Tost: So viel Toro Rosso wie noch nie im STR9
Teamchef Franz Tost erklärt, wie viel Prozent des Toro Rosso in Faenza entstanden, warum Renault der optimale Partner ist und wieso Kwjats Aufgabe bewältigbar ist
(Motorsport-Total.com) - Toro Rosso geht mit frischem Wind in die neue Saison: Technikchef James Key hat sich in Faenza längst eingelebt, zudem hat der Brite quer durch das Fahrerlager neue Leute für das Red-Bull-B-Team engagiert. Die prominenteste Neuverpflichtung ist mit Sicherheit der langjährige Williams-Renningenieur Xevi Pujolar, auch die Außenstelle rund um den Toro-Rosso-Windkanal im britischen Bicester wurde personell aufgewertet.

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STR9: Noch nie wurde ein so großer Anteil des neuen Autos in Faenza hergestellt Zoom
Dazu kommt, dass noch nie so viele Teile von Toro Rosso selbst angefertigt wurden wie beim neuen STR9. "Was die Werkstoffe angeht, fertigen wir jetzt um die 93 Prozent aller Teile im eigenen Haus", erklärt Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost auf Anfrage von 'Motorsport-Total.com'. Und geht ins Detail: "Wir stellen das Chassis, den Frontflügel, den Heckflügel, die Nase, die Motorenabdeckung und die Seitenkästen in unserer Fabrik her."
Das gelte auch für die Bremsbelüftungen, den Sitz und das Lenkrad und Teile der Radaufhängung. Nur die hintere und die seitliche Crashstruktur bezieht man beim großen Schwesterteam Red Bull - zudem verwendet man dieses Jahr erstmals den gleichen Antriebsstrang wie die Weltmeister-Truppe.
Tost: Räumliche Distanz zu Renault kein Nachteil
Dadurch steigt die räumliche Distanz zum Motorenhersteller deutlich an, denn während der Ferrari-Sitz in Maranello nur rund eine Autostunde entfernt war, benötigt man zur Renault-Fabrik in Viry zunächst zwei Stunden mit dem Flugzeug nach Paris, um überhaupt in die Nähe zu kommen.
Laut Tost überwiegen die Vorteile der neuen Kooperation mit den Franzosen aber ganz klar: Der Österreicher lobt zwar die "gute Geschäftsbeziehung" zu Ferrari, durch Renault könne man aber "die Synergien mit Red Bull nutzen". Das sei "der Hauptgrund für den Wechsel" gewesen: "Sie arbeiten bereits seit vielen Jahren sehr erfolgreich mit Renault zusammen. Aus diesem Grund bin ich ziemlich zuversichtlich, dass wir durch diese Synergien unsere Performance verbessern können."
Der logistische Nachteil falle dabei nicht ins Gewicht: "Man sieht sich an jedem zweiten Wochenende bei den Rennen. Dazwischen ist es recht einfach, zwischen Faenza und Paris eine Geschäftsbeziehung aufzubauen. Bislang habe ich diesbezüglich überhaupt keine Probleme bemerkt. Da ist alles in Ordnung."
STR9: Enorme Vorlaufzeit
Abgesehen davon hat Toro Rosso aber harte Monate hinter sich: Das neue Reglement brachte das kleine Team an seine Grenzen. Es sei "auf alle Fälle" viel komplizierter als in den vergangenen Jahren gewesen, das neue Auto für den ersten Test einsatzbereit zu machen, "weil das Reglement dermaßen viel Neues bringt".
"Das betrifft ja nicht nur die Antriebseinheit, sondern das gesamte Auto", seufzt Tost. "Man muss sich vorstellen, dass wir vor allem bei der Kühlung sehr kreativ sein müssen, denn all die Systeme müssen natürlich auch gekühlt werden, und deshalb sind auch die Kühler relativ groß geraten, deshalb sind auch die Seitenkästen etwas voluminöser ausgefallen." Er deutet aber an, dass der STR9 im Laufe der nächsten Wochen noch schlanker wird: "Das werden wir in den Griff bekommen."
Die Vorlaufzeit war diesmal so lange wie noch nie: "Wir haben bereits 2012 erste Konzeptstudien erstellt und zusätzliche Ingenieure für unser Designbüro engagiert. Auch bei IT und Elektronik hatten wir wegen des neuen Reglements mehr Arbeit zu bewältigen als in der Vergangenheit." Da man die Herkulesaufgabe bereits im Vorfeld richtig einschätzte, konnte man reagieren und die betroffen Abteilungen stärken. "Hoffentlich sind wir am Ende damit erfolgreich", sagt Tost.
Keine Stabilität bei den Piloten

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Neue Paarung: Daniel Kwjat ist der neue Herausforderer von Jean-Eric Vergne Zoom
Auch bei den Piloten gibt es - wieder einmal - eine Änderung: Daniel Ricciardo, der als Teamkollege von Sebastian Vettel zu Red Bull aufgestiegen ist, wird durch den erst 19-jährigen Red-Bull-Junior Daniil Kwjat ersetzt. Damit muss Toro Rosso wieder einmal einen Piloten von der Pike auf mit der Formel 1 vertraut machen.
Für Tost ist dies aber "keineswegs frustrierend", auch wenn dadurch bei Toro Rosso kaum Stabilität einkehren kann. "Es ist die Philosophie von Toro Rosso, junge Fahrer für Red Bull auszubilden - das ist einer der Hauptgründe, warum Mateschitz und Red Bull dieses Team gekauft haben", argumentiert er seine Gelassenheit. "Ich bin glücklich und hoffe, dass Ricciardo bei Red Bull gute Arbeit leisten wird. Mit JEV (Jean-Eric Vergne, Anm.) und Daniil haben wir einen erfahrenen und einen jungen Fahrer. Alles andere wird die Saison zeigen."
Tost überzeugt: Neues Reglement für Kwjat kein Stolperstein
Im Fahrerlager gibt es unterschiedliche Ansichten, ob 2014 für Kwjat ein gutes Jahr ist, um in die Formel 1 einzusteigen. Einerseits müssen sich durch die Reglementänderungen alle Piloten neu einstellen, andererseits spürt dies Kwjat stärker als seine routinierten Rivalen, da sie zumindest mit der grundsätzlichen Arbeitsweise in der Formel 1 vertraut sind.
"Es ist dieses Jahr sicher nicht einfach", ist Tost bewusst, dass Kwjat vor einer großen Herausforderung steht. Am Ende liegt es laut dem Teamchef aber immer am Piloten selbst, ganz egal wie gravierend die Änderungen ausfallen: "Je begabter und klüger ein Fahrer ist, desto einfacher ist es für ihn, sich an Veränderungen anzupassen."
Zudem wird die Rolle des Ingenieurs laut Tost dieses Jahr durch die Komplexität des neuen Reglements aufgewertet, was sich ebenfalls positiv auswirken könnte: "Der Ingenieur wird also entscheiden, mit welcher Einstellung gefahren wird, der Fahrer wird das über den Boxenfunk erfahren und muss dann nur den Schalter auf dem Lenkrad betätigen. Daher sehe ich es nicht als Nachteil, dieses Jahr als junger Fahrer mit der Formel 1 anzufangen, obwohl es nicht so einfach wie in der Vergangenheit mit den V8-Motoren ist."

