• 07.07.2011 22:01

  • von Dieter Rencken

Vettel: "Hier muss man die Pobacken zusammenkneifen"

Sebastian Vettel im Interview: Was er am Silverstone-Umbau kritisiert, warum er einmal sein Auto mit Smileys vollklebte und wieso die kleinen Schritte so wichtig sind

(Motorsport-Total.com) - Sebastian Vettel gilt als großer England-Fan. Er liebt den englischen Humor, die Beatles und die britische Motorsport-Tradition. Im Interview erklärt er, was die Insel und im speziellen Silverstone noch so zu bieten haben, warum er sein Auto 2004 in der Formel BMW mit gelben Smiley-Stickern vollklebte und und welchen Bezug er zu Zahlen und Rekorden hat.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Vettel sieht den Silverstone-Umbau auch mit einem weinenden Auge

Frage: "Sebastian, wie gerne kommst du nach England, was magst du besonders an diesem Land?"
Sebastian Vettel: "Ich glaube, das ist das einzige Land auf der Welt, wo es regnen kann und gleichzeitig die Sonne scheint. Nein, die Rennstrecke ist hervorragend und ich glaube für alle Fahrer etwas besonderes, weil es ziemlich viele Kurven gibt, wo man die Pobacken zusammenkneifen muss. Insgesamt macht es sehr viel Spaß."

"Ich komme sehr gerne hierher. Hinzu kommt natürlich die Tatsache, dass es für uns in gewisser Art und Weise ein Heim-Grand-Prix ist - mit dem Team ziemlich in der Nähe, das ist vielleicht eine halbe Stunde mit dem Auto von hier entfernt. Daher gibt es für die ganzen Leute, die sonst immer in der Fabrik arbeiten, die Möglichkeit, auch mal an die Strecke zu kommen, um unsere Autos, ihre Autos, live zu sehen."

"Ich glaube, das ist das einzige Land auf der Welt, wo es regnen kann und gleichzeitig die Sonne scheint." Sebastian Vettel

Frage: "Kannst du dich erinnern, was du in einer anderen Serie einmal gemacht hast, als du 18 von 20 Rennen gewonnen hast? Da hast du etwas auf das Auto geklebt..."
Vettel: "Ja, da kann ich mich erinnern."


Fotos: Red Bull, Großer Preis von Großbritannien


Frage: "Was war das?"
Vettel: "Wir hatten damals Smileys auf der Haube, vorne, also auf der Nase. Dann hatten wir auf der Seite keinen Platz mehr und mussten auf der Nase drauf weitere Smileys unterbringen."

Frage: "Was haben die Smileys damals für dich bedeutet?"
Vettel: "Ich kam damals zu meinem Team, das war Mücke Motorsport. Dort war es Tradition, die Smileys draufzukleben, wenn man gewinnt. In dem Jahr hat bei uns ziemlich alles gestimmt, und wir hatten 18 Smileys dann am Ende auf dem Auto. Viel besser hätte es nicht laufen können."

"Ich glaube, wir hatten auch einen zweiten und einen dritten Platz. Das war schon ein perfektes Jahr, und natürlich hat man sich dann schon nach jedem Sieg gefreut, dass man einen weiteren Smiley auf das Auto kleben konnte."

Frage: "Wie wichtig sind dir Zahlen? Du sagst immer, die Statistik ist dir nicht wichtig, aber schaut man da trotzdem drauf? Hast du Zahlen im Kopf?"
Vettel: "Nein, Zahlen habe ich keine im Kopf, dafür seid ihr ja da, dass ihr mich daran erinnert, wenn es etwas zu verkünden gibt. Natürlich weiß man in etwa Bescheid, und gerade der Vergleich mit Fahrern aus der Vergangenheit ist das Interessante. Die Formel 1 hat sehr viel Tradition und wenn man seinen eigenen Namen dann hin und wieder erkennen kann und weiß, man hat so viele Poles oder Siege, dann ist das etwas ganz Schönes, aber nicht der Antrieb."

"Der Vergleich mit Fahrern aus der Vergangenheit ist bei den Zahlen das Interessante." Sebastian Vettel

"Ich stehe also nicht sonntags am Start und sage: 'Einer mehr und dann bin ich vor XY'. Man sieht das Rennen an sich und das reine Ergebnis. Man fährt dann los, um zu gewinnen, und nicht, um irgendwelche Zahlen neu zu erfinden."

Frage: "Gibt es für dich am Silverstone-Umbau auch etwas Negatives?"
Vettel: "Schade ist, dass die erste Kurve wegfällt und jetzt Kurve neun heißt. Ich denke, Copse Corner war immer etwas besonderes, wenn man an der Boxenmauer stand und schaute, wie schnell die Auto nach rechts abbiegen. Aber ich sage immer, wenn man nur nach hinten schaut, dann geht man keinen Schritt vorwärts. Das ist hier ein neuer Schritt für die Strecke - mit dem Abschnitt, den wir letztes Jahr schon gefahren haben. Alles in allem wird es ein tolles Wochenende."¿pbvin|512|3861||0|1pb¿

Frage: Auch die Fabrik der Silberpfeile ist nicht weit weg von hier. Wie besorgniserregend siehst du die Situation um das Team von Michael Schumacher und Nico Rosberg?"
Vettel: "Ich würde nicht von Besorgnis sprechen. Es ist kein einfacher Weg, an die Spitze zu kommen, und das Projekt wurde damals mit dem Gedanken eingeläutet, langfristig was zu erreichen. Natürlich wird man immer nach dem letzten Rennen beurteilt, und vielleicht hat die Saison für Mercedes noch nicht ganz so gefunkt, wie man es sich erhofft hatte. Man sieht aber, dass der Konkurrenzkampf unheimlich stark und die Spitze sehr umkämpft ist. Auch für uns war es nicht einfach. Als Team haben wir auch lange gebraucht, bis wir wirklich ganz vorne dabei waren."

"Es geht auch ruckzuck, dass man vielleicht wieder hinausgedrängt wird. Man muss sehr hart arbeiten, und manchmal gibt man sein Bestes und alles scheint zu funktionieren und das Ergebnis passt manchmal trotzdem nicht. Man muss sich die nötige Zeit und Geduld geben."

"Man muss aufpassen, dass man nicht das große Ziel vor Augen hat und so die vielen kleinen Schritte vergisst." Sebastian Vettel

Frage: "Wird es im Laufe der Saison immer schwieriger, den Vettel-Finger zu strecken und zu gewinnen? Merkt man das?"
Vettel: "Es ist nie einfach, Rennen zu gewinnen. Der Finger taucht ja nur auf, wenn wir ganz vorne sind. Es gibt manche Leute, denen der Finger nicht so gefällt. Ich habe nicht vor, jemanden zu verletzen, sondern mache das nur um zu zeigen, dass wir wieder ganz vorne stehen auf Nummer eins. Ich glaube, es wird auch in Zukunft nicht einfacher, aber auch nicht schwerer, denn es war auch in der Vergangenheit schwer genug."

"In unserer Situation muss man jedes Rennen als einzelnes ansehen, und natürlich ist die Versuchung da, sich von irgendwas leiten zu lassen. Aber genau das ist der Punkt - dass man sich auf die kleinen Schritte konzentriert und so das große Gesamtziel erreicht und nicht, dass man das große Ziel vor Augen hat und so die vielen kleinen Schritte vergisst."