Vettel ärgert sich nach verpasstem Sieg: "Ich wollte gewinnen!"

Das Duell zwischen Valtteri Bottas und Sebastian Vettel wurde in der letzten Runde entschieden: Der Finne feiert, der Deutsche hadert, dass ihm wohl ein Umlauf fehlte

(Motorsport-Total.com) - Die letzten drei Runden entschädigten für das zuvor recht statische Rennen in Österreich. Plätscherte der Lauf in Spielberg zuvor nur so vor sich hin, so ging es in der Schlussphase im Kampf um den Sieg und das Podium heiß her. Sebastian Vettel (Ferrari) jagte Spitzenreiter Valtteri Bottas vor sich her und wollte dem Finnen seinen zweiten Grand-Prix-Sieg noch streitig machen. "Ich hatte ein Deja-vu von Russland", lacht Bottas, der wie in Sotschi den Sieg knapp über die Zeit retten konnte.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel, Valtteri Bottas

Sebastian Vettel hadert mit dem knapp verpassten Sieg Zoom

0,658 Sekunden schleppte der Silberpfeil-Pilot über die Linie, nachdem Vettel in der Schlussphase immer näher kam - eine Runde mehr und der Sieger hätte vielleicht einen anderen Namen getragen. "Ich freue mich tierisch", pustet Bottas auf dem Podest stehend durch, während Vettel eher gemischte Gefühle trägt: "Ich bin nicht ganz sicher, wie ich mich fühlen soll. Ich bin natürlich glücklich mit dem zweiten Platz - aber irgendwie auch nicht wirklich, weil es am Ende so eng war."

Richtig aufregend wurde es zwischen den beiden jedoch nur ganz am Anfang und am Ende. Bottas' Start sorgte für Irritationen. Vettel war sich sicher, dass es ein Frühstart des Finnen war, und fragte am Funk mehrfach nach - doch die Rennleitung sah keinen Grund einzuschreiten. Von daher konnte Bottas das Geschehen an der Spitze kontrollieren. Runde um Runde zog der Mercedes-Pilot auf den Ultrasofts davon.

Vettel mit Balanceproblemen im ersten Stint

Als Vettel nach 35 Umläufen in die Box kam, betrug Bottas' Vorsprung 8,5 Sekunden. "Im ersten Stint war Valtteri schneller, daran gibt es keinen Zweifel", muss der Deutsche zugeben. Er selbst kam mit seinem Boliden nicht so gut zurecht und hatte mit deutlichem Untersteuern zu kämpfen. "Es war ein bisschen Auf und Ab, und es waren zu viele Runden dabei, in denen ich kleine Fehler drin hatte. Der Rhythmus war nicht da", beschreibt er weiter.

Weil der Vorsprung von Bottas groß genug war, konnte es sich Mercedes leisten, den Finnen noch sieben weitere Runden draußen zu lassen. Ferrari versuchte noch, ihn mit Landsmann Kimi Räikkönen ein wenig aufzuhalten, doch Bottas kam gut drei Sekunden vor Vettel wieder auf die Strecke. Mit einem Mercedes unter dem Hintern und frischeren Reifen an den Sohlen sollte man meinen, dass es eine komfortable Situation für Bottas war - doch das war ein Trugschluss.

Denn plötzlich kehrten sich die Vorzeichen um: "Als hätte jemand den Schalter umgelegt", wie Vettel sagt. Auf Supersofts fehlte plötzlich Bottas die Pace und der Deutsche robbte sich Zehntelsekunde um Zehntelsekunde heran. "Das Problem im letzten Stint war, dass ich massive Blasenbildung im linken Hinterreifen hatte - und das schon nach seit der fünften Runde in diesem Stint", erklärt der Finne. "Das hat es schwierig gemacht."

Bottas macht Blasenbildung zu schaffen

Zwar hatte er seinen Vorsprung zunächst auf fünf Sekunden aufbauen können, doch mit der Blasenbildung konnte er seinen Vorsprung nicht halten. Vettel kam näher, konnte jedoch erst zwei Runden vor dem Fallen der Zielflagge in den DRS-Bereich von unter einer Sekunde kommen. Somit ergab sich für den Heppenheimer noch einmal die Möglichkeit, auch weil Bottas durch zu Überrundende noch einmal in Schwierigkeiten geriet - doch darüber klagte auch sein Gegner.

Am Ende kam es auf die letzte Runde an. Vettel hing im Heck von Bottas und schnupperte kurz an einem Manöver, doch der Mercedes war zu weit weg. "Es war knapp in Kurve vier, aber leider hatten wir nur eine Runde. Danach war es klar: Die zwei links runter war er flott, danach ist keine Stelle mehr zum Überholen", beschreibt Vettel. 0,658 Sekunden rettete Bottas für seinen zweiten Formel-1-Sieg über den Zielstrich.

"Der erste Sieg ist immer etwas Besonderes, aber auch der zweite ist besonders", jubelt der Mann aus Nastola nach seinem Erfolg. Für ihn hätte es kaum besser laufen können: Pole-Position, Sieg und dabei fast in jeder Runde geführt. "Ich bin sehr glücklich, wir hatten heute ein wirklich starkes Auto. Es war ein perfektes Wochenende für mich", so Bottas, der von seinem "besten Wochenende bisher" spricht.

Vettel: "Bin ein bisschen stinkig"

Eigentlich könnte auch Vettel mit Rang zwei zufrieden sein, schließlich hat er seinem WM-Hauptrivalen Lewis Hamilton, der nur Vierter wurde, erneut wichtige Punkte abgenommen, und sein Ziel erreicht, zum ersten Mal in Österreich auf dem Podest zu stehen. Doch kurz nach dem Rennen überwiegt die Enttäuschung, den Sieg knapp verpasst zu haben. "Das Rennen bedeutet mir viel. Ich habe eine Verbindung zu Österreich und wollte daher unbedingt gewinnen", sagt er klipp und klar.

"Heute bin ich ein bisschen stinkig, dass es nicht gereicht hat", ergänzt der Ferrari-Pilot. "Natürlich freue ich mich. Am Anfang der Woche war das Ziel auf dem Podium zu stehen, aber wenn man die Chance hat, den größten Pokal mit nach Hause zu nehmen, dann hätte man das lieber. Jetzt kann man von außen sagen, dass das ein bisschen gierig ist, aber darum geht es ja im Sport."

Der WM-Führende glaubt, dass er nur eine Runde mehr gebraucht hätte, um sich den Sieg auf dem Red-Bull-Ring zu schnappen. "Er (Bottas; Anm. d. Red.) hatte wirklich Probleme, den Berg hochzukommen." In Kurve drei wäre somit die ideale Chance gekommen, noch einmal einen Angriff zu versuchen. Das muss auch der eigentlich Sieger zugeben: "Mit Sicherheit ist er sehr nahe gekommen und hatte am Ende mehr Pace im Auto", so Bottas.

Vettel denkt noch über den Start nach

Doch mit etwas Abstand kann auch Vettel einsehen, dass er mit dem zweiten Platz auch ganz gut leben kann. Ferrari sah am Freitag und zu Rennmitte nicht unbedingt nach Siegermaterial aus, und außerdem war Spielberg bislang nicht gerade die Strecke des Heppenheimers. "Alles in allem war es ein gutes Wochenende", räumt Vettel ein. Nur eine Sache beschäftigt ihn auch weiterhin: "Die einzige Situation, die mir im Kopf herumschwirrt ist der Start, weil er meiner Meinung nach zu früh gezuckt hat", so Vettel. "Wenn ich ihn am Start überhole, ist es ein anderes Rennen."


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Der Automobil-Weltverband FIA stellte nach dem Rennen jedoch noch einmal klar, dass Bottas' Start im Rahmen war und man sich auf die jahrelang bewährten Messinstrumente verlassen würde. Und so kann der Finne einen knappen aber verdienten zweiten Sieg einfahren und sich hinterher von seinem Team beglückwünschen lassen.

Lauda lobt "sensationelles Rennen"

"Dass Valtteri es geschafft hat, Vettel bis zum Schluss hinter sich zu halten, ist einfach fantastisch", lobt Mercedes-Technikchef James Allison. "Er ist so ein netter Kerl und so unfassbar entspannt. Er lässt alle möglichen psychologischen Dramen an einem Rennwochenende einfach links liegen. Das ist für das gesamte Team sehr gut. Er ist schnell, sehr konstant. Wir sind sehr froh, dass wir ihn haben."

Auch der Aufsichtsratsvorsitzende Niki Lauda stimmt in die Jubelarien mit ein: "Er besitzt ein unglaubliches Selbstvertrauen und hat ein sensationelles Rennen gefahren", stellt er heraus und unterstreicht den Druck, unter dem Bottas stand: "Wenn er einmal quersteht, dann hat ihn der Sebastian." Lauda weiter: "Er war fehlerfrei unter dem höchsten Druck, den er haben kann. Da sieht man, wo die richtigen Champions sind."

Bis zum Champion ist es allerdings noch ein ganzes Stück. Mit 136 Zählern kommt Bottas aber zumindest auf 15 Punkte an seinen Teamkollegen Lewis Hamilton heran. Sebastian Vettel liegt weitere 20 Zähler davor. An die WM denkt der Finne derzeit aber ohnehin nicht. "Wir haben noch nicht einmal die Hälfte der Rennen absolviert", betont er. Doch das Duell in Spielberg hat er schon einmal für sich entschieden.

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