• 29.10.2009 15:51

  • von Dieter Rencken

Vettel: "Es hat einfach etwas Zeit gebraucht"

Sebastian Vettel über die WM-Niederlage gegen Jenson Button, die neue Rennstrecke in Abu Dhabi und die 2009 gelernten Lektionen

(Motorsport-Total.com) - Beim vorletzten Rennen platzte der Traum von Sebastian Vettel, im Endspurt der aktuellen Saison doch noch an WM-Spitzenreiter Jenson Button vorbeizuziehen und den Titel zu holen - entsprechend enttäuscht gab sich der 22-Jährige nach dem Grand Prix. Zwei Wochen später ist der große Frust längst verraucht und Vettel nimmt wieder Kurs auf ein weiteres Topergebnis. In seiner Medienrunde vor dem Rennen in Abu Dhabi spricht der Red-Bull-Fahrer über seine Rennaussichten.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Sebastian Vettel will zum Saisonabschluss noch einmal eine gute Leistung zeigen

Frage: "Sebastian, wie gehst du ein Wochenende auf einer neuen Rennstrecke an?"
Sebastian Vettel: "Man geht das Wochenende im Prinzip genau so an, wie jedes andere auch. Mein Team und ich versuchen natürlich, uns darauf vorzubereiten. Hier ist das etwas anders, weil es sich um einen neuen Kurs handelt. Wir probieren daher, möglichst viele Informationen zusammenzutragen - Daten vom GP2-Test, Infos zur Strecke und ich habe auch einige Runden im Simulator gedreht."#w1#

"Abgesehen davon kommen wir hierher, laufen wie üblich um die Strecke und verschaffen uns einen Eindruck von dieser Rennbahn. Es sieht sehr interessant und recht fordernd aus. Ich würde sagen, wir haben es hier mit einem Mix aus Singapur und Bahrain zu tun. Singapur deswegen, weil es hier einige langsame Kurven gibt und ein paar Links-Rechts-Kombinationen."

"Es geht in die Richtung Micky-Maus. Andererseits ist der Belag sehr eben und überhaupt nicht holprig. Es gibt eine lange Gerade, die sogar noch einmal etwas länger ist als in Schanghai. Wir werden sehen. Die Strecke sollte uns liegen. In den vergangenen Rennen war der Wagen in meinen Augen konkurrenzfähig - egal, wo wir waren."

Welches Visier in Abu Dhabi?

Frage: "Wie würdest du diese modernen Rennstrecken wie Abu Dhabi mit den traditionellen Kursen wie Spa oder Suzuka vergleichen? Welcher Streckentyp gefällt dir besser und weshalb?"
Vettel: "Ich bin hier natürlich noch nicht gefahren. Was neuen Kursen aber generell fehlt, ist natürlich die Geschichte. Wenn du in Spa oder Monza bist und über die Strecke gehst, dann hast du einfach im Hinterkopf, dass die Formel 1 dort schon vor zehn, zwanzig oder dreißig Jahren unterwegs war."

"Da spürst du einfach die Geschichte und das ist etwas Besonderes. Es gibt einige legendäre Kurven wie zum Beispiel die Eau Rouge. Das ist eben etwas, was neue Kurse nicht haben - noch nicht. Einfach aus dem Grund, weil sie zu neu dafür sind. Was man aber festhalten kann, ist, dass bei sämtlichen neuen Strecken die Sicherheit stark verbessert wurde."

"Vielleicht muss man manchmal nicht genug für die Fehler bezahlen, die man als Fahrer macht." Sebastian Vettel

"Manchmal ist es aber schwierig, dem Kurs einen gewissen Charakter zu verleihen. Manchmal mögen die Passagen recht ähnlich aussehen, doch im Auto fühlt sich das alles unterschiedlich an. Es gibt überall riesige Auslaufzonen. Vielleicht muss man manchmal nicht genug für die Fehler bezahlen, die man als Fahrer macht."

Frage: "Bereitet dir der Sonnenuntergang etwas Kopfzerbrechen?"
Vettel: "Das kann ich noch nicht sagen. Am Freitag werden wir ein Training bei wechselnden Lichtbedingungen haben. Das kommt ganz auf das Streckenlayout und den Punkt an, an dem die Sonne untergeht."

"Um wirklich einschätzen zu können, wie das ist, muss man einfach im Auto sitzen und diese Situation erleben. Wir werden sehen. Wenn die Sonne aber sehr tief steht, könnte es je nach Kurve ziemlich kritisch sein."

Frage: "Welche Art von Visier hast du in Australien eingesetzt?"
Vettel: "Ein dunkles. Als wir losfuhren, war es heller Tag und sonnig. Als das Rennen zu Ende war, ging die Sonne ganz allmählich unter. Hier wird es wohl auf ein mitteldunkles Visier hinauslaufen. Im letzten Rennabschnitt wird es schließlich dunkel sein, wohingegen es am Anfang sehr hell ist. Die Visierfrage ist jedenfalls ein großes Thema."¿pbvin|512|2103|vettel|0|1pb¿

Die spontane Enttäuschung war groß...

Frage: "Bist du noch immer enttäuscht darüber, den Titel verpasst zu haben?"
Vettel: "Es ist vollkommen normal, dass man da enttäuscht ist. Es hat einfach etwas Zeit gebraucht. Es war eben eine große Enttäuschung. Letztendlich muss man aber die positiven Seiten sehen: Es war eine sehr gute Saison für uns."

"Viele Dinge sind passiert. Wir haben einige Lektionen gelernt." Sebastian Vettel

"Viele Dinge sind passiert. Wir haben einige Lektionen gelernt. Alles in allem gibt es viele Sachen, die wir im kommenden Jahr besser machen können. Im Augenblick geht es aber voll und ganz darum, den zweiten Platz in der Fahrerwertung zu sichern und am Sonntag ein sehr gutes Rennen zu fahren."

Frage: "In Brasilien hast du noch gemeint, der zweite Platz würde nichts bedeuten. Das war aber wohl mehr aus der Enttäuschung heraus gesagt, oder?"
Vettel: "Naja, wenn man grade aus dem Auto kommt, dann sagt man schon mal solche Dinge. Da hast du eben nicht wirklich viel Zeit, um darüber nachzudenken."


Fotos: Red Bull, Großer Preis von Abu Dhabi


"Generell bin ich aber nicht hier, um als Zweiter oder Dritter ins Ziel zu kommen. Das hat sich nicht verändert. Platz drei ist aber schlechter als Rang zwei. Im Augenblick will ich also den Vize-Titel gewinnen beziehungsweise den zweiten Platz in der Meisterschaft belegen."

Konstanz als Schlüssel zum Erfolg

Frage: "Wie hättest du reagiert, wenn dir vor der Saison jemand gesagt hätte, dass du WM-Zweiter werden würdest?"
Vettel: "Solche Fragen tauchen grundsätzlich bei den Schlussrennen auf. Positiv oder negativ wahrscheinlich. Ich denke, dieses Jahr war etwas Besonderes, weil sich die Regeln so drastisch verändert haben. Man konnte einfach nicht wissen, was man erwarten durfte."

"Wir hatten schon beim ersten Test ein gutes Gefühl." Sebastian Vettel

"Wir hatten schon beim ersten Test ein gutes Gefühl. Wir waren sehr zufrieden mit dem Auto. Bis Australien wussten wir aber nicht, wie konkurrenzfähig wir sein würden. Meiner Meinung nach war es sehr wichtig, von Anfang an bis zum Ende konkurrenzfähig zu sein. Abgesehen davon war dieses Jahr ein Auf und Ab."

"Es waren immer andere Teams an der Spitze mit dabei. Das spricht für uns, wie ich finde. Das war wichtig. Wenn mir das also jemand gesagt hätte, dann hätte ich wohl geantwortet: 'Warum werde ich nicht Erster? Wenn ich schon ein Auto habe, das gut genug ist für den zweiten Rang, warum soll es dann nicht mit Platz eins klappen?'"

Vettel: Australien war nicht entscheidend

Frage: "Ist der Unfall von Australien einer der großen Momente, die du rückblickend bedauerst? Da hast du einige Punkte weggeworfen..."
Vettel: "Nein. Es steht zwar noch ein Rennen aus, aber rückblickend würde ich nicht sagen, dass es da nur einen Grand Prix gab, wo die Dinge schief liefen. Es ist ja kein Geheimnis, dass der Weltmeister letztendlich mehr Punkte auf dem Konto hat als jeder andere. Man holt auch nicht nur Punkte, wenn man Erster wird"

" Manchmal findet man sich selbst in einer Situation wieder, in der man nicht gut genug ist für den Sieg. Dennoch kann es von Bedeutung sein, den Wagen auf Rang vier, fünf oder sechs ins Ziel zu bringen und Punkte mitzunehmen. Meiner Meinung nach waren wir in diesem Jahr bei jedem Rennen dazu in der Lage, in den Top 5 anzukommen - das trifft für niemanden sonst zu."

"Manchmal hatten wir das, was man Pech nennen könnte." Sebastian Vettel

"Monza war da vielleicht eine Ausnahme. Manchmal hatten wir das, was man Pech nennen könnte. Andere Male machten wir Fehler bei der Strategie oder bei anderen Dingen, manchmal habe auch ich Fehler gemacht. Alles in allem sind es bislang fünf Rennen, die wir nicht beendet haben. Da haben wir überhaupt keine Punkte geholt."

"Australien ist eines dieser Rennen. Ich halte diesen Unfall aber für einen Rennzwischenfall. Das passiert einfach, wenn man Rennen fährt. Ich bin nicht auf der Strecke, um alle anderen durchzuwinken, nur wenn sie in meinem Rückspiegel auftauchen. Solche Dinge passieren einfach. Es haben sich aber noch viele andere Dinge ereignet, die uns wichtige Punkte kosteten."

2009 als Lernjahr für Vettel und Red Bull

Frage: "Ist das etwas, was du in diesem Jahr gelernt hast? Zu realisieren, dass man sich vielleicht mit Punkten begnügen muss, wenn der Rennsieg nicht möglich ist?"
Vettel: "Ja, sicherlich. Letztendlich sind wir ein Team. Wir treffen Entscheidungen, weil du diese für die beste Möglichkeit hältst. Erst nach dem Rennen erfährst du dann, ob es eine gute Entscheidung war oder eben nicht."

"Manche unserer Entscheidungen waren nicht unbedingt die klügsten." Sebastian Vettel

"Manche unserer Entscheidungen waren nicht unbedingt die klügsten. Das können wir 2010 verbessern. Wir hatten auch ein kleines Handicap in Bezug auf die Motoren. Aber dazu muss man auch sagen, dass jeder dachte, dass wir vor dem letzten Rennen mindestens einmal den Motor wechseln müssten."

"Jetzt sind wir hier und müssen eben keinen Wechsel vornehmen. Dafür müssen wir uns bei Renault bedanken - wir haben es geschafft. Es ist immer einfach, im Nachhinein zurückzuschauen. Es gab einige Dinge, die wir hätten besser machen können. Am Wichtigsten ist aber, aus diesen Situationen zu lernen und solche Fehler in der Zukunft nicht noch einmal zu begehen."