• 31.12.2006 14:39

Theissen spricht sich gegen Kundenautos aus

Weil er befürchtet, dass die unabhängigen Teams aussterben könnten, spricht sich BMW Motorsport Direktor Mario Theissen gegen Kundenautos aus

(Motorsport-Total.com) - Weil die Scuderia Toro Rosso und Super Aguri ernsthaft darüber nachdenken, 2007 leicht modifizierte Chassis von ihren jeweiligen "großen Brüdern" Red Bull Racing beziehungsweise Honda einzusetzen, tobt hinter den Kulissen der Formel 1 gerade eine hitzige Diskussion über Kundenautos. Die Front gegen deren Freigabe wird nämlich immer breiter.

Titel-Bild zur News: Mario Theissen

Mario Theissen zählt sich zu den Gegnern von Kundenautos in der Formel 1

Ursprünglich wehrte sich vor allem Spyker-Teamchef Colin Kolles gegen eine Lockerung des alten Grundsatzes, dass jeder Rennstall sein eigenes Chassis bauen muss, doch in den vergangenen Wochen schlossen sich dem Deutschen immer mehr Kollegen an. Sollten die Scuderia Toro Rosso und Super Aguri auf ihrem Standpunkt bestehen bleiben, könnte die Konkurrenz sogar vor Gericht ziehen, um ein Antreten mit Kundenautos zu unterbinden.#w1#

Kundenautos ab 2008 völlig legal

BMW Motorsport Direktor Mario Theissen findet jedoch, dass es in der Diskussion nicht nur um die strittigen 2007er-Einsätze gehen sollte, sondern auch um 2008 und danach - laut FIA wäre der Einsatz von Kundenautos dann ja völlig legitim. Dies soll es den unabhängigen Teams ermöglichen, für weniger Geld als bisher konkurrenzfähig zu sein. Sprich: Prodrive könnte mit einem umlackierten McLaren-Mercedes ohne großen Aufwand als silbernes B-Team an den Start gehen.

"Ich denke nicht, dass es gut ist, Chassis an ein zweites Team zu verkaufen." Mario Theissen

"Ich denke nicht, dass es gut ist, Chassis an ein zweites Team zu verkaufen", erklärte Theissen gegenüber unseren Kollegen von 'autosport.com'. "Die ursprüngliche Idee war, den kleinen Teams dabei zu helfen, in der Formel 1 konkurrenzfähig zu werden. Das ist ein guter Ansatz - und es würde ihnen ja sicher helfen, wenn sie ein Chassis kaufen könnten und dafür nicht 360 Leute für Design und Produktion einstellen müssten."

"Andererseits würde sich mit der Einführung einer solchen Regel die Einstellung der unabhängigen Teams ändern. Heute haben wir unabhängige Teams, die konkurrenzfähig sein wollen, die sich als eines von zwölf Teams sehen, die um Erfolg kämpfen. Bei Kaufautos denke ich jedoch, dass wir sehr bald sechs plus sechs Teams haben würden - oder anders ausgedrückt: sechs Programme zu je vier Autos", so der Deutsche. "Man muss sich fragen, ob das gut für die Formel 1 wäre."

Mehr Macht für die Herstellerteams?

Theissens Befürchtung: Weil unabhängige Teams wie Williams schon heute mit dem Rücken zur Wand stehen, gehen sie kommerziell sinnvolle Partnerschaften mit Werksteams wie Toyota ein. In solchen Partnerschaften spielen sie jedoch meistens nur die zweite Geige, so dass sie früher oder später immer weiter nach hinten durchgereicht werden und ihre Eigenständigkeit verlieren - wie ein klassisches B-Team eben.

"Ich denke, es wird die Formel 1 grundlegend verändern." Mario Theissen

"Dies ist eine ernsthafte Angelegenheit", mahnte der BMW Motorsport Direktor. "Ich denke, es wird die Formel 1 grundlegend verändern. Meine Angst ist, dass es in Zukunft unabhängige Teams geben wird, die nicht mehr unabhängig sind. Jeder Hersteller würde sicher über ein zweites Team nachdenken, aber das würde zur Situation führen, dass ein Team vier Autos kontrolliert - und vielleicht drei davon einsetzt, um einen Topfahrer zu unterstützen."

BMW möchte daher die aktuelle Situation mit einem gesunden Engagement der Automobilindustrie in der Formel 1 beibehalten, gleichzeitig aber auch die Eigenständigkeit der verbliebenen unabhängigen Teams garantiert wissen. Die Kundenautoidee sei nämlich nur als kurzfristiges Entgegenkommen für die finanziell schwächeren Rennställe zu sehen, während langfristig genau der gegenteilige Effekt auftreten könnte...