Todt hebt auch nach zweitem Sieg nicht ab

Teamchef Jean Todt sieht Ferrari auf dem Vormarsch, unterschätzt die Konkurrenz aber nicht - Begeisterung lodert wieder: "Ferrari ist etwas Einmaliges"

(Motorsport-Total.com) - Nach zwei Siegen en suite liegt Ferrari zwar mit 13 Punkten Rückstand in der Fahrer- und 16 in der Konstrukteurswertung noch nicht auf WM-Kurs, doch der Traditionsrennstall scheint zumindest die Nachwehen der sportlichen Krise von 2005 endgültig überwunden zu haben. Entsprechend gut gelaunt präsentierte sich Teamchef Jean Todt nach dem heutigen Rennen am Nürburgring.

Titel-Bild zur News: Michael Schumacher und Jean Todt

Jean Todt war einer der ersten Gratulanten nach Schumachers Sieg

"Am wichtigsten für uns ist, dass wir wieder wichtige Punkte sammeln, dass wir wieder Rennen gewinnen können", strahlte er. Dennoch wollte sich der Franzose nicht zu weit aus dem Fenster lehnen: "Es kommt aber nicht überraschend, dass gleich drei Teams in der Meisterschaft stark sind. Was heute gilt, kann in fünf Grands Prix schon wieder ganz anders sein. Wir wissen, wie wichtig die Weiterentwicklung während der Saison ist, also wollen wir zu jedem Rennen etwas Neues bringen."#w1#

Todt warnt vor Räikkönen und Honda

"Räikkönen kam in der 23. Runde an die Box, hatte also zehn bis 15 Kilogramm mehr Benzin an Bord. Das wertet seine Zeit im Qualifying im Nachhinein auf. Im Rennen kam er vier Sekunden hinter dem Sieger ins Ziel. Diesmal lief es eben nicht unbedingt für sie, aber das könnte nächstes Mal sehr wohl der Fall sein", zeigte er Respekt vor der Konkurrenz. "Auch Honda ist sehr stark. Sie können sich weiterentwickeln und auch zu ernstzunehmenden Rivalen werden."

Todt strahlte in den üblichen Interviews nach dem Rennen eine glaubwürdige Zuversicht aus, doch der "Napoleon" wäre nicht er selbst, würde er schon aufgrund von zwei Siegen in eine Euphorie verfallen. Im Gegenteil: Der Ferrari-Teamchef weiß, dass seine Truppe zwar auf dem richtigen Weg ist, es aufgrund des Punktesystems aber dennoch schwer haben wird, rasch zu Renault aufzuschließen. Den Kreditrahmen an Fehlern hat Ferrari jedenfalls schon bei den Überseerennen aufgebraucht.

Schwache Saison 2005 war eine Motivation

Im Moment läuft es aber: "Vor 2005", erklärte Todt der 'Welt am Sonntag', "haben wir jedes Jahr sehr präzise, schnell und intelligent auf die verschiedensten Regeländerungen reagiert. Letztes Jahr nicht. Vor allem auf dem Reifensektor haben wir nicht verstanden, warum wir manchmal leistungsfähig waren und manchmal nicht. Vielleicht lag es auch daran, dass die Ferrari-Mannschaft ein bisschen langsamer geworden war. Auch diese Erkenntnis hat uns für dieses Jahr einen großen Energieschub verpasst."

Michael Schumacher

Ferrari ist wieder da: Michael Schumacher gewann nach Imola auch am Nürburgring Zoom

Dass nach elf WM-Titeln innerhalb von sechs Jahren irgendwann ein Einbruch kommen würde, war ihm immer klar; dass Ferrari nach einem Durchhänger von nur einer Saison schon 2006 wieder auf die Siegerstraße einbiegen könnte, war angesichts der in der Formel 1 üblichen Wellenbewegungen aber nicht unbedingt abzusehen. Die Italiener sind nun jedoch auf dem besten Weg dazu, kräftig am Thron von Renault und Fernando Alonso zu rütteln.

Dabei hat Todt mit Ferrari schon alles erlebt, was man in seiner Position erleben kann: "Es mag nicht sehr bescheiden klingen, aber manchmal bin ich von mir selbst beeindruckt, wie ich diese emotionalen Höhen und Tiefen überstanden habe, vor allem über diese lange Zeit", sprach er fast 14 Jahre zwischen Erfolg und Misserfolg an. "Ich glaube, ich bin der einzige Ferrari-Rennleiter, der über einen so langen Zeitraum in Maranello überlebt hat."

Todt schwärmt über den Mythos Ferrari

"Ferrari ist etwas Einmaliges. Ferrari lässt die Menschen auf der ganzen Welt anders reagieren", lieferte er ein Argument, warum er sich den Stress der Formel 1 auch mit 60 Jahren noch antut. "Es gibt Menschen, die pilgern nach Lourdes, andere nach Rom zum Papst. Und dann gibt es welche, die lieben Ferrari und pilgern nach Maranello. Da existiert eine kleine Fabrik in einer kleinen italienischen Provinzstadt - überhaupt nicht vergleichbar mit dem, was die meisten unserer Konkurrenten herzeigen."

Todt ist aber bewusst, dass diese weltweite Sonderstellung auch eine Menge Druck mit sich bringt: "Wir in Maranello wissen: Ohne Erfolge würden dieser wunderbare Ferrari-Mythos und die Marke nicht weiter existieren", gab der Franzose zu Protokoll. Allerdings empfindet er diese Tatsache weniger als Belastung, sondern vielmehr als positive Verantwortung und Ansporn: "Gibt es eine schönere Gemeinsamkeit und Motivation?"