Verabschiedet sich Brawn von der Boxenmauer?

Bei Ferrari erlangte er vor allem als Chefstratege Berühmtheit, doch bei Honda könnte Ross Brawn künftig der Boxenmauer fern bleiben

(Motorsport-Total.com) - 88 seiner 91 Grand-Prix-Siege hat Michael Schumacher mit Ross Brawn am Kommandostand errungen - 19 davon für Benetton, 69 für Ferrari. Genauso wie sich der heute siebenfache Weltmeister in jenen Jahren als fahrerischer Superstar etablierte, erarbeitete sich Brawn als Chefstratege den Ruf des einmaligen Taktikgenies.

Titel-Bild zur News: Ross Brawn

Ross Brawn an der Boxenmauer: Ein Bild, mit dem man abschließen muss?

Unvergessen sind die legendären Meilensteine der beiden in Ungarn 1998, wo Brawn mitten im Grand Prix die Strategie umstellte, Schumacher in einen waghalsigen Zwischensprint hetzte und Ferrari so aus dem Hinterhalt heraus die überlegenen Silberpfeile bezwingen konnte, oder aber auch das Rennen in Frankreich 2004, wo sich der Brillenträger am Ferrari-Kommandostand die einzige geplante Vierstoppstrategie der Formel-1-Geschichte einfallen ließ - und damit Erfolg hatte.#w1#

Veränderte Aufgaben bei Honda

"Ich würde es gerne machen, aber wenn es jemand anderer macht, ist es mir genauso recht." Ross Brawn

Doch ob er uns solche Geniestreiche auch bei Honda zeigen wird, steht noch in den Sternen: "Bei Ferrari", erklärte Brawn gegenüber 'autosport.com', "war ich oft derjenige an der Boxenmauer, bei dem die Verantwortungskette endete. Ich weiß nicht, ob das auch bei Honda so sein wird. Das Team scheint eine vernünftige Gruppe zu haben, die an der Strategie arbeitet. Ich würde es gerne machen, aber wenn es jemand anderer macht, ist es mir genauso recht."

Grundsätzlich ist sein neues Aufgabengebiet anders definiert, denn der 53-Jährige ist bei Honda eben nicht mehr Technischer Direktor und Chefstratege, sondern Teamchef. Er wurde geholt, um in erster Linie die verschiedenen Abteilungen in der Fabrik in Brackley zum Harmonieren zu bringen - und um ganz konkret mit seinem technischen Input für Fortschritte zu sorgen. Aber ob er auch am Kommandostand sitzen wird, muss sich erst noch zeigen.

Bei Honda fühlt er sich jedenfalls glücklich: "Honda war das erste Team, mit dem ich gesprochen habe, denn sie passen zu meiner Denkweise. Von allen großen Herstellern in der Formel 1 ist Honda das einzige Unternehmen mit einer Rennsporttradition - Racing gehört hier zur DNA. Das war mir sehr wichtig, denn viele Entscheidungen, die wir treffen, beziehen sich nicht nur auf Budgets oder technische Belange, sondern auf pures Racing", philosophierte er.

Auf einmal geht es gegen Ferrari

"Wenn man so lange für ein Team arbeitet, dann entwickelt man unweigerlich eine Affinität zu dieser Organisation." Ross Brawn

Doch so wohl sich Brawn bei seinem neuen Arbeitgeber nach ein paar Wochen auch schon fühlen mag, so hängt er im Herzen natürlich immer noch ein wenig an Ferrari - auch wenn er ein Jahr Zeit hatte, um mit dem Kapitel abzuschließen, denn nach Maranello zurückkehren wollte er in Wahrheit nie, auch wenn dies offiziell immer so kommuniziert wurde. So oder so wird es aber ein merkwürdiges Gefühl sein, auf einmal gegen die roten Autos anzutreten.

"Es wird schon ein bisschen komisch", schmunzelte der Honda-Teamchef, der zwischen 1997 und 2006 bei Ferrari unter Vertrag stand. "Andererseits war es aber auch schon komisch, Benetton zu besiegen, als ich damals zu Ferrari gegangen bin. Wenn man so lange für ein Team arbeitet, dann entwickelt man unweigerlich eine Affinität zu dieser Organisation, also könnte es schon merkwürdig werden. Aber das wird mich sicher nicht zurückhalten!"