Verhindern die neuen Reifenregeln Überholmanöver?

Heinz-Harald Frentzen und 'F1Total.com'-Experte Marc Surer glauben, dass in Melbourne wegen der Reifenregeln kaum überholt worden ist

(Motorsport-Total.com) - Ursprünglich hatten die Experten angenommen, dass es 2005 wieder mehr Überholmanöver geben wird als in vergangenen Jahren - das neue Reglement mit beschnittener Aerodynamik hätte dafür den Ausschlag geben sollen. Beim Saisonauftakt in Melbourne folgte jedoch die Ernüchterung: Bis auf ein paar beherzte Risikoaktionen war von mehr Action als bisher keine Spur.

Titel-Bild zur News: Heinz-Harald Frentzen

Heinz-Harald Frentzen sieht die neuen Reifenregeln eher als Action-Bremse

'F1Total.com'-Experte Marc Surer glaubt, dass dies mit der neuen Reifenregel zusammenhängt, die besagt, dass ein Satz die Gesamtdistanz von Qualifying und Rennen überdauern muss. Offenbar trauen sich die Fahrer nun nicht mehr, bei einem Überholmanöver allzu spätes Bremsen zu riskieren, weil ein stehendes Rad die Lauffläche kaputt machen könnte. Dies wiederum hätte fatale Folgen für die weitere Performance bis zum Ende des Rennens.#w1#

Gehen die Fahrer wegen den Reifen Kompromisse ein?

"Die Fahrer waren äußerst vorsichtig mit den Reifen", analysierte Surer. "Alle hatten Angst, dass es Probleme geben könnte, weil man einfach noch keine Erfahrung damit hat." Aber: "Ich glaube, dass es beim nächsten Rennen schon anders aussehen wird. Da kommt dann auch der Instinkt wieder, dass man überholen muss, denn ein Mark Webber hätte auch auf das Podium fahren können, wenn er überholt hätte. Nur haben eben alle Angst gehabt, dass ein stehendes Rad die Reifen kaputt macht. Die Fahrer waren einfach ein bisschen zu vorsichtig."

Von einer "anspruchsvollen Neuregelung" in Bezug auf die Reifen sprach Ex-Formel-1-Pilot Heinz-Harald Frentzen gegenüber dem 'Express': "Da werden Fahrer mit Köpfchen verlangt. Für die Zuschauer ist die ganze Angelegenheit eher abtörnend. Am Anfang eines Rennens sieht man die Fahrer ihre Reifen schonen, um sie richtig einzuteilen, und am Ende des Rennens sieht man die Fahrer ihre Reifen schonen, weil die einfach am Ende sind. Dass da die Aggressivität auf der Strecke bleibt, ist klar."

Der 37-Jährige warf aber gleichzeitig ein, dass man zum Teil auch die Strecke in Melbourne für die Überhol-Misere verantwortlich machen müsse, weil die Start- und Zielgerade einfach zu kurz sei, um sich im Windschatten an einen Vordermann heranzusaugen. Die neuen Regeln hätten daran nichts geändert. Prinzipiell unterstützt er aber den in der Formel 1 eingeschlagenen Kurs: "Generell sehe ich einen richtigen Schritt, die Kosten zu senken, sodass auch die kleineren Teams mithalten können", so Frentzen.

Qualifying-Modus nach Melbourne in der Kritik

Für Diskussionen sorgt nach wie vor auch der neue Qualifying-Modus, denn in dieser Saison werden erstmals die addierten Zeiten von zwei Einzelzeitfahren für die Startaufstellung herangezogen. In Melbourne geriet dies zur Farce, weil die Abstände zwischen den Piloten wegen Regens in der ersten Session schon vor dem Sonntags-Qualifying so groß waren, dass kaum mehr Verschiebungen zustande kommen konnten.

"Ich finde es zu früh, das Qualifying zu beurteilen", sagte Surer dazu. "Normalerweise ergibt sich daraus schon eine gewisse Spannung, aber das zweite Qualifying in Melbourne war natürlich eine Farce, weil man durch die Riesenabstände am Samstag nichts mehr hat ausrichten können. Aber: Wenn das ganze Feld eng zusammen liegt - und in Zukunft werden irgendwann einmal zehn Autos innerhalb von einer Sekunde liegen -, dann wird es spannend. Wer tankt wie viel? Wer opfert seine Pole Position für mehr Sprit?"

Die erste wirkliche Bewährungsprobe für das neue Qualifying steht schon in sechs beziehungsweise sieben Tagen in Malaysia bevor, denn die Wetterprognosen für das Rennwochenende am 'Sepang International Circuit' sind gut. Bei trockenen Bedingungen wird sich zeigen, ob der Modus am Sonntagmorgen tatsächlich Spannung produzieren kann oder zu einer ähnlich lauwarmen Session führen wird wie beim Saisonauftakt.