Tilke: "Haben Styropormarkt für ein Jahr weggekauft"

Shanghai-Stararchitekt Hermann Tilke hat sich mit der Strecke für den China-Grand-Prix selbst ein Denkmal gesetzt

(Motorsport-Total.com) - Weil kein anderer Architekt in den letzten Jahren so viele Formel-1-Strecken entworfen hat, wird Hermann Tilke von der Presse schon als "Herr der Ringe" gefeiert. Nach Sepang, dem neuen Hockenheimring und Bahrain hat er sich nun mit dem schätzungsweise 400 Millionen Euro teuren Projekt in Shanghai ein beeindruckendes Denkmal gesetzt.

Titel-Bild zur News: Hermann Tilke

Hermann Tilke hat sich mit dem Shanghai-Projekt selbst übertroffen

Der 'Shanghai International Circuit' ist ohne jeden Zweifel die modernste Rennstrecke der Welt - schon beim Betrachten von Bildern läuft es einem kalt den Rücken hinunter. Hinter dem Mega-Projekt steckt aber nicht nur der Glamour, der heute optisch zu sehen ist, sondern in erster Linie drei Jahre harte Arbeit, logistische Herausforderungen verschiedenster Art, kulturelle und sprachliche Barrieren sowie vor allem jede Menge Geld.#w1#

40.000 Betonpfähle für einen stabilen Untergrund

Die größte Schwierigkeit beim Bau war nicht etwa das Instandsetzen des futuristisch anmutenden Flügelprofils über der Start- und Zielgerade, sondern vielmehr das Absichern des Bodens. Unter der Strecke befindet sich mehr oder weniger eine Sumpflandschaft, gegen die man mit 40.000 Betonpfählen mit 25 bis 80 Metern Länge ankämpfen musste, auf die aus Gewichtsgründen keine Beton-, sondern eine Styroporschicht aufgelegt wurde.

"Zwischendurch stellte sich das Problem, woher wir weiteres Styropor erhalten", erinnerte sich Tilke im 'Motorsport-aktuell'-Interview. "Wir haben den chinesischen Markt für ein Jahr weggekauft!" Und weiter: "Die modellierte Landschaft also besteht aus Styropor, mit zwei Metern Erde drauf. Styropor wiegt nur ein Zehntel von Erde." So musste vorgegangen werden, um nicht gezwungen zu sein, die angesprochenen Betonpfähle noch tiefer abzusenken.

In der Zusammenarbeit mit den Chinesen hat es laut dem Aachener "erstaunlich wenige Probleme" gegeben: "Während der Bauzeit waren von uns ständig 20 bis 25 Mitarbeiter auf dem Areal, es entwickelte sich eine gute Beziehung. Gemäß der chinesischen Tradition ging man zusammen Essen und Trinken. Inzwischen reden die Chinesen einige Brocken Deutsch und unsere Leute ein wenig Chinesisch."

Kulturelle Barrieren waren schnell überwunden

Tilke erklärte außerdem, es habe anfangs oftmals Meetings gegeben, in denen die Chinesen laut wurden, aber "nach einiger Zeit merkt man, es wird einfach sehr lebhaft diskutiert. Die Chinesen wirken überaus emotional, aber das ist ihre Mentalität. Am Ende einer solchen Sitzung geht man ein Bier trinken und alles ist in Ordnung." Prinzipiell habe die Zusammenarbeit der beiden Teams in Aachen und Shanghai aber zufrieden stellend funktioniert.

Der erste Kontakt mit den Verantwortlichen aus China verlief dafür umso reibungsloser: "Wir glaubten, die eine oder andere Idee würde gewiss dem Rotstift zum Opfer fallen", so Tilke über die Präsentation des ersten Entwurfs in Shanghai. "Wir stellten die Pläne dem Oberbürgermeister vor, dann passierte etwas bei solchen Projekten Ungewöhnliches. Er sagte: 'So machen wir das.'" Anschließend begann die Suche nach einem Grundstück, in die der Architekt ebenfalls eingebunden wurde.

Wenn am kommenden Sonntag erstmals die Formel 1 in China gastiert, werden 170.000 Besucher erwartet - das größte Zuschaueraufkommen bei einem Grand Prix in dieser Saison. Tilke: "Gezwungenermaßen gibt das ein Verkehrsproblem. Das meine ich nicht abschätzig, sondern objektiv." Mit einem unterirdischen Bahnhof direkt an der Strecke, der 2006 in Betrieb genommen werden soll, will man dies aber in den Griff bekommen.