Theissen: Der Dirigent im BMW Orchester
Mario Theissen im Porträt: Wie sich der Frühaufsteher körperlich in Schuss hält und warum er gleich von drei Büros aus arbeitet
(Motorsport-Total.com/sid) - Freundlich, präzise, verbindlich - so kannten die Formel-1-Fans bisher BMW Motorsport Direktor Mario Theissen. Seit der ersten Pole-Position des BMW Sauber F1 Teams beim letzten Formel-1-Rennen in Bahrain wissen sie, dass "MT" auch mal richtig emotional werden kann. Doch es ist in erster Linie sein Drang nach Perfektion, mit dem der 55-Jährige die Münchner bereits zu Beginn der dritten Saison mit einem eigenen Formel-1-Team erstmals an die Spitze der Konstrukteurswertung und in Reichweite des ersehnten ersten Sieges geführt hat - und das sogar früher, als es in seinem eigenen Zeitplan vorgesehen war.

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Der Deutsche Mario Theissen ist seit 2003 alleiniger BMW Motorsport Direktor
Um sein Team dorthin zu bringen, hat Theissen vor allem seinen eigenen Tagesablauf straff organisiert. Schließlich hat er gleich drei Arbeitsplätze: ein Büro in München, eins in der Fabrik in Hinwil in der Schweiz und eins im chic gestylten Motorhome an der Rennstrecke - mit jeweils perfekt aufgeräumten Schreibtischen. "Ich bin ein Leer-Tisch-Täter", sagte Theissen dazu zuletzt in einem 'BamS'-Interview und erklärte den Papierschredder zu seinem Lieblingsutensil, mit dem er erledigte Vorgänge abschließt.#w1#
Drei Tage in München, zwei in Hinwil
In normalen Wochen verbringt Theissen drei Tage in München und zwei in Hinwil; an Rennwochen, wie jetzt beim Großen Preis von Spanien in Barcelona ist er vier Tage an der Rennstrecke. Die rund 320 Kilometer von München nach Hinwil schafft er in seinem silbernen BMW 650i in drei Stunden - und hält sich dabei an die Verkehrsvorschriften. Geblitzt worden ist er auch von den strengen Schweizern noch nie.
"Ich halte meine Augen aber auch immer rechts und links offen", verrät Theissen, für den PS schon seit seinem Maschinenbaustudium von 1971 bis 1977 und seiner späteren Promotion zum Thema "Untersuchung zum Restgaseinfluss auf den Teilbetrieb des Ottomotors" Teil seines Lebens waren.
Die Faszination für Autos hatte ihn schon früh gepackt: "Ich habe die Mopedphase übersprungen und bin schon im Alter von 13 Jahren ins Auto gestiegen. Da habe ich auf dem elterlichen Grundstück mit einem relativ niedertourigen Fiat 500 das Gelände durchmessen", sagt er. "Den habe ich mit 13 Jahren für 100 Mark gekauft und mit 18 Jahren für 20 Mark verkauft." Vor fast 30 Jahren fing er dann bei BMW in der Motorvorentwicklung an und ist dem Unternehmen bis heute treu geblieben.
Seit 1999 ist er bei BMW Motorsport Direktor, zunächst gleichberechtigt mit dem früheren Formel-1-Piloten Gerhard Berger, seit Oktober 2003 alleine. Und der Aufbau des eigenen Formel-1-Teams der Münchner seit der Übernahme der Schweizer Sauber-Teams zum 1. Januar 2006 ist so etwas wie sein Baby, das in Rekordtempo erwachsen geworden ist.
Zu Hause in der Eifel ist es am schönsten

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Aus drei mach zwei: Burkhard Göschel, Gerhard Berger und Mario Theissen Zoom
Entspannen kann der überzeugte Schnauzbartträger neben der zwangsläufig raren Zeit bei der Familie am besten beim völligen Gegensatz zum PS-Zirkus: "In der Natur, wo es ruhig ist", meint Theissen, der in Monschau in der Eifel groß geworden ist, wo "die Menschen rau, aber herzlich, zäh und standfest, eher wortkarg und geradlinig" sind.
Um den Stress körperlich zu verkraften, treibt der Frühaufsteher ("Ich brauche keinen Wecker!") intensiv Sport: "Montags, mittwochs und freitags jogge ich am Morgen vor der Arbeit vier Kilometer. Dienstags und donnerstags gehe ich eine Stunde ins BMW Fitnessstudio. Samstag ist mein Urlaubstag und sonntags laufe ich dann 15 Kilometer", beschreibt er sein Trainingspensum, das ihm immerhin eine beachtliche Marathonbestzeit von 3:39.11 Stunden eingebracht hat.
Dass er vielleicht nicht so viel "Benzingeruch" wie sein früherer Partner Berger mitgebracht hat, ist kein Nachteil. Theissen, den das Schaffen von Leonardo da Vinci beeindruckt, sieht sich weniger als Racer, sondern eher als Architekt und Dirigent: "Das Team ist wie ein Orchester", sagt er. "Man erzielt nur dann sein Wunschergebnis, wenn jeder Handgriff sitzt, zur richtigen Zeit kommt und alle wissen, was abläuft."

