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  • 27.07.2014 08:00

  • von Craig Scarborough (Haymarket)

Technik-Clous aus Budapest: Updates vor der Sommerpause

Ein detaillierter Blick auf die neuesten Upgrades der Teams vor dