• 14.04.2009 12:19

Vasselon im Reifen-Interview: "Jetzt ist alles einfacher"

Toyotas Technischer Direktor Pascal Vasselon im Teaminterview über die neue Reifengeneration und die bestmögliche Nutzung der Formel-1-Slicks

(Motorsport-Total.com) - Erstmals seit 1997 sind die Formel-1-Boliden wieder auf Slicks unterwegs und werden dank Lieferant Bridgestone in diesem Jahr mit Einheitsreifen versorgt. Aufgrund der drastischen Reduzierung der Aerodynamik wohnt der Reifenthematik aber auch 2009 einen gewisse Brisanz inne, gilt es doch, die Gummis auf der Rennstrecke optimal einzusetzen. Toyotas Technischer Direktor Pascal Vasselon nahm als ehemaliger Michelin-Ingenieur im Teaminterview Stellung zu diesem Themenkomplex.

Titel-Bild zur News: Pascal Vasselon (Chefdesigner)

Pascal Vasselon und Toyota widmen sich 2009 verstärkt dem Reifenmanagement

Frage: "Pascal, kannst du uns erklären, warum die Reifen einen so großen Einfluss auf die Leistung eines Wagens haben?"
Pascal Vasselon: "Die Reifen beeinflussen die Performance eines Autos schlicht und ergreifend deshalb, weil sie die einzige Verbindung des Wagens zur Straße sind. Um ein Fahrzeug schnell zu machen, musst du eine gute Beschleunigung hinlegen können - und diese Kraft wird nun einmal durch die Reifen übertragen. Du kannst alles Mögliche an deinem Auto haben, aber wenn die Reifen nicht den richtigen Reibungskoeffizienten aufweisen, dann wirst du im Niemandsland herumfahren. Die Reifen haben sich zu einem der beiden größten Leistungsfaktoren in der Formel 1 entwickelt."#w1#

Die Lernphase hält an

Frage: "Wie gestaltet sich der Unterschied zwischen einem Einheitsreifen und einem Reifenkrieg zwischen mehreren Lieferanten?"
Vasselon: "Als wir in der jüngeren Vergangenheit noch einen Wettbewerb zwischen verschiedenen Reifenherstellern hatten, waren die Pneus der wichtigste Faktor überhaupt - noch vor der Aerodynamik. Momentan ist Bridgestone allerdings alleiniger Ausrüster der Formel 1, also werden die Reifen nicht mehr weiterentwickelt. Man muss sie stattdessen einfach nur richtig nutzen. Ich würde nicht sagen, dass es sich dabei um eine einfache Aufgabe handelt, nur weil es weniger knifflig ist, als die Gummis zu entwickeln.

"Es ist noch immer sehr wichtig zu lernen, wie sich eine Reifenmischung verhält." Pascal Vasselon

"So gesehen hat sich in dieser Situation das Leistungsranking etwas verändert und die Aerodynamik steht wieder an erster Stelle - die Reifen folgen auf P2. Jetzt ist aber alles etwas einfacher, denn die Reifen sind konstant und du musst nur lernen, wie du die Pneus zu behandeln hast. Wir befinden uns nicht mehr in einem Prozess, in dem du dein Wissen immer wieder auf den neusten Stand bringen musst, wie das beim Entwickeln der Reifen der Fall ist. Es ist noch immer sehr wichtig zu lernen, wie sich eine Reifenmischung verhält. Aber im Moment tun wir uns deutlich leichter, diese Situation komplett zu erfassen."

Frage: "Welche Charakteristiken muss ein Fahrzeug aufweisen, um seine Reifen bestmöglich auszunutzen?"
Vasselon: "Man muss die Reifen in einem für sie günstigen Temperaturfenster halten, damit sie genug Grip generieren können, ohne dabei zu überhitzen. Ein zu kalter Pneu entwickelt einfach nicht genug Grip und ein zu heißer Reifen wird zu schnell zerfallen und abbauen. In eben jenem optimalen Funktionsfenster müssen die Pneus gehalten werden, damit man sie nicht derart überbeansprucht, sodass sie nicht kaputt gehen. Man überprüft das Autosetup also sukzessive, um die Reifen in genau diesem Temperaturfenster zu halten, damit man die maximale Performance aus ihnen herausholen kann."

Die Reifenstrategie ist nach wie vor entscheidend

Frage: "Stellt die Reifennutzung in dieser Saison eine größere Herausforderung dar?"
Vasselon: "Die Herausforderung auf der Reifenseite ist größer als in der vergangenen Saison, weil die Gummis neu sind und wir uns wieder in einer Lernphase befinden. An jedem Rennwochenende erfahren wir wieder Neues darüber, wie sich die Reifenmischungen verhalten. In Sepang waren wir zum Beispiel erstmals mit der neuen harten Mischung unterwegs, womit wir keinerlei Testerfahrungen hatten. Uns blieben also nur die Trainingssessions, um etwas über diesen Reifentyp zu erfahren."

"Insgesamt sehen wir uns einigen Herausforderungen gegenüber." Pascal Vasselon

"Im Winter haben wir mit den anderen drei Mischungen getestet und wissen darüber entsprechend mehr. Dennoch können wir dabei nicht auf Daten aus den vorangegangenen Jahren zurückgreifen, wie das noch 2008 der Fall war. Das macht diese Geschichte zu einer großen Anforderung. Außerdem sind wir von Rillenreifen wieder zu Slicks übergegangen - und Letztere reagieren ganz anders auf Graining oder Temperaturen. Insgesamt sehen wir uns also einigen Herausforderungen gegenüber, aber das ist doch auch unheimlich interessant."

Frage: "Ist es aufgrund der größeren Unterschiede zwischen den beiden Reifenmischungen an einem Wochenende schwieriger geworden, eine passende Strategie zu wählen?"
Vasselon: "In diesem Jahr bringt Bridgestone zwei Gummimischungen an die Rennstrecken mit, die sich in Punkto Härte und Temperaturfenster deutlich voneinander unterscheiden. Im vergangenen Jahr kamen in Malaysia noch der mittlere und der harte Reifen zum Einsatz, in diesem Jahr waren wir auf weich und hart unterwegs. Das soll das Reifenmanagement kniffliger machen und diese Sache hat ganz gewiss das Potential, diesem Anspruch gerecht zu werden. Das konnten wir vor allem in Melbourne sehen, wo wir diesem Thema besondere Aufmerksamkeit zu schenken hatten."

Frage: "Warum war der Unterschied in Melbourne so bemerkenswert, nicht aber in Malaysia?"
Vasselon: "In Melbourne hatten wir die Situation, dass keine der beiden Reifenmischungen wirklich ideal für diese Rennstrecke und diese Bedingungen gewesen ist. Der super-weiche Reifen war einfach zu weich und der mittlere war schon zu hart. Daher war es schwierig, die Reifen im jeweils optimalen Temperaturfenster zum arbeiten zu bringen. In Sepang war das eine komplett andere Geschichte, denn dort haben beide Mischungen richtig gut funktioniert. Daher fiel uns das Reifenmanagement dort viel leichter."