• 07.10.2014 15:27

  • von Craig Scarborough (Haymarket)

Technik-Clous aus Suzuka: Mercedes noch schneller

Mercedes war in Suzuka noch stärker als in den zurückliegenden Rennen: Craig Scarborough enthüllt Updates, die den Silberpfeilen einen Vorteil beschert haben

(Motorsport-Total.com) - Das Wochenende von Suzuka stand im Zeichen von Transferverkündungen, Wettermeldungen und nicht zuletzt einem schwarzen Sonntag für die Formel 1. Fast unbemerkt blieb, dass das Japan-Wochenende den Teams zur Einführung ihrer spätsaisonalen Technikupdates diente. Obwohl Mercedes die Konstrukteurs-WM bereits so gut wie sicher und Daniel Ricciardo in der Fahrerwertung kaum noch Mitspracherecht hat, reiste das Team mit weitreichenden Verbesserungen der Aerodynamik in Japan an.

Titel-Bild zur News: Nico Rosberg

Nico Rosberg bekam von seiner Mannschaft neue Teile spendiert Zoom

So führte man neue Seitenkästen, einen neuen Unterboden sowie weitere kleine Details ein. Seitenkasten und Unterboden gingen dabei Hand in Hand. Das etwas schmalere Cola-Flaschen-Heck hat einen besseren Luftstrom hin zum überarbeiteten Diffusor bereitgestellt. Ein Feature des W05 war über die ganze Saison hinweg der U-förmige Auslass in der Mitte des Diffusors. Der hat einerseits einen Effekt auf die Aerodynamik und lässt andererseits besseren Zugang zum Außenstarter zu.

Der Anschluss zum Starten muss in diesem Jahr geschlossen sein, und viele Teams fanden heraus, dass eine Klapplösung den Luftstrom stört. Indem man diesen U-Form-Bereich entfernt, kann der Diffusor mehr für die Erzeugung von Anpressdruck genutzt werden, was durch den verbesserten Luftstrom von den Seitenkästen noch unterstützt wird. Gleichzeitig geht aber auch etwas Aero-Stabilität, die von der U-Form herrührt, verloren, sodass das Handling des Autos etwas sensibler wird.

Mercedes: Detailarbeit am Luftstrom

Da der mittlere Teil des Diffusors nun aggressiver ist, hat das Team eine Reihe winziger Verwirbelungsgeneratoren unter dem Diffusor angebracht. Diese halten den Luftstrom, der von der Planke und vom Unterboden kommt, zusammen, wenn er sich im Diffusor ausbreitet. Etwas höher ist auch die Detailverarbeitung rund um die untere Seitenkasten-Kante neu. Es ist der dritte Karosserie-Schritt in diesem Bereich. Was früher ein vertikaler Seitenkastenflügel war, der sowohl von einem kleinen als auch großen Barge-Board unterstützt wurde, ist nun ein vertikaler Flügel.

Der ist nur noch mit einem einzigen Barge-Board verbunden. Die Freilegung dieses axtförmigen Teils des Unterbodens hat es dem Team erlaubt, einen eine Flügelklappe über dem Streifen im Unterboden zu montieren. Der gekräuselte Abschnitt der Kante wird genutzt, um den Luftstrom über den T-förmigen Splitter wieder entlang der Kante zu führen.


Fotostrecke: GP Japan, Highlights 2014

Das wirkt als Abdichtung für den Unterboden und verstärkt den Luftstrom zum Diffusor. Die Flügelklappe unterstützt die Wirbel. Ein winziges Detail am W05 war der Einbau kleiner Schlitze an den r-förmigen Planken des Frontflügels. Obwohl unauffällig, trägt es zum komplexen Strömungsmechanismus an den Flanken des Autos bei - beginnend beim Frontflügel mit dem Ziel, die Harmonie in Richtung Diffusor zu verbessern.

Toro Rosso: Große Nasenkorrektur

Toro Rosso hatte nach bestandenen Crashtests endlich seine neue Nase. Mit einem im Verlauf des Jahres größtenteils überarbeiteten STR9 - darunter auch eine in ihren Konturen veränderte Nase zu Saisonbeginn - kommt es überraschend, dass noch einmal so viel in das Design investiert wurde. Für Suzuka hatte das Auto eine Nase ähnlich zu dem Design, welches über große Teile der Saison verwendet wurde, aber mit von Red Bull inspirierten Details wie einen Kiel an der Spitze und einem S-Schacht, der den Luftstrom um das Chassis führen soll.

Auch wenn die Sache in Faenza entwickelt wurde, ist die Ähnlichkeit zu Red Bull erstaunlich. Der "Finger" an der Spitze ist jetzt sehr dünn. Der vorgeschriebene Abschnitt, der 9000 Millimeter dick sein muss, ist einfach ein Kiel, der wie ein Gehäuse funktioniert (so beschreibt es Adrian Newey). In diesem Bereich, der für die Crashtests so wichtig ist, liegt es nahe, dass die Verspätung genau darauf zurückzuführen ist. Auch ähnlich zum RB10 ist, dass der Kiel an der Vorderseite geöffnet ist.

Eigentlich soll das der Kühlung des Piloten dienen und ist in der Regel als eine ovalförmige Öffnung. Bei Toro Rosso und Red Bull fungiert es, um den Druckaufbau an der Nasenspitze zu unterstützen. Die Luft strömt einfach in die Nase und im Cockpit wieder heraus. Nicht sofort sichtbar ist der S-Schacht, der seit vielen Jahren bei Red Bull an Bord ist. Ein nach vorne gerichteter Schlitz unter der Nase strömt einen Schacht an, der den Luftstrom aus einem nach hinten gerichteten Schlitz über die Nase leitet.

In diesem Jahr war die Lösung kein Teil des STR9-Konzeptes. Die Einführung fiel aber leicht, weil der obere Teil des Chassis schon mit einem ausgekehlten Abschnitt gestaltet war, um den Schacht dort enden zu lassen. Die neue Nase ist mit einem Frontflügel verbunden, der erstmals in Spielberg zum Einsatz kam. Er hat mehr Schlitze im Hauptsegment und breitere, stufenförmige Zusatzflügelchen. Am Heck gab es eine neue Version des so genannten "Monkey Seat". Das Flügelchen mit zwei Elementen ist kleiner und wurde über dem Auspuffende montiert.

Jean-Eric Vergne

Bei Toro Rosso bediente man sich fleißig beim Schwesterteam Zoom

In eine Art Dreiecksform gegossen wurde das verkleinerte Heckklappen-Element. Es sitzt jetzt auf dem größeren Teil, hat kleinere Verbindungen und keine Endplatte mehr. Es dient dazu, die Abluftfahne aufzufangen und unterstützt den Aufwind unter dem Heckflügel, um den Luftstrom dort weniger zu stören.

Ferrari: Red Bull Vorbild beim Frontflügel

Abgesehen von Tests aerodynamischer Teile und der alten Frontflügel-Befestigung mit zwei Streben, hat Ferrari im Freien Training auch einen ganz neuen Frontflügel ausprobiert. Nur eine Version des neuen Designs war zu sehen, aber die ist deutlich an Red Bull angelehnt - wegen einer Einstellvorrichtung für eine Klappe, die in einem tränenförmigen Gehäuse über dem Flügel sitzt. Der Flügel verfügt auch über eine hängende Kante. Eventuell, um den Strom in Richtung der vorderen Bremsschächte zu verstärken.

Williams: FW36 hat ein Blasenproblem

Obwohl Williams ein großes Aerodynamik-Paket angekündigt hatte, wurde nicht klar, was genau unternommen wurde. Auffällig war ein verschlanktes Heck des FW36. Die Seitenkästen wurden tiefer gelegt und umschließen die mechanischen Teile enger. Das funktioniert wie Einschweißen und zwar so gut, dass es eine kleine Blase braucht, um Platz für die Befestigung des Motors und des Getriebes zu schaffen.

Ähnliches war im Jahresverlauf schon bei Mercedes zu sehen und war für viele Teams problematisch. Der vordere Teil des Motors und die hinteren Befestigungspunkte sind jetzt Teil des Regelwerks und nicht den Designern überlassen. Der hoch angesetzte Punkt ist vielen Teams ein Dorn im Auge.

McLaren: Honda lässt grüßen

Weil die Konzentration auf dem 2015er Projekt mit dem neuen Honda-Antrieb liegt, rückte der MP4-29 mit einem überarbeiteten Diffusor und aus Singapur bekannten Bremsschächten aus.

Force India: Nur Details verändert

Genau wie bei McLaren fuhr Force India seinen Singapur-Frontflügel mit neu gestalteten Endplatten und setzte auf überarbeitete hintere Bremsschächte sowie einen neuen Diffusor.

Sauber: Der Haifisch darf endlich schwimmen

Wegen der Hitze war es Sauber nicht möglich, das verschlankte Heck in Singapur zu testen. In Japan wurde das Projekt jedoch erneut aufgenommen. Die gewohnte, etwas knollenförmige Motorabdeckung mit ihrer Belüftungsmöglichkeit wurde durch ein schlankeres Design mit gut sichtbaren Haifisch-Flossen auf der Rückseite ersetzt.

Caterham: Endlich mehr Abtrieb

Nach einer turbulenten Woche war das Team in der Lage, seine lange erwarteten neuen Frontflügel im Freien Training an die Autos zu schrauben. Der Flügel hat ein komplett neues Design und in Sachen Geometrie nichts mit dem gewohnten Doppelflügel gemein. Verbunden mit dem neuen "Tannenzapfen" formt zeigt sich ein Design mit vier Elementen. Dabei beginnt die auf den Heckflügel ausgerichtete Formgebung direkt an der Verbindung mit der neutralen Flügelmitte. Nur der hinterste Abschnitt ist im Winkel verstellbar, um noch feinere Abstimmung zu ermöglichen.

Sowohl die hintere Flügelklappe als auch eine der mittleren Klappen sind geteilt, um sechs Elemente an der klarer akzentuierten Flügelspitze zu formen. Der Hauptteil des Frontflügels ist mit überarbeiteten Zusatzflügelchen verbunden. Ein weitläufig gekrümmtes Drei-Elemente-Design mit einem weiter gewundenen Segment sitzen darüber. Der Flügel behält das alte Konzept mit r-förmigen Platten innerhalb des kleinen Flügelwerks und weiteren Platten dahinter bei. Fraglos bringt das neue Design mehr Abtrieb, aber auch einen anderen Aufbau des Luftstroms entlang der Autoflanken. Das unterstützt die Aufbauten, die in Spa-Francorchamps erstmals zu sehen waren.

Vorbereitungen auf 2015

Große Teile des Freien Trainings wurden darauf verwendet, Aerodynamik-Datenmaterial für 2015 zu sammeln. Es wird in der kommenden Saison wenige große Änderungen geben. Nur das Nasen-Reglement wird überarbeitet, um die hässlichen Spitzenloszuwerden. Andererseits wird die größte Veränderung darin bestehen, dass die Antriebslieferanten ihr Layout verändern - mit dem Input, den ihnen die Teams in diesem Jahr gegeben haben. Viele Mannschaften brachten Aero-Sensoren und Fühler an ihren Autos an, um Daten für ihre ihre Aerodynamik- und Entwicklungsabteilungen zu sammeln. Diese sollen sie dafür verwenden, frühe Versionen des 2015er Chassis zu testen.

Fernando Alonso

2015 wird alles besser? Ferrari gehörte zu den aktiven Datensammlern Zoom

Eine interessante Lösung präsentierte Ferrari. Bei der Scuderia wurde das Auto nicht nur am Heckflügel mit Pitotrohren zur Messung der Strömungsgeschwindigkeit ausgestattet, sondern auch unter dem mittleren Teil des Frontflügels. Das ist wichtig, weil die Regeln es im kommenden Jahr sehr viel deutlicher vorschreiben, dass die Nase tief über dem Frontflügel sitzen muss. Ursache ist, dass längere und größere Nasenspitzen gefordert sein werden. Eine Analyse des Luftstroms über die Frontflügel-Mitte könnte bedeuten, dass es aerodynamische Vorteil haben könnte, die Nase über dem Frontflügel zu gestalten.