• 06.08.2006 23:33

Todt: "Es hätte viel enttäuschender sein können"

Ferrari-Teamchef Jean Todt über das Regenfiasko von Ungarn, die fast unveränderte WM-Situation und den Premierensieg von Jenson Button

(Motorsport-Total.com) - Nach jedem Rennen trommelt Ferrari-Pressechef Luca Colajanni in der Hospitality des Teams ein paar auserwählte Journalisten zusammen, die anschließend in einer kurzen Interviewrunde Jean Todt ihre Fragen stellen dürfen. Nach dem Grand Prix von Ungarn analysierte der Franzose den 13. WM-Lauf, allerdings zu einem Zeitpunkt, als die Disqualifikation von Robert Kubica noch nicht feststand. Dadurch wusste er auch nichts vom Aufrücken von Felipe Massa und Michael Schumacher auf die Positionen sieben und acht.

Titel-Bild zur News: Jean Todt

Jean Todt weiß, dass Schumacher nun in fünf Rennen zehn Punkte aufholen muss

Frage: "Jean, das war heute eine Lotterie, aber wenn man Weltmeister werden will, sollte man eben auch Lotterien gewinnen..."
Jean Todt: "Wenn man Lotterie spielt, will man gewinnen! Wir hatten in diesem Rennen Höhen und Tiefen. Am Ende ist der Unterschied in der Weltmeisterschaft marginal. Wir haben den Abstand in der Konstrukteurs-WM um einen Punkt verringert, aber zu bestimmten Phasen sah es ja schon viel schlechter aus. Am Anfang waren wir zu langsam. Als die Strecke abtrocknete, lief es viel besser. Leider konnten wir daraus keinen Nutzen ziehen. Im Nachhinein sagt sich immer leicht, was man anders hätte machen können, aber so ist der Rennsport eben."#w1#

Reifenwahl war nur zu Beginn falsch

"Man konnte eindeutig erkennen, dass wir für die Anfangsphase nicht die richtigen Reifen hatten." Jean Todt

Frage: "Glaubst du, dass die Reifenwahl richtig war?"
Todt: "Wenn man von der Reifenwahl spricht, ist es wichtig, dass man sieht, welches Auto zu einem bestimmten Zeitpunkt welche Reifen drauf hat. Man konnte eindeutig erkennen, dass wir für die Anfangsphase nicht die richtigen Reifen hatten, aber als es abtrocknete, waren all jene, die die gleichen Reifen hatten wie wir, in einer besseren Ausgangsposition."

Frage: "Eure Fahrer waren phasenweise die schnellsten auf der Strecke."
Todt: "Mit den richtigen Reifen."

Frage: "Werdet ihr nun mit Bridgestone an den Intermediate- und Regenreifen arbeiten oder sagt ihr, dass Regenrennen so selten vorkommen, dass ihr euch nur auf die Trockenreifen konzentriert?"
Todt: "Wir haben mehr Gelegenheit, Trockenreifen zu testen, aber wenn es mal passiert, muss man geeignete Regenreifen haben. Es war vor heute schon ein Weilchen her. Heute sah es in einem Teil des Rennens definitiv nicht gut für uns aus, dafür lief ein anderer Teil eher in unsere Richtung."

Frage: "Was ging dir nach Michael Schumachers Kollision mit Nick Heidfeld durch den Kopf?"
Todt: "Ich habe Michael am Funk sagen gehört, dass das Auto unfahrbar sei und dass er aufgeben müsse."

Frage: "Michael Schumacher sagt, dass es in seiner Natur liegt, immer zu fighten, aber habt ihr ihm nicht am Funk gesagt, dass er sich ein bisschen am Riemen packen soll?"
Todt: "Nein, denn wir wollten ihn nach dem, was passiert war, nicht stören. Vielleicht hätten wir etwas sagen sollen, aber wenn die Dinge einmal vorbei sind, sagt sich das halt immer leicht."

Ferrari hätte viel Boden verlieren können

"Wir beginnen gerade, es zu verdauen." Jean Todt

Frage: "Wie enttäuschend ist so ein Wochenende?"
Todt: "Wir beginnen gerade, es zu verdauen. Es hätte viel enttäuschender sein können."

Frage: "Wie schätzt du nun eure WM-Chancen ein?"
Todt: "Es ist ein Rennen weniger zu fahren, also gibt es eine kleine Veränderung. Diese Veränderung hätte viel schlimmer gegen uns ausfallen können, aber auch viel besser für uns, aber so ist das nun mal im Rennsport. So ist es passiert. Was wirklich zählt, ist der eine Punkt Rückstand weniger bei den Konstrukteuren, plus der eine Punkt für Felipe."

Frage: "Ist es nicht eine merkwürdige Gerechtigkeit, dass ihr nach den Zeitstrafen und diesem Rennen mit unveränderter Situation nach Hause fliegen müsst?"
Todt: "Was ist Gerechtigkeit? Es hängt davon ab, was man unter Gerechtigkeit versteht. Wenn wir von Gerechtigkeit sprechen, dann wurden wir benachteiligt. Das ist alles, was ich sagen kann."

Frage: "Findest du, dass die Zeitstrafe für Michael Schumacher im Qualifying unfair war?"
Todt: "Ich denke, da muss man sich das Video anschauen. Jeder sollte anhand dessen sein eigenes Urteil fällen."

Frage: "War es deiner Meinung nach ein Spielchen von Fernando Alonso, dass er nicht aus der letzten Kurve beschleunigt hat, um Michael Schumacher zu einem verbotenen Überholmanöver zu zwingen?"
Todt: "Ich möchte das nicht kommentieren, weil es ja sowieso nichts ändern würde. Ich habe eine sehr eindeutige Meinung dazu, aber die wird sich nicht ändern."

Beifall für Buttons ersten Sieg

Frage: "Was sagst du zu Jenson Buttons erstem Sieg?"
Todt: "Es war ein Hindernisrennen! Er startete vom 14. Platz, gewann das Rennen und machte einen brillanten Job. Er verdient diesen Erfolg."

Michael Schumacher

Michael Schumacher erbte in Ungarn trotz dieses Ausfalls noch einen WM-Punkt Zoom

Frage: "Muss er jetzt auch zur ersten Gruppe der Spitzenfahrer gezählt werden?"
Todt: "Ich denke, dass man so einen Schluss nicht voreilig nach einem Sieg machen sollte. Da muss man vorsichtig sein."

Frage: "Du hast schon einige erste Siege von Fahrern miterlebt. Was kann das bei jemandem bewirken?"
Todt: "Man setzt sich den ersten Erfolg immer als Ziel. Wenn man das einmal geschafft hat, dann will man den zweiten Sieg. Eines steht fest: Wenn man in einer Karriere nur einmal gewinnt, dann ist das ein besonderer Meilenstein."

Frage: "Plant ihr immer noch, eure Fahrerpaarung in Monza bekannt zu geben?"
Todt: "Daran hat sich nichts geändert."

Frage: "Werdet ihr eure technische Besetzung ebenfalls in Monza bekannt geben oder erst wie angekündigt am Saisonende?"
Todt: "Auch da hat sich nichts geändert."