuen Einheitsreifen sind um einiges härter, das erschwert sicher auch den Umstieg von Michelin- auf Bridgestone-Reifen?"
Vettel: "Ja, die sind einfach von der Performance her nicht mehr da, wo sie im letzten Jahr waren. Das sind ganz und gar nicht die Bridgestone-Reifen aus dem letzten Jahr, sie sind wesentlich härter. Man verliert damit einfach überall - das fängt an beim Beschleunigen, die Kurvengeschwindigkeiten sind geringer und die Verzögerung ist schlechter."

Frage: "Und man rutscht mehr herum?"
Vettel: "Ja, man rutscht mehr herum."

Frage: "Ist das für dich als Fahrer besser, bereitet das Fahren damit vielleicht sogar etwas mehr Spaß?"
Vettel: "Man muss sich schon ein bisschen adaptieren. Man muss auch den Fahrstil ändern, man kann nicht mehr so aggressiv fahren mit diesen Reifen, weil die darauf nicht sehr gut reagieren."

Frage: "Dann wiederum muss man ja eigentlich noch sauberer fahren, als das im Vorjahr der Fall war?"
Vettel: "Ja, die Reifen sind sehr kritisch und man muss darauf achten, dass man sehr sauber fährt. Wenn man rutscht, macht es zwar Spaß - aber es kostet Zeit."

Frage: "Der neue BMW Sauber F1.07 - sind da auch Teile an dem Wagen, die mehr oder weniger aufgrund deiner Eingaben entstanden sind?"
Vettel: "Das kann man so nicht sagen. Es sind ja mehrere Fahrer auf dem Fahrzeug - und die Rennfahrer entwickeln das Fahrzeug ja genauso. Es ist ja nicht nur der Testfahrer, der ihnen die Arbeit abnimmt oder diese im Alleingang erledigen darf. Der Input, der von allen vier Fahrern kommt, geht zunächst an die Ingenieure und die Ingenieure erkennen dann die Schwachstellen und das wird dann an die Konstrukteure weitergeleitet."

"Generell versucht man immer irgendetwas zu finden, das einen schneller macht. Und dann konzentriert man sich halt speziell auf einen Bereich. Wenn man jetzt beispielsweise das Hauptproblem auf der Vorderachse hat und wenn es heißt: 'Okay, die Vorderachse ist schlecht', dann versucht man eben, bei der Entwicklung mehr auf die Vorderachse hin zu drängen."

Frage: "Wie ist die Kommunikation mit den anderen Piloten?"
Vettel: "Was das Verhalten des Fahrzeugs angeht, steht man ständig mit den anderen Piloten in Kontakt, weil letzten Endes sind es ja auch nur wir vier Piloten, die das Fahrverhalten auch spüren können. Die Ingenieure sehen zwar heutzutage sehr viel auf den Datenblättern, aber sagen wir einmal so: Das Gefühl ist immer noch sehr wichtig."

Frage: "Wie sieht es bei euch in puncto Fahrstil aus? Gibt es da große Unterschiede zwischen den Piloten? Beispielsweise gab es bei Toyota diesen Fall, wo Ralf Schumacher und Jarno Trulli am TF105B mit einer neuen Vorderradaufhängung unterschiedliche Erfahrungen gemacht haben respektive Trulli zunächst zu wenig Response beklagt hat, während Ralf zufrieden war."
Vettel: "Das kann man schwer sagen. Gut, der Nick (Heidfeld; Anm. d. Red.) ist eher dafür bekannt, dass er ein bisschen ruhiger fährt. Der Robert (Kubica; Anm. d. Red.) ist sehr aggressiv unterwegs. Und ich liege da wahrscheinlich irgendwo dazwischen. Wobei - jeder Fahrer fährt auch unterschiedlich. Man kann zum Beispiel nicht sagen, dass der Robert immer aggressiv fährt."

"Vom Fahrstil her gibt es schon unterschiedliche Ergebnisse - aber wenn man jetzt alle Runden analysiert und man sich das alles dann unterm Strich ansieht, ist es dann eigentlich egal, ob der Fahrer eher ruhig oder eher aggressiv fährt, in gewisser Weise."

Frage: "Neben deiner Testtätigkeit für das BMW Sauber F1 Team bestreitest du auch in diesem Jahr wieder Rennen, in der World Series by Renault. Ist das etwas, worauf du bestehst? Weil du eben einfach auch Rennen bestreiten möchtest?"
Vettel: " (lacht) Ja, ich fahre gerne Rennen. Sehr gerne sogar."

Frage: "War das eine Bedingung? Wenn zum Beispiel das BMW Sauber F1 Team gesagt hätte, du darfst neben deiner Testtätigkeit keine Rennen fahren, hättest du dann abgelehnt?"
Vettel: "Es war nicht so, dass ich gesagt habe: 'Wenn ich keine Rennen fahren darf, dann teste ich nicht'. Ich bin sehr froh, dass ich beides verbinden kann. Auf der einen Seite kann ich in der Formel 1 sehr viel dazulernen, weil ich eben regelmäßig die Chance habe, im Auto zu sitzen. Zum anderen kann ich in der World Series Rennen fahren - und das macht einfach mehr Spaß. Aber: Es ist beides gut."

Frage: "Du warst im Vorjahr bei deinem ersten Einsatz als Freitagspilot auf Anhieb sehr schnell, hast Bestzeiten in den Asphalt gezaubert. Aber ich denke, der wahre Grund für deine Verpflichtung als Testfahrer wird wohl sein, dass du ein sehr gutes Feedback lieferst, oder?"
Vettel: "Ja. Bei diesen Freitagseinsätzen, die wir im letzten Jahr hatten, muss man aufpassen. Es ist jetzt nicht so, dass wir nur darauf geachtet haben, dass am Ende die Zeit stimmt. Also wir sind jetzt nicht mit Gewalt, mit neuen Reifen und wenig Sprit auf die Bestzeit losgegangen."

"Man fährt freitags nicht unbedingt gegen die Stammfahrer sondern gegen die Freitagsfahrer der anderen Teams - denn die haben die gleiche Art von Paket, die gleiche Anzahl von Reifen und sie experimentieren genauso herum, wie du selbst es tust. Das waren im letzten Jahr Fahrer wie Alex Wurz oder Anthony Davidson - und das sind ja bestimmt keine Pappnasen, sonst hätte man sie ja auch nicht zum Stammfahrer befördert. Von daher hat das für mich im letzten Jahr durchaus gestimmt."

"Man muss dann natürlich schon bedenken, dass man als Freitagsfahrer gegenüber den Stammpiloten den Vorteil hatte, dass man viel mehr Runden drehen konnte. Das macht dann schon sehr viel aus. Zum Beispiel auf einer Strecke wie in Istanbul, wo man nur einmal im Jahr fährt, wo keine Tests stattfinden, gar nichts - und wenn dann der Stammfahrer nur zehn Runden bekommt, dann ist es für ihn sehr schwierig, dieses Manko an Runden aufzuholen. Aber wie gesagt, es gab ja auch noch die anderen Freitagsfahrer. Und unterm Strich, so glaube ich, zählt dann nicht das Ergebnis auf der Zeitenliste des Freitags, sondern immer nur jenes Ergebnis, welches das Team am Sonntag im Rennen erzielt hat."

Frage: "Dennoch muss man sagen, dass du dich bei deinen Freitagseinsätzen unheimlich schnell eingewöhnt hast - du hattest zuvor ja nur 400 Testkilometer zur Verfügung. Wieso ist dir das so gut gelungen - kann man das überhaupt erklären?"
Vettel: "Ich kannte das Auto zwar schon von dem Testtag her, den ich hatte, aber es lief einfach sehr gut. Jetzt kenne ich das Auto natürlich noch viel besser als das in Istanbul der Fall war. Aber ich bin damals halt einfach rausgefahren und habe meinen Job ganz normal erledigt und das hat ganz gut funktioniert."

"Ich habe mir da keine großen Gedanken gemacht wie 'Du hast ja keine Erfahrung' oder ähnliche Dinge, sondern ich habe das Auto noch während der Fahrt immer besser kennen gelernt und halt meinen Job erledigt."

Frage: "Es gibt auch die Ansicht, dass die Fahrer generell zu früh in die Formel 1 kommen beziehungsweise auch, dass du zu früh in die Formel 1 gekommen bist. Oder das Beispiel Christian Klien, der mit 20 in die Formel 1 kam und mit 23 sein Renncockpit verloren hat, wo dann David Coulthard meinte, Christian sei zu früh in die Formel 1 gekommen, sei verheizt worden. Du wirst jetzt natürlich nicht sagen, dass du zu früh in die Formel 1 gekommen bist - aber was sagst du zu dieser Ansicht?"
Vettel: "Gut, dass ich nicht alt bin, das weiß ich. Aber man kann glaube ich nicht generell sagen, dass alle Formel 1-Einsteiger älter werden müssen oder dass alle zu jung sind. Robert ist auch erst 21, von daher ist das auch kein Alter und er macht seine Arbeit gut. Ich denke, das muss man sich im Einzelfall ansehen, ob das zutrifft oder nicht."

Frage: "Welche Ziele hast du dir für 2007 gesteckt?"
Vettel: "Es geht in der Formel 1 hauptsächlich darum, viel Erfahrung zu sammeln - da helfen die Testfahrten natürlich enorm. Und ansonsten ist es mein Ziel, in der World Series ganz vorne mitzufahren."

Frage: "Du kennst den Formel Renault 3,5 Liter V6-Boliden bereits, der in der World Series by Renault eingesetzt wird..."
Vettel: "Ja, vom letzten Jahr, da bin ich zwei Rennen gefahren, in Misano und Spa-Francorchamps, und ich habe auch noch zwei Tests bestritten."

Frage: "Ist der Titel das erklärte Ziel?"
Vettel: "Ja, ganz klar."

Frage: "Ist wahrscheinlich auch schwierig, weil alle den Formel-1-Piloten schlagen wollen, oder?"
Vettel: "Ja, gut, das gehört natürlich dazu. Aber unterm Strich ist das egal. Wenn ich ein Rennen habe, versuche ich dort ganz normal so gut wie möglich zu fahren. Und da ist es mir sowieso egal, was die Leute dazu sagen oder schreiben, denn ich möchte für mich persönlich gewinnen."

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