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Verstappen verweigert Platztausch mit Perez: "Habe meine Gründe!"

Warum sich Formel-1-Weltmeister Max Verstappen in Brasilien einer Stallregie von Red Bull für Sergio Perez widersetzt hat und was das für Abu Dhabi bedeutet

(Motorsport-Total.com) - Kurz vor Schluss im Brasilien-Grand-Prix 2022 in Sao Paulo. Max Verstappen erhält einen unmissverständlichen Funkspruch von seinem Renningenieur Gianpiero Lambiase: "Max, lass Checo bitte vorbei." Doch genau das tut Verstappen nicht: Er überquert nach 71 Rennrunden die Ziellinie vor Perez und wird Sechster, Perez belegt Platz sieben. Und die Situation eskaliert sofort.

Titel-Bild zur News: Sergio Perez mit seinem Red-Bull-Teamkollegen Max Verstappen in der Formel-1-Saison 2022

Sergio Perez mit Red-Bull-Teamkollege Max Verstappen in der Formel-1-Saison 2022 Zoom

Perez, der ebenfalls kurz vorher die Info erhalten hatte, dass es zu einem Platztausch kommen wird, reagiert verbittert am Funk: "Ja, danke dafür, Jungs! Danke!"

Dann schaltet sich Red-Bull-Teamchef Christian Horner in den Perez-Funk ein: "Tut mir leid, Checo." Perez-Ingenieur Hugh Bird ergänzt: "Wir werden das alles nachbesprechen."

Perez aber hat schon genug gehört und meint schlicht: "Das zeigt, wer er wirklich ist!"

Wie Verstappen sein Verhalten begründet

Und Verstappen? Auch er meldet sich am Funk, ist sich aber keiner Schuld bewusst - im Gegenteil: "Ich habe es euch schon beim letzten Mal gesagt. Fragt mich das nicht noch einmal, okay? Ist das klar? Ich habe meine Gründe genannt. Und ich stehe dazu."

Doch zu den Gründen schweigt sich der zweimalige Formel-1-Weltmeister aus. Auch später in seinen Presserunden wiederholt er lediglich das, was er schon am Funk gesagt hat: "Nun, ich habe meine Gründe." Im Gespräch mit 'Sky' England fügt er noch hinzu: "Die [Gründe] will ich hier nicht nennen."

Auf die Frage, ob etwas vorgefallen sei, was sein Verhalten erklären könnte, antwortet Verstappen: "Ja, das ist es." Mehr sagt er dazu nicht.

Die Theorie eines Verstappen-Kenners

Tom Coronel, ein Kenner der Verstappen-Familie und Formel-1-Experte im niederländischen Fernsehen, glaubt die Hintergründe zu kennen und deutet bei 'ViaPlay' an, Perez soll im Qualifying zum Monaco-Grand-Prix absichtlich einen Unfall herbeigeführt und dies später so auch der Teamführung um Helmut Marko und Christian Horner gebeichtet haben. Den Vorfall habe Verstappen nicht vergessen.

Was genau 2022 in Monaco passiert ist: Perez ist in der Tat im Q3-Finale des Qualifyings verunfallt, gut eine halbe Minute vor dem Ablauf der Zeit in der Passage vor dem Tunnel-Eingang. Aufgrund des Zwischenfalls konnte schließlich niemand mehr eine Rundenzeit-Verbesserung erzielen, auch Verstappen nicht - und Perez ging tags darauf von P3 ins Rennen, direkt vor Verstappen.


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Was Monaco mit dem Streit zwischen Verstappen und Perez zu tun hat und wie eine Verschwörung den ersten Sieg von Russell überschattet. Weitere Formel-1-Videos

Perez hat "keine Ahnung", was Verstappen umtreibt

Ob das, wie Coronel behauptet, der Auslöser für Verstappens Unmut ist, hat bislang niemand bei Red Bull bestätigt. Perez zuckt auf die Frage nach den "Gründen" von Verstappen nur mit den Schultern und gibt an, "keine Ahnung" zu haben, was seinen Teamkollegen bewegt hat. "Vielleicht sollte man ihn danach fragen. Aber ja, ich habe da nichts dazu zu sagen."

Nachsatz: "Ich bin wirklich überrascht. Nach allem, was ich für ihn getan habe, ist das etwas enttäuschend, wenn ich ehrlich bin."

In einem Interview mit einem spanischen TV-Sender wird Perez sogar noch deutlicher und meint: "Wenn er jetzt zwei WM-Titel hat, dann hat er das mir zu verdanken."

Womit Perez nicht zuletzt auf seine Schützenhilfe beim Finalrennen 2021 in Abu Dhabi anspielen dürfte, in dem er erst Lewis Hamilton aufhielt und später sogar auf Anweisung von Red Bull das Rennen aufgab, um bloß kein Faktor zu sein, der Verstappens Chancen mindern könnte.

Perez und Verstappen schütteln sich die Hand

Nun in Brasilien habe er in der Schlussphase eine klare Ansage seitens des Teams erhalten, als Verstappen hinter ihm ankam. "Man hatte mir gesagt, ich soll ihn durchlassen, und dass ich die Position zurückerhalten würde", meint Perez. "Ich weiß nicht, was mit ihm besprochen war."

Letzteres war eines der Themen bei einer spontanen Krisensitzung von Red Bull im kleinen Kreis. Teamchef Horner war dabei, auch Sportchef Marko sowie Verstappens Manager Raymond Vermeulen. Die Fahrer waren ebenfalls zugegen. Horner verrät: "Sie haben das besprochen und sich die Hand geschüttelt."


