• 18.10.2008 18:25

  • von Fabian Hust & Dieter Rencken

Vettel: "Red Bull Racing verfolgt eine andere Philosophie"

Der Toro Rosso-Pilot vergleicht seinen aktuellen mit seinem zukünftigen Arbeitgeber, spricht über seine Arbeitsweise und Mark Webber

(Motorsport-Total.com) - Sebastian Vettel geht am Sonntag in Shanghai nicht nur in das vorletzte Rennen der Saison, sondern auch in das vorletzte Rennen für seinen Arbeitgeber Scuderia Toro Rosso. Und beim Saisonfinale in Sao Paulo wird der Deutsche zum wohl letzten Mal in das Lenkrad beim kleinen italienischen Rennstall greifen.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Vettel will sich bis Sao Paulo noch ganz auf sein aktuelles Team konzentrieren

"Um ehrlich zu sein werde ich nicht daran denken, dass dies mein letztes Rennen für das Team ist", meint Vettel vorausblickend. "Wir sind vielleicht nicht so groß wie Ferrari oder McLaren-Mercedes, aber wir sind hier, um etwas zu erreichen, um ein Rennen zu fahren."#w1#

"Auch wenn es unser letztes Rennen sein wird, so bin ich mir sicher, dass in den Köpfen aller nur der Wunsch sein wird, eine möglichst gute Leistung zu zeigen. Aber natürlich haben wir am Sonntag eine schöne Möglichkeit, zusammen zu feiern."

"Am Montag nach Brasilien kann ich dann vielleicht anfangen, mir Gedanken über die kommende Saison zu machen." Sebastian Vettel

Viele Experten fragen sich, ob angesichts des aktuellen Kräfteverhältnisses der Wechsel vom kleinen zum großen Red Bull-Team für den talentierten Piloten der richtige Schritt ist. Doch daran verschwendet der Rennfahrer im Moment keinen Gedanken: "Es sind zwar nur noch zwei Rennen zu fahren, aber das Hauptaugenmerk liegt auf dieser Saison. Am Montag nach Brasilien kann ich dann vielleicht anfangen, mir Gedanken über die kommende Saison zu machen."

Rein von der Mentalität her wird der Wechsel für Vettel eine Umstellung bedeuten, schließlich arbeiten bei Toro Rosso überwiegend Italiener, bei Red Bull Racing mehrheitlich Engländer: "Zu allen Leuten, die ich bisher kennen gelernt habe, habe ich eine gute Beziehung", gibt sich der 21-Jährige gelassen. "Ich bin schon zuvor für britische Teams gefahren. Üblicherweise sind die alle ganz lustig."

"Der größte Unterschied ist wohl die Art und Weise, wie die Teams organisiert und strukturiert sind." Sebastian Vettel

"Ich freue mich auf das kommende Jahr. Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen den Teams. Der größte Unterschied ist wohl die Art und Weise, wie die Teams organisiert und strukturiert sind. Bei Toro Rosso gibt es natürlich weniger Leute. Bei Red Bull gibt es mehr Leute und damit auch mehr Ressourcen. Es wird etwas Zeit brauchen, um sich anzupassen, aber schlussendlich denke ich, dass wir zusammen etwas erreichen können."

Die Arbeitsweise, so vermutet Vettel, basiert bei Toro Rosso mehr auf die menschlichen Faktor, bei Red Bull mehr auf dem technischen - zumindest dann, wenn es um das Abstimmen des Autos geht: "Letztendlich ist es eine Grundsatzentscheidung, ob man mehr an die Daten und Zahlen glaubt, oder an das, was der Fahrer spürt. Diesbezüglich kommen wir sehr gut miteinander aus."

An diesem Wochenende gab es im Rennstall wieder diesen Fall: "Wir waren uns nicht ganz sicher, was wir tun sollten. Dann haben wir uns letztendlich dazu entschieden, es zu riskieren, wir hatten ja nicht viel zu verlieren. Letztendlich ist es aufgegangen. Selbst wenn es nicht auf gegangen wäre, hätten wir etwas daraus gelernt."

"Wir haben nicht die Leute und die Ressourcen, nichtsdestotrotz haben wir ein sehr gutes Paket." Sebastian Vettel

Vettel ist stolz auf das Personal bei seinem derzeitigen Arbeitgeber: "Wir haben nicht die Leute und die Ressourcen, nichtsdestotrotz haben wir ein sehr gutes Paket. Das muss man auch sehr anerkennen. Aber man muss es auch erst umsetzen, was uns im vergangenen halben Jahr sehr gut gelungen ist. Da können wir uns in dem Sinne auf die Schulter klopfen. Wir haben speziell mit Giorgio Ascanelli einen sehr, sehr guten Technischen Direktor. Und auch die anderen Leute sind nicht ganz unschuldig daran, was den Erfolg angeht."

Wie Red Bull Racing arbeitet, kann Vettel noch nicht genau sagen: "Ich weiß nicht, wie die beiden Fahrer dort drüben arbeiten. Wir arbeiten sehr hart und konzentrieren uns auf das, was wir haben. Mit den Mitteln, die wir haben, versuchen wir unser Bestes zu erreichen. Jedes Team hat irgendwo seine eigene Arbeitsweise. Ich kann jetzt nicht sagen, was besser oder schlechter ist."

"Es gibt dort eine andere Philosophie als bei uns." Sebastian Vettel

"Es gibt dort eine andere Philosophie als bei uns. Das Team ist anders aufgestellt. Bei uns sind die Rollen ganz klar verteilt. Es gibt mit dem Gerhard Berger und dem Franz Tost zwei Teamchefs, es gibt den Giorgio Ascanelli als Technischen Direktor und dann die Ingenieure, die mit ihren Fahrern am Auto arbeiten."

"Der Giorgio ist das wachende Auge, er kümmert sich darum, wenn es weiter geht als nur um das Setup oder die Reifen. Er ist für uns sehr, sehr wichtig. Bei Red Bull Racing sind etwas mehr Leute involviert. Das sind Helmut Marko, Christian Horner, Adrian Newey plus das Paket aus Ingenieur und Fahrer."

Schlussendlich müsse jedoch der Fahrer sagen, ob man eher auf die Daten vertraue oder lieber auf das eigene Gefühl: "Dem einen oder anderen Fahrer mag es egal sein, was am Auto gemacht wird. Er sagt, dass das Auto untersteuert, dann macht jemand etwas daran oder auch nicht. Ein anderer Fahrer sagt, dass das Auto untersteuert und sagt, dass man dieses oder jenes ausprobieren sollte. Das hängt größtenteils vom Fahrer ab."

"In gewisser Weise muss man natürlich vorrangig Fahrer bleiben und kann nicht Ingenieur spielen." Sebastian Vettel

Nach Aussage von Gerhard Berger gehört Sebastian Vettel zu jenen Fahrern, die als besonders analytisch gelten. Grundsätzlich stimmt der Rennfahrer aus Heppenheim dieser Aussage zu: "In gewisser Weise muss man natürlich vorrangig Fahrer bleiben und kann nicht Ingenieur spielen. Aber mich interessiert es sehr, was die Abstimmung des Autos angeht. Ich denke, dass ich da auch ein gutes Wörtchen mitrede."

Wie er bei seinem zukünftigen Arbeitgeber arbeiten wird, kann er noch nicht genau sagen: "Ich muss das Team wirklich zunächst einmal besser kennen lernen, bevor ich das beurteilen kann. Ich hatte dazu schon die eine oder andere Möglichkeit bei Tests. Ich denke, das geht schon in die richtige Richtung."

"Natürlich gibt es ein lachendes und ein weinendes Auge. " Sebastian Vettel

Ohne Zweifel betrachtet er seinen Wechsel positiv: "Ich sehe das als einen Schritt aufwärts. Ich denke, dass es der richtige Schritt ist. Natürlich gibt es ein lachendes und ein weinendes Auge. Klar ist es das Ziel, Rennen zu gewinnen und vorne mitzufahren und ich denke, dass es der richtige Schritt dazu ist."

Dieses Jahr hatte Vettel mit Bourdais einen Formel-1-Neuling als Teamkollegen, mit Mark Webber wird er einen Routinier erhalten. Nichtsdestotrotz würde er seinen aktuellen Teamkollegen nicht als jungen Kerl bezeichnen: "Er fährt schon seit vielen Jahren Rennen, in Amerika sehr erfolgreich. Zudem beginnt er auch schon selbst junge Kerle zu produzieren!"

"Mark ist ein sehr schneller Fahrer, einer der besten Fahrer im Feld." Sebastian Vettel

Und was hält er von seinem zukünftigen Teamkollegen? "Mark ist ein sehr schneller Fahrer, einer der besten Fahrer im Feld. Er verfügt über jede Menge Erfahrung, ich hoffe, dass ich von ihm eine Menge lernen kann. Es wird nicht einfach sein, ihn zu schlagen, aber das ist natürlich das Ziel."

"Er wird das Ziel haben, mich zu schlagen, ich werde das Ziel haben, ihn zu schlagen. Das sollte schlussendlich dem Team helfen und uns beide in die richtige Richtung nach vorne bringen. Mit Sicherheit wird es im Vergleich zu jetzt nicht einfacher werden, denn an der Spitze geht es enger zu. Wenn man mit den großen Jungs dort vorne kämpfen möchte, muss man gut bewaffnet sein."