Verstellbarer Heckflügel: Fahrer üben Kritik

Fragwürdige Sicherheit, Herausforderung des Überholens: Die Fahrer stehen dem verstellbaren Heckflügel für 2011 sehr kritisch gegenüber

(Motorsport-Total.com) - Der Motorsport-Weltrat der FIA hat diese Woche die Regeländerungen für 2011 verabschiedet. Diese beinhalten auch einen verstellbaren Heckflügel, der künftig zu mehr Überholmanövern führen soll. Doch die Fahrer stehen dem neuen System, das in den vergangenen Wochen für viele Schlagzeilen gesorgt hat, sehr kritisch gegenüber.

Titel-Bild zur News: Williams-Heckflügel

Der Heckflügel darf ab nächster Saison während der Fahrt verstellt werden

Am deutlichsten verleiht Mark Webber seiner Meinung Nachdruck: "Das ist für die PlayStation gut, aber ich weiß nicht, wie gut es in der Formel 1 funktionieren wird." Auch Robert Kubica, schon seit Bekanntwerden der Idee kein Freund des verstellbaren Heckflügels, bleibt bei seiner skeptischen Position: "Es gibt dir nichts, wenn du jemanden überholst, weil du um 15 km/h mehr Topspeed hast. Das wäre wie ein Videospiel, wo einer mit einem Turbo- gegen einen Saugmotor antritt."#w1#

Zehn bis 15 km/h mehr Topspeed

Der von den Teams mitgetragene Plan der FIA sieht folgendermaßen aus: Sobald ein Fahrer den Rückstand auf seinen Vordermann an einem Kontrollpunkt auf unter eine Sekunde verkürzt, erhält er ein Freigabesignal. Dann darf er einen Knopf drücken, der bewirkt, dass die Querplatte des Heckflügels um 50 Millimeter nach oben geschoben und der Heckflügel somit flacher gestellt wird. Das soll zehn bis 15 km/h mehr Topspeed bringen - aber nur für den Hintermann.

Genau daran stoßen sich viele Fahrer: "Das ist sicher gut für die Show, aber aus Fahrersicht ist es wahrscheinlich nicht so gut", findet Force-India-Pilot Adrian Sutil. "Du kannst deine Position noch so gut verteidigen, aber wenn du hinter dir einen Gegner hast, der ohnehin schon im Windschatten fährt und dann mit dem verstellbaren Heckflügel weitere fünf bis zehn km/h gewinnt, dann ist das einfach zu viel, finde ich."

¿pbvin|512|2855||0|1pb¿"Dann darf den Knopf auch nur drücken, wenn die Signallampe leuchtet und man einen gewissen Rückstand hat. Es ist schwierig, das alles zu durchschauen", fürchtet der Deutsche, dass der verstellbare Heckflügel in Kombination mit KERS für zu viele Einflüsse sorgen könnte. "Ich finde, alle sollten die gleichen Möglichkeiten haben, denn sonst denken die Fans, derjenige, der überholt wird, ist auf den Geraden so langsam. Dabei kann er gar nichts dafür."

Rubens Barrichello glaubt hingegen nicht, dass die Zuschauer das groß kümmern würde: "Es interessieren sich doch sowieso nur noch fünf Prozent der Fans für solche Details. Der große Rest will einfach nur Überholmanöver sehen - und die werden sich freuen", so der 295-fache Grand-Prix-Teilnehmer, der aber ebenfalls warnt: "Wir müssen aufpassen, dass wir dem Hintermann nicht zu viele Vorteile in die Hand spielen."

Wann darf man den Knopf drücken?

'Motorsport-Total.com'-Experte Marc Surer sieht indes eine Gefahr darin, dass im Endeffekt die Rennleitung entscheiden muss, wann man den Knopf drücken darf und wann nicht. Das stört auch Kubica: "Es muss für den Fahrer schon klar ersichtlich sein, wann er das System benutzen darf und wann nicht. Sonst kommt es hinterher zu Diskussionen, dass einer zu einem Zeitpunkt den Flügel verstellt hat, an dem es vielleicht verboten war."

"Der verstellbare Heckflügel könnte interessant werden, aber auch gefährlich." Robert Kubica

"Der verstellbare Heckflügel könnte interessant werden, aber auch gefährlich", gibt der Renault-Pilot zu Protokoll. "Ich weiß nicht, wie stark man den Heckflügel verstellen darf. Wenn man ihn zu stark verstellen darf, dann werden sich die Autos auf den Geraden ganz einfach überholen, was ich nicht besonders aufregend finde. Es wird aber zumindest für alle gleich sein und ich bin schon gespannt, wie es funktionieren wird."

"Der verstellbare Frontflügel wurde auch eingeführt, damit man überholen kann, indem man anderen Autos besser folgen kann. Das hat nicht funktioniert. Vielleicht funktioniert der Heckflügel besser, aber das wird stark vom Winkel abhängen", so Kubica. FIA-Rennleiter Charlie Whiting beruhigt gegenüber 'auto motor und sport': "Nach unseren Berechnungen werden die Fahrer, die den Heckflügel flach stellen, nur um zehn km/h schneller sein - und das auch nur am Ende der Geraden."

Das ändert nichts daran, dass verstellbare aerodynamische Elemente immer eine gewisse Gefahr in sich bergen. Deshalb waren sie in der Formel 1 jahrzehntelang verboten. Jarno Trulli malt ein Horrorszenario: "Ich habe meinen Heckflügel schon ein paar Mal verloren. Das sind immer die gefährlichsten Unfälle, die passieren können, weil man dann überhaupt keine Kontrolle mehr über das Auto hat", warnt der Lotus-Fahrer.

Trulli hat Angst vor Unfällen

"Solche Sorgen will ich mir nicht machen." Jarno Trulli

"Ein Heckflügel versagt normalerweise bei sehr hoher Geschwindigkeit. Dann fliegst du in die Mauer. Solche Sorgen will ich mir nicht machen", erklärt Trulli. "Ich hatte solche Unfälle beim Testen mit Renault und Toyota, einmal in Monza auf Jordan - und ich hatte immer Riesenglück. Beim Frontflügel kann das natürlich auch passieren, aber da ist es nicht ganz so tragisch. Wenn du mit dem Heckflügel Pech hast, geht es ganz übel aus."

Sutil teilt diese Bedenken: "Es ist mir schon ein paar Mal passiert, dass sich der Frontflügel gar nicht verstellt hat, wenn ich den Knopf gedrückt habe. Oder eine Seite ging runter und die andere nicht. Dann fährst du die Kurve an, aber auf einmal hast du keinen Grip mehr. Mit dem Heckflügel wäre diese Wirkung noch viel fataler. Wenn du auf die Bremse steigst und dir fehlen 50 Kilo Anpressdruck, dann wirkt sich das aus", warnt der Deutsche.

"Diese Entwicklung muss also hundertprozentig zuverlässig sein, aber es ist ein neuer Flügel, der in der Formel 1 noch nie ausprobiert wurde", meint er weiter. Auch Webber fordert, dass das System erst auf Herz und Nieren getestet wird: "Wir müssen das genau untersuchen, es verstehen und sicherstellen, dass es allen etwas bringt: den Fahrern, der Show, den Zuschauern und der Sicherheit. Das darf man nicht vernachlässigen."

Und er fügt an: "Ja, wir wollen mehr Überholmanöver, aber wir müssen auch aufpassen, dass es weiterhin mit Können zu tun hat, jemanden zu überholen. Man sollte nicht einfach einen Knopf drücken müssen, wie das bei KERS und dem verstellbaren Heckflügel der Fall ist. Da brauchen wir die richtige Balance, denn niemand will ein IRL-Rennen, wo man sich viermal pro Runde überholt. Das ist langweilig", findet der Australier.