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  • 23.06.2011 17:41

  • von Sven Haidinger & Dieter Rencken

V6-Triebwerke: Motorenbeschluss auf wackeligen Beinen

Der FOTA-Vorsitzende Martin Whitmarsh schwärmt vom Kompromiss in der Motorenfrage, doch der gestrige Beschluss der Formel-1-Kommission ist anfechtbar

(Motorsport-Total.com) - Der Streit um die künftige Motorenformel scheint beigelegt - die Formel-1-Kommission einigte sich gestern auf V6-Turbo-Triebwerke mit 1,6 Litern Hubraum ab dem Jahr 2014. Auf den ersten Blick konnte man damit die drohende Zerreißprobe verhindern - FIA-Boss Jean Todt und Renault hatten ab 2013 Vierzylinder-Turbomotoren mit 1,6 Litern Hubraum gefordert, Formel-1-Boss Bernie Ecclestone und die anderen Hersteller waren aber aus Marketing- und Kostengründen gegen die verbrauchsarmen und leisen Motoren.

Titel-Bild zur News:

Die Motoren erweisen sich derzeit als Zankapfel der Formel 1

"Wichtig ist, dass nun glücklicherweise Einigkeit bei den Herstellern herrscht", freut sich der Vorsitzende der Teamorganisation FOTA, Martin Whitmarsh. "Alle stimmten zu und befürworteten das, was extrem positiv ist. Die Teams stimmten zu und auch die Formel-1-Kommission stimmte mehrheitlich zu, was ein gutes Zeichen ist, denn bisher wurden unterschiedlichste Meinungen geäußert."

FIA-Gremien ignorieren eigene Statuten

Doch was auf den ersten Blick nach Einigkeit aussieht, ist noch lange nicht in Stein gemeißelt. Denn wie schon bei den bisherigen vermeintlichen Beschlüssen der Formel-1-Kommission in der Motorendiskussion ließ man einmal mehr außer Acht, dass dieses Gremium eigentlich gar nicht dazu befähigt ist, Reglemententwürfe zu erstellen.

Laut Concorde Agreement obliegt dies ausschließlich der Technischen Arbeitsgruppe, bestehend aus den Technikchefs der Teams, FIA-Rennleiter Charlie Whiting und Ecclestone, der jedoch nicht stimmberechtigt ist. Dieser ausgearbeitete Entwurf gelangt dann in der Formel-1-Kommission zur Abstimmung, die sich aus Repräsentanten von zwölf Teams, acht Strecken, zwei Sponsoren, einem Motorenhersteller, dem Reifenhersteller, Ecclestone und Todt zusammensetzt. Zur Absegnung eines Entwurfes benötigt es 18 von 26 Stimmen, der Motorsport-Weltrat beschließt schließlich das Reglement.

"Wichtig ist, dass bei den Herstellern nun glücklicherweise Einigkeit herrscht." Martin Whitmarsh

Beschluss anfechtbar

Der Fehler liegt nun einmal mehr darin, dass die im Concorde-Agreement festgelegten Statuten verletzt wurden, da der Reglemententwurf unrichtigerweise von der Formel-1-Kommission erstellt wurde. Das Gleiche geschah bereits im Dezember 2010 und am 3. Juni, als der Motorsport-Weltrat die bei Ecclestone und den Teams ungeliebten Vierzylinder-Turboaggregate mit 1,6 Litern Hubraum beschlossen hatte.

Die kleinen, leisen Triebwerke waren Ecclestone ein Dorn im Auge, daher drohte der Formel-1-Boss gegen die Art und Weise, wie die Entscheidung zustande kam, mit einer Klage vor einem ordentlichen Gericht. Auch wenn es derzeit danach aussieht, als könnten alle Beteiligten mit den V6-Turbomotoren leben, könnte sich dies nachträglich als Trugschluss herausstellten.

Die Entwicklung der Motoren ist ähnlich teuer wie bei den abgewendeten Vierzylinder-Aggregaten - dazu kommt, dass Renault bei diesen Aggregaten bereits in einem fortgeschrittenen Stadium war. Ebenso unklar ist derzeit, inwiefern der Mittelweg den Vorstellungen von Todt und Ecclestone entspricht, deren Positionen in der Debatte bisher weit auseinander lagen.

Whitmarsh hofft auf neue Hersteller

Zumindest Whitmarsh steht voll hinter der Entscheidung und erklärt die Gründe: "Langfristig müssen wir dafür sorgen, dass wir für viele Automobil-Hersteller attraktiv sind. Sie werden - abhängig von ihren Marketingbedürfnissen und -Prioritäten - die Formel 1 in regelmäßigen Abständen verlassen und wieder einsteigen. Das hat sich in der Geschichte der Formel 1 mehrmals gezeigt."

Laut dem Briten ist die aktuelle Lösung der goldene Mittelweg: "Die Welt erlebte eine Wirtschaftskrise und in der Automobil-Industrie gab es die größte Rezession aller Zeiten. Unser Timing (mit den Vierzylinder-Turbo-Motoren, Anm.) war vielleicht etwas übereilt und vielleicht etwas zu komprimiert. Es war daher richtig, das Bewährte zu behalten, was uns durch diese Einigung glaube ich gelungen ist."

"Langfristig müssen wir dafür sorgen, dass wir für viele Automobil-Hersteller attraktiv sind." Martin Whitmarsh

Während es mit dem Vierzylinder-Reglement nicht gelungen war, neue Hersteller anzulocken, verspricht sich Whitmarsh vom neuen Reglement deutlich mehr: "Ich hoffe der Formel 1 willen, dass neue Hersteller das Reglement in Zukunft relevant, interessant und stimulierend finden und aus diesem Grund zu einem gewissen Zeitpunkt in die Formel 1 einsteigen werden." Doch zunächst geht das bange Warten weiter, schließlich ist das neue Reglement alles andere als in Stein gemeißelt.