• 24.05.2008 20:40

  • von Dieter Rencken

Theissen: Heidfeld, Hersteller und Co.

Mario Theissen im ausführlichen Gespräch über den Durchhänger von Nick Heidfeld und das verschobene Meeting der Motorentechniker

(Motorsport-Total.com) - Gestern hat 'Motorsport-Total.com' enthüllt, dass in Monaco eigentlich ein von der FIA einberufenes Meeting über das Motorenreglement stattfinden hätte sollen, das aber auf Druck der Hersteller abgesagt wurde. Wir haben BMW Motorsport Direktor Mario Theissen heute dazu befragt. Außerdem sprach er in seiner Medienrunde über den derzeitigen Durchhänger von Nick Heidfeld.

Titel-Bild zur News: Mario Theissen

Mario Theissen hofft, dass sich Nick Heidfeld bald hochrappeln wird

Frage: "Herr Theissen, Nick Heidfeld heute wieder nur 13. Er sagt, er bringt die Reifen nicht auf Temperatur. Sie haben gesagt, diesen robusten Fahrstil kann man üben beim Testen..."
Mario Theissen: "Klar. Nick probiert das auch, aber bisher hat das noch nicht zum Erfolg geführt, wie wir heute gesehen haben."#w1#

Heidfeld unter Druck am besten

Frage: "Im Qualifyingduell steht es 6:0 für Robert Kubica. Geht ihm das an die Psyche?"
Theissen: "Klar macht ihm das keinen Spaß. Ich habe Nick schon oft unter Druck erlebt - und unter Druck war er immer am stärksten. Das fing schon an damals bei Williams mit der Ausscheidung, ob er den Platz kriegt. Bei Nick weiß ich: Er kann mit Druck umgehen und er kann die Technik mit den Ingenieuren aufarbeiten. Das sind eigentlich die zwei richtigen Voraussetzungen, um so ein Thema zu überwinden."

Frage: "Wenn es morgen regnet, darf man nicht mehr viel am Auto ändern. Ist da heute schon gegambelt worden?"
Theissen: "Nein, überhaupt nicht. Ich weiß nicht, was die anderen tun, aber ich glaube, das ist bei denen nicht anders. Dazu ist die Wettervorhersage zu unsicher."

Frage: "Was könnte man theoretisch noch machen?"
Theissen: "Jetzt kann man nur noch am Frontflügel etwas machen. Das Setup steht. Aber wir haben gesehen: Wenn das Auto einmal rollt und die Reifen warm sind, dann ist auch das Problem nicht mehr da. Ich rechne nicht damit, dass das im Rennen ein Problem sein wird."

"Wenn das Auto einmal rollt und die Reifen warm sind, dann ist auch das Problem nicht mehr da." Mario Theissen

Frage: "Was könnte das Problem im Rennen werden?"
Theissen: "Dass zwölf Autos vor ihm stehen! Es ist hier fast unmöglich, von 13 noch in die Punkte zu fahren - es sei denn, es regnet und es passiert einiges vor ihm."

Frage: "Nick war heute sehr enttäuscht. Was kann das Team tun, um ihn aufzubauen?"
Theissen: "In die Technikanalyse reingehen, mit ihm zusammen. Wir müssen eruieren, ob wir einen Faktor isolieren können, der ihn mehr behindert als Robert oder vielleicht sogar Robert entgegenkommt und ihn stört. Das müssen wir verstehen. Das geht nur gemeinsam und das läuft schon an. Die sitzen gerade beisammen."

Frage: "Machen Sie sich Sorgen um ihn?"
Theissen: "Ich mache mir schon Sorgen um die Performance, natürlich. Wenn wir nicht da stehen, wo wir sein wollen oder glauben hinzugehören, dann muss man sich Sorgen machen. Das gilt genauso für die Technik wie für die Fahrer."

Analyse wird in Gang gesetzt

Frage: "Nick sagt, es liegt an seinem Fahrstil. Kann man das durch die Technik auflösen?"
Theissen: "Ich glaube schon. Wir haben natürlich detaillierte Mitschriebe - Kurvengeschwindigkeiten, das Einlenken, wie fährt er die Kurven an. Wir kriegen dadurch auch Aussagen über den Grip, den die Reifen unter diesen Bedingungen aufbauen. Da können wir einiges rauslesen, aber das ist Detailarbeit und das müssen sie gemeinsam machen."

Frage: "Wie wäre es denn, wenn man Roberts Renningenieur einmal Nick zur Verfügung stellen würde?"
Theissen: "Sicher nicht einfach - für beide Fahrer und für beide Renningenieure nicht. So einfach hin und her zu springen, das macht überhaupt keinen Sinn. Aber wir haben natürlich nicht nur einen Renningenieur für jeden Fahrer, sondern wir haben auch einen Chief-Track-Engineer, der auf beide Autos schaut, der genau im Auge hat, welche Unterschiede es bei den Autos gibt, wie die Vorgehensweisen sind. Der führt die Renningenieure. Das ist sowieso die Vorgehensweise, dass alles, was auf einem Auto passiert, dem anderen Team bekannt ist. Das ist also nicht die Lösung. Was wir sehr wohl tun, ist, dass wir auch Know-how von zu Hause einbinden, sprich die Designabteilung."

"So einfach hin und her zu springen, das macht überhaupt keinen Sinn." Mario Theissen

Frage: "An diesem Wochenende sieht es so aus, als seien Ferrari und McLaren-Mercedes vorne. Haben Sie Angst, den Anschluss zu verlieren?"
Theissen: "Nein, ich habe keine Angst. Es ist sicher so, dass wir hier und auch in Istanbul langsamer als die beiden anderen waren. Schauen wir mal, wie es morgen ist, aber heute war es so. Das heißt, wir müssen bei der Entwicklung Gas geben."

Frage: "Robert vermutet, dass Ferrari und McLaren-Mercedes größere Schritte gemacht haben als Sie. Sehen Sie das auch so?"
Theissen: "Da möchte ich erst Montréal abwarten. Hier hätte ich damit gerechnet, näher dran zu sein, aber andererseits hatte auch Robert ein paar Reifenprobleme. Daher sollten wir abwarten."

Neue Safety-Car-Regel ab Kanada?

Frage: "In Barcelona hatte Nick Pech mit der umstrittenen Safety-Car-Regel. Zeichnet sich da inzwischen eine neue Lösung ab?"
Theissen: "Es gibt mehrere Vorschläge. Ich denke, dass sie für Montréal etwas einführen werden, aber ich weiß nicht was. Die ultimative Lösung wäre, die Geschwindigkeit elektronisch zu regeln. Aber das lässt sich nicht in zwei oder drei Wochen umsetzen."

Frage: "Die Motorenhersteller haben für dieses Wochenende eine Einladung von Max Mosley bekommen, aber Sie haben diese gemeinsam mit allen anderen Herstellern abgelehnt. Können Sie die Hintergründe erläutern?"
Theissen: "Die Einladung kam nicht von Max, sondern von Charlie Whiting. Die Einladung enthielt nur die Aussage, dass es um die zukünftigen Motorenregeln geht, es war aber keine Agenda dabei und wir hatten auch keine weiteren Informationen, was besprochen werden soll. Wir haben darum gebeten, dass wir eine Agenda bekommen, damit wir Gelegenheit haben, uns zu dem Thema, das besprochen werden soll, eine Meinung zu bilden."

"Die Einladung kam nicht von Max, sondern von Charlie Whiting." Mario Theissen

Frage: "Wie hat Charlie Whiting darauf reagiert?"
Theissen: "Er hat Verständnis."

Frage: "Wer war ursprünglich eingeladen, die Motorenkonstrukteure oder die Teamchefs?"
Theissen: "Die Motorentechniker."

Frage: "Stimmt es, dass überlegt wurde, die Aufhebung der Motorenhomologierung von 2013 um zwei Jahre nach vorne zu verlegen?"
Theissen: "Ich habe das gehört, aber nur als Gerücht. Die Einladung an die Motorentechniker hat nur besagt, dass es um das zukünftige Motorenreglement gehen soll."

Frage: "Würde BMW ein Vorziehen begrüßen?"
Theissen: "Wenn wir um zwei Jahre vorziehen, dann steigen in den nächsten zwei oder drei Jahren die Kosten. Außerdem haben wir gerade unsere Motorenabteilung reduziert."

Frage: "Was ist mit diesen Mitarbeitern passiert?"
Theissen: "Die arbeiten jetzt in der Serienproduktion. Sollten wir sie wieder brauchen, können wir sie ausleihen, aber das sollte nicht jeden Monat passieren..."

Meeting: Mosley war kein Absagegrund

Frage: "Es gibt Gerüchte, dass einige Leute nicht zu dem Meeting gehen wollten, um nicht Max Mosley begegnen zu müssen. Hat das eine Rolle gespielt?"
Theissen: "Der Hauptgrund war, dass wir zu einem Meeting gehen wollen, dessen Thema wir kennen, damit wir uns auf dieses Thema vorbereiten können. Wenn man nur eine Einladung hat, führt das nicht zu einem effizienten Meeting, denn wenn nur eine Seite weiß, worum es geht, dann muss die andere Seite zu diskutieren beginnen, bevor sie überhaupt darüber nachdenken konnte. Das ist keine gute Vorgehensweise."

Frage: "Aber hat die Mosley-Sache auch eine Rolle gespielt?"
Theissen: "Nicht für mich, denn die Einladung war nicht an mich gerichtet, sondern an die Motorentechniker. Und die haben sich gefragt, was sie dort besprechen werden."

"Die Einladung war nicht an mich gerichtet, sondern an die Motorentechniker." Mario Theissen

Frage: "Vor dem geplanten Meeting gab es zwei andere Meetings. Einmal waren vier Teams dabei, einmal sechs Teams. Ist es richtig, dass die Hersteller erst einmal Ziele definieren wollen, die das Motorenreglement erfüllen soll, um erst dann die Regeln selbst auszuarbeiten?"
Theissen: "Nein, nicht wirklich. In beiden Meetings ging es darum, wo wir in Sachen Motorenreglement stehen. Dabei hielten wir fest, dass wir uns ja bereits seit Januar über die weitere Vorgehensweise einig sind."

"Es war ein Vorschlag der Hersteller, die Homologierung nicht auf zehn, sondern auf fünf Jahre festzusetzen. Wir haben uns nun auf eine Vorgehensweise geeinigt, die verhindert, dass wir den neuen Motoren zu früh zu viel Zeit widmen. Also haben wir Anfang des Jahres gesagt, dass die FIA mit der Definition des neuen Motorenkonzepts nicht vor 2010 daherkommen soll, damit niemand schon in den kommenden beiden Jahren eine Menge Geld verschwenden kann. Das wird gemeinhin als vernünftig betrachtet. Aber bevor wir wieder diskutieren, wollen wir wissen, um welches Thema es geht."

Frage: "Wann wird das verschobene Meeting nun stattfinden?"
Theissen: "Wir warten auf eine Einladung von Charlie Whiting, aber bis jetzt ist noch keine gekommen."

Frage: "Würde Ihr Motorentechniker zum Beispiel extra deswegen zum Grand Prix von Kanada fliegen?"
Theissen: "Nein, nicht deswegen. Ich denke, wir sollten dieses Meeting in Europa abhalten."