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Marko wiederholt immer nur die gleichen Phrasen

Weitere Details gibt Red Bull nicht heraus. Marko will beim 'ORF' gar nicht erst antworten, sondern bricht das Interview ab und geht weiter zu 'Sky', wo er mehrfach den Wortlaut wiederholt, auf den man sich nach der Krisensitzung wohl verständigt hat.

Marko sagt nur: "Max wird in Abu Dhabi alles aus seiner Sicht Mögliche unternehmen, damit Checo den zweiten Platz in der WM erreichen kann. Das hier ist abgehakt und geklärt. Und wir gehen mit dieser Prämisse nach Abu Dhabi."

Auf die Nachfrage, dass Verstappen sich in Brasilien genau so nicht verhalten habe, meint Marko, ohne auf die Frage einzugehen: "Das ist unsere Aussage und unser Plan für Abu Dhabi."

'Sky' fragt nochmals nach, ob sich Verstappen eines Weltmeisters unwürdig präsentiert habe, wo ihn Perez schon mehrfach unterstützt habe. Marko: "Nochmals: Es wurde jetzt besprochen, was passiert ist. Es ist intern alles geklärt."

"Wir arbeiten als Team und die Prämisse ist Abu Dhabi und Max wird alles unternehmen, um Sergio diesen zweiten Platz zu ermöglichen. Mehr kann ich dazu nicht sagen."

Auch Horner geht nicht auf Nachfragen ein

Horner äußert sich ähnlich, wenngleich mit leicht anderer Wortwahl, als er bei 'Sky' England vor das Mikrofon tritt. Dort sagt er: "Wir besprechen sowas intern. Die Fahrer haben auch darüber gesprochen. Sie haben einen sehr klaren Standpunkt."

"Checo ist jetzt punktgleich mit Charles. Jetzt gehen wir als ein Team nach Abu Dhabi, um das das Beste zu versuchen, damit Checo diesen zweiten Platz kriegt. Max wird das voll unterstützen."

Auch bei Horner blitzen sämtliche Nachfragen ab: "Ich werde nicht sagen, was hinter verschlossenen Türen besprochen wurde. Die Fahrer haben das besprochen und sich die Hand geschüttelt. Wir sind voll konzentriert auf das nächste Rennen."

Christian Horner, Helmut Marko

Christian Horner und Helmut Marko äußern sich zurückhaltend zur Situation Zoom

"Wir besprechen das noch in einem größeren Kreis bei der Nachbesprechung. Die größere Diskussion ist, warum uns heute und an diesem Wochenende die Pace gefehlt hat. Alles kommt auf den Tisch. Und dann geht es weiter."

Horner: Red Bull kennt jetzt nur noch ein Ziel

Es folgt eine provokante Nachfrage, ob Verstappen den Eindruck habe, er sei größer als das Team, wenn er sich so verhalte. Horner verneint und sagt: "Wir arbeiten und racen als ein Team."

"Unser Ziel ist, Checo den zweiten Platz in der WM zu ermöglichen. Das haben wir als Team bisher nie erreicht. Max steht dahinter. Wir werden unser Bestes geben in Abu Dhabi, das zu schaffen. Es ist ein direktes Duell zwischen Checo und Charles. Wenn Max irgendwie helfen kann, wird er das tun."

Auch Verstappen betont: Werde Perez helfen!

So äußert sich nun auch Verstappen. Er begrüße die erfolgte Aussprache. "Denn wir haben alles auf den Tisch gelegt. Natürlich verstehe ich auch Checos Perspektive. Er ist enttäuscht. Aber ich habe auch meine Gründe genannt, warum ich es nicht gemacht habe - aufgrund eines Vorfalls in der Vergangenheit."

Es gäbe jetzt ein "Verständnis" im Team, betont Verstappen. "Und jetzt schauen wir nach vorne. Checo und Charles gehen punktgleich nach Abu Dhabi. Und wenn er Hilfe braucht, um vor Charles anzukommen, dann werde ich ihm helfen."

"Das ist nicht das Ende der Welt. Es kommt ohnehin darauf an, wer vor wem ins Ziel kommt. Und wenn er Hilfe braucht, bin ich zur Stelle."

"Aber es ist gut, dass wir darüber gesprochen haben. Das hat alles klargestellt, was da im Raum stand und weshalb ich es nicht gemacht habe", sagt Verstappen.

Ralf Schumacher: Das zeigt "Egoismus" von Verstappen

Für das Verweigern der Stallregie in Brasilien attestiert Ralf Schumacher, Verstappen habe, wie sein Vater Jos Verstappen, "so ein bisschen eine Straßenkämpfer-Mentalität, einen Egoismus", so sagt er bei 'Sky'.

"Klar: Er ist super-erfolgreich, aber sowas kann einem auch die Unterstützung im Team kosten, und ich weiß nicht, ob das sowas wert ist. Also, menschlich und auch so als Payback nicht ganz sauber, muss man ganz klar sagen."

"Ich glaube, Sergio Perez hat im ersten Jahr [bei Red Bull] bewiesen, wie sehr er für das Team kämpfen kann und wie sehr [Verstappen] ihm geholfen hat. Ich glaube, das wäre Payback-Time gewesen."

Teamchef Horner scheint ähnlich zu denken, zumindest, was die Leistungsfähigkeit von Perez anbelangt. Denn er sagt: "Checo hat dieses Jahr fantastische Arbeit geleistet. Er verdient diesen zweiten Platz. Als Team werden wir unser Bestes geben, um das zu unterstützen, damit er das erreicht."