• 31.12.2014 08:47

  • von Gary Anderson (Haymarket)

Technikexperte Anderson: Genervt von endlosem Lamentieren

Der Technikguru blickt auf die Formel-1-Saison 2014 zurück: Warum die frühe Mercedes-Dominanz nicht das war, was ihn am Team wirklich beeindruckt hat

(Motorsport-Total.com) - Jeder spricht darüber, wie beeindruckend es war, dass Mercedes zu Beginn der Saison 2014 so weit vorne war. Ich nicht. Zu Anfang hat Mercedes davon profitiert, dass die meisten anderen Teams es einfach vermasselt haben. Was mich wirklich beeindruckt hat: Dass Mercedes am Ende der Saison immer noch komfortabel vorne lag und sogar weggezogen ist. Ein Beispiel: In Australien war Daniel Ricciardo im Red Bull der beste nicht-Mercedes-Pilot im Qualifying, 0,3 Prozent dahinter.

Titel-Bild zur News: Paul Hembery, Niki Lauda, Bernie Ecclestone

Für den Geschmack Gary Andersons wird in der Formel 1 zu viel debattiert Zoom

Am Ende des Jahres in Abu Dhabi qualifizierte sich Valtteri Bottas im Williams als Dritter fast 0,4 Prozent dahinter. Wir hören immer wieder Gerüchte über den großen Schritt, den der Mercedes-Antrieb nächstes Jahr machen wird. Das und die Tatsache, dass Mercedes erhebliche aerodynamischen Verbesserungen während der Saison 2014 machte, würden mich wirklich beängstigen, wenn ich Red Bull oder Ferrari leiten würde. Es ist schnell übersehen, was für einen guten Job Mercedes 2014 gemacht hat.

Die Grundlagen, die zu dieser Dominanz in diesem Jahr geführt haben, wurden vor langer Zeit von Ross Brawn geschaffen. Als er sehr angesehenes technisches Personal wie Bob Bell, Aldo Costa und Geoff Willis rekrutiert hat, haben sich die Leute gewundert, ob es ein Fall von zu vielen Köchen sei. Aber die Struktur war richtig. Mit dem Fokus darauf, das Team in eine aussichtsreiche Position für die neuen Regularien zu bekommen, wurden große Mühen in das diesjährige Auto gesteckt.

Spritverbrauch und Umgang mit Reifen pro Hamilton

Mercedes ist ein Team, das vor ein paar Jahren noch leistungsschwach war. Obwohl große Investitionen getätigt wurden, kann Geld nicht automatisch Erfolg garantieren. Mercedes verdient Anerkennung für den Job, den sie gemacht haben. In der Tat gab es nichts, das Ferrari oder Red Bull davon abgehalten hätte, das Gleiche zu tun. In den drei Rennen, die Mercedes nicht gewonnen hat, war der Grund für die Niederlage nicht, dass die silbernen Autos geschlagen wurden. Vielmehr, dass etwas schiefging.

Lewis Hamilton

Lewis Hamilton ist in den Augen Andersons der verdiente Champion 2014 Zoom

Jedes Mal war Daniel Ricciardo der Nutznießer. In Kanada war es ein ERS-Problem an beiden Autos, in Ungarn war der Grund eine Kombination aus dem Safety-Car-Timing und Lewis Hamiltons Motorproblem im Qualifying, in Belgien die Kollision der Teamkollegen. Aber man braucht nur zwei Autos, um für ein Rennen zu sorgen. Hamilton und Rosberg haben uns das ganze Jahr über unterhalten. Es ist richtig, dass Hamilton gewonnen hat, weil er vor allem in den letzten Rennen der Saison der schnellere Fahrer unter Rennbedingungen war. Aber Rosberg hat bis zum Ende mitgehalten.

Es hatte immer den Anschein, dass Hamilton die Dinge mehr unter Kontrolle hatte. Ich habe sie mir regelmäßig neben der Strecke angesehen und während Rosberg das Auto oft hetzte, ließ Hamilton den Mercedes die ganze Arbeit machen. Es schien, als hätte Hamilton ein wirkliches Verständnis dafür, was das Auto kann, wie viel Grip es hatte, wohingegen Rosberg sich langsam herantastete. Möglicherweise war das ein Vorteil für Rosberg im Qualifying, es erlaubte ihm die Reifen schneller auf Temperatur zu bringen, was aber Hamiltons Vorteil im Rennen war.


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Williams dank Symonds und Smedley wieder vorne

Er war nicht nur schneller über die Longruns, es gab ihm auch einen kleinen Vorteil beim Spritverbrauch. Angesichts der Überlegenheit von Mercedes mussten die anderen das Beste daraus machen. Ricciardo war der Star, nicht nur wegen seiner drei Siege. Er übertraf Sebastian Vettel über die gesamte Saison und hat einen Fahrstil, der mit diesen Autos sehr gut funktionierte - in der Lage, viel Tempo in die Kurve mitzunehmen, die Reifen nicht zu sehr belastend.

Williams hätte wenigstens einen der verpassten Mercedes-Siege holen sollen, aber während man öfter als Red Bull das beste nicht-Mercedes-Team war, hat es in den richtigen Rennen nicht geklappt. Dennoch war die Wandlung unter Pat Symonds und mit Rob Smedley, der im April zum Team kam, vom vergangenen Jahr bemerkenswert. Wenn man sich die Entwicklung ansieht, arbeitete das ganze Team effizienter.

Valtteri Bottas

Das Williams-Comeback hat Anderson wie so viele Beobachter begeistert Zoom

Die wirklichen Enttäuschungen waren Ferrari und McLaren. Weit entfernt davon, sich zu bessern, scheint es, als würde Ferrari rückwärts marschieren. Die politischen Diskussionen abseits der Strecke erinnerten mich an die Tage vor 25 Jahren, als die Teamchefs alle fünf Minuten gewechselt wurden. Es hat den Anschein, dass während Mercedes einen neuen Antrieb aus dem Nichts gebaut hat, Ferrari mit einer 6-Zylinder-Version des alten V8 begonnen hat und das ERS-Paket dazugepackt hätte.

Keine Schelte wegen des Motorensound

McLaren hatte den Mercedes-Antrieb, aber machte nichts daraus. Wir haben am Ende der Saison den neuen Frontflügel gesehen, der getestet wurde - produziert von Peter Prodromou, von Red Bull rekrutiert, und diese Philosophie - Abtrieb zugunsten von Konstanz zu reduzieren - zeigt eines der Probleme mit McLarens früherer Arbeitsweise. Mein altes Team, Force India, hat einen guten Job zu Beginn der Saison gemacht und hätte fast McLaren geschlagen. Es braucht aber eine stärkere Entwicklung zur Mitte der Saison, um das Momentum aufrecht zu halten. Force India hat gezeigt, dass man nicht unbedingt ein großes Budget braucht um gute Resultate einzufahren.

Alain Prost Ayrton Senna Estoril 1988 McLaren Honda

Wie in den guten alten Zeiten: Schafft McLaren mit Honda die Rückkehr? Zoom

Es gab in diesem Jahr viel Gerede über den Sound der Motoren und die Qualität der Rennen. Es in diesem Jahr einige gute, obwohl es schade ist, ein so dominantes Team zu haben. Der Sound ist etwas, dass man ansprechen hätte müssen als die Regeln geschrieben wurden. Also ist es ein bisschen spät, um nun etwas zu unternehmen. Aber grundsätzlich hatten die Autos gut Leistung, weniger Abtrieb auf der Hinterachse und man konnte sehen, wie die Fahrer härter auf der Strecke zu schuften hatten.

Alles was abseits der Strecke passierte, war schlecht. Die Politik der Formel 1 hat mich immer frustriert, aber in diesem Jahr haben die Verantwortlichen es auf ein neues Level gebracht. Probleme wie die finanziellen Schwierigkeiten mancher Teams, wurden wahrgenommen und darüber wurde endlos diskutiert. Aber was wurde gemacht? Nichts. Ich habe Wege vorgeschlagen, dass Kosten gesenkt werden - Maßnahmen, die auf einfache Weise umgesetzt werden könnten, aber jeder ist zu beschäftigt damit, darüber zu lamentieren, dass man etwas tun müsse.


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Wer findet den "Magic Button"?

Man könnte meinen, dass der Abgang von Marussia und Caterham ein Weckruf war, aber so lange ich in die Formel 1 involviert bin, so lange hatten die Teams Probleme, sich über alles einig zu sein. Und wenn man sich auf Änderungen verständigt - so wie die Regeln bezüglich der diesjährigen Nasen - kommen damit nur noch neue Probleme auf.

Max Chilton

Das vorläufige Aus für Marussia und Caterham war offenbar kein Weckruf Zoom

Nächstes Jahr - außer Mercedes vermasselt es übelst - kann ich niemand anderen erkennen, der in der Lage wäre, die Weltmeisterschaft zu gewinnen. Aber es gibt eine Chance für den Rest aufzuholen. Mit der Rückkehr von Honda haben wir einen vierten Antriebshersteller - werden sie den magischen Knopf finden und Mercedes herausfordern? So sehen die Dinge aus, aber es würde mir nichts ausmachen, ein paar mehr Autos in der Startaufstellung zu sehen. 18 sind etwas spartanisch. Die Frage ist, ob die Formel 1 die richtigen Dinge abseits der Rennstrecke unternimmt, um den bestmögliche Sport an Sonntagnachmittagen zu zeigen.