Trulli: "Die Lage ist unklar"
Toyota-Pilot Jarno Trulli im Interview über das ungewöhnliche Verhalten seines TF109, die Situation in der Formel 1 und seine Optionen für 2010
(Motorsport-Total.com) - Vor wenigen Tagen deutete Toyotas Teampräsident John Howett in einem Mediengespräch an, dass Jarno Trulli im kommenden Jahr eventuell nicht mehr für das japanisch-britische Team fahren könnte. Den Betreffenden kümmert das im Augenblick aber recht wenig, denn laut Trulli ist jetzt noch nicht die Zeit für solche Entscheidungen. Im Interview spricht der Italiener über seine Zukunftsplanungen.

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Grün ist die Hoffnung: Jarno Trulli würde gerne auch 2010 für Toyota fahren
Frage: "Jarno, wie siehst du nach den jüngsten Äußerungen von John Howett deine persönliche Zukunft bei Toyota? Er meinte, dass es kommerziell fragwürdig sei, dass du im Team bleibst..."
Jarno Trulli: "Im Augenblick denke ich nicht, dass ich auf irgendetwas reagieren muss. Das Team kann generell keine Entscheidung über irgendjemanden oder irgendetwas treffen."#w1#
"Ich weiß nicht, was John genau gesagt hat, doch er kam zu mir und hat sich dafür entschuldigt, wie man ihn zitiert hat. Ich habe einige mögliche Kontakte mit anderen Teams, doch jetzt ist es noch viel zu früh, um über solche Dinge zu reden."
Was macht Trulli 2010?
Frage: "Bringt es dich in eine schwierig Lage, einerseits ein Angebot in der Hinterhand zu haben und andererseits auf die Entscheidung von Toyota bezüglich des Budgets des Rennstalls zu warten?"
Trulli: "Eigentlich gehe ich davon aus, dass nur sehr wenige Fahrer ein gutes Angebot von einem starken Team vorliegen haben. In meinen Augen gibt es nur einige wenige solide Rennställe in der Formel 1. Das hängt auch mit der gegenwärtigen Wirtschaftssituation zusammen."
Frage: "Setzt dich diese Budgetsituation als Fahrer speziell unter Druck?"
Trulli: "Bis November hat das Team noch keine Bewilligung für das Budget des kommenden Jahres. Das Team kann also noch keinerlei Entscheidungen treffen. Meine Priorität ist, bei Toyota zu bleiben. Sobald das Budget feststeht, werden wir uns hinsetzen und darüber diskutieren, was in der kommenden Saison passieren wird."
Frage: "In welcher Situation befindet sich das Team im Augenblick? Machst du dir Sorgen darüber, dass es im kommenden Jahr überhaupt kein Toyota-Team mehr geben könnte?"
Trulli: "Für alle im Team ist die Lage unklar - für die Ingenieure, für die Mechaniker und für die Fahrer. Toyota hat eine Vielzahl von Angestellten, die in der Formel 1 beschäftigt sind. Daher will man das Team am Leben erhalten. Wie wir in den vergangenen Wochen gesehen haben, kann in der Formel 1 wirklich alles passieren."
"Wir müssen also bereit sein für jede sich bietende Möglichkeit. Wie ich schon sagte: Es gibt nur wenige Piloten, die schon von einer klaren Zukunft sprechen können. Toyota war in den vergangenen fünf Jahren meine Familie und ich habe zu jedem einzelnen eine sehr gute Beziehung - auch mit dem japanischen Teil des Teams. Für mich hat also Priorität, bei diesem Team zu bleiben."
Mysterium TF109
Frage: "Denkst du, das Team könnte in der kommenden Saison Siege einfahren, wo die Chancen in diesem Jahr doch eher zweifelhaft erscheinen?"
Trulli: "Wir sind sehr gut in dieses Jahr gestartet, doch in den jüngsten Rennen wussten wir einfach nicht, was los war. Es ist ein Auf und Ab bei uns. Der Rennwagen scheint ein Mysterium zu sein und verhält sich auf einmal anders, selbst wenn wir nichts verändert haben."
"Du kannst gleich beim Verlassen der Boxengasse spüren, ob das Auto schnell ist oder nicht. Die Ingenieure können das auch an den Daten ablesen - und davon haben wir nun schon reichlich gesammelt. Demnach hat das Fahrzeug manchmal keinen Grip. Das tritt manchmal an ein und demselben Wochenende auf, ohne dass wir etwas am Setup verändert hätten."
"Wir analysieren alles, können aber keine Lösung dafür finden. Diese Dinge sind sowohl Timo als auch mir passiert. Das ist sehr schade, denn das Auto hat die Geschwindigkeit. Wenn sich der Wagen sonst unerwartet verhalten hat, dann konnten wir den Ursachen bislang immer auf den Grund gehen."
Frage: "Schon beim Großen Preis von Australien zu Saisonbeginn hast du von einer ähnlichen Situation gesprochen..."
Trulli: "Ja, in Melbourne hatten wir eine ähnliche Situation. Wir waren im Training langsam. Am darauf folgenden Tag waren wir extrem schnell - und das, obwohl wir den Wagen nicht angefasst hatten."
"In solchen Situationen verlierst du deinen Schwung, denn du kannst nichts dagegen unternehmen. Egal, ob du nun schneller wirst oder langsamer - wir finden einfach keine Lösung für dieses Problem. Daher sind wir schlichtweg unsicher, was als nächstes passieren wird."
Geld ist der entscheidende Faktor
Frage: "Was sind in deinen Augen die wichtigsten Punkte, welche dich für ein anderes Formel-1-Team interessant machen könnten?"
Trulli: "Meiner Meinung nach verändert sich die Formel 1 sehr und ich gehe auch davon aus, dass sich die Anzahl der Teams verringern wird. Dann bleiben nur noch einige wenige übrig, die Rennen gewinnen können. Ich muss also eine Entscheidung treffen, was ich erreichen will. Noch ist es aber viel zu früh, um darüber nachzudenken oder darüber zu sprechen."
Frage: "Was denkst du über die Zukunft der Formel 1?"
Trulli: "In meinen Augen geht das alles in die Richtung der frühen 1990er-Jahre, als es nur wenige Herstellerteams gab und als viele Rennställe von den Herstellern mit Motoren ausgestattet wurden. Das wird der Trend sein, wenn sich die Hersteller zurückziehen - wie BMW vor einigen Wochen."
"Auf gewisse Weise findet diese Situation meine Zustimmung, denn die Ausgaben waren einfach viel zu hoch. Wir könnten einige neue Teams sehen, doch diesen Mannschaften fehlt es an Erfahrung. Diese gilt es erst einmal zu sammeln. Wenn du in der Formel 1 Erfahrung sammeln willst, dann bedeutet das aber auch, dass du immer Geld brauchst."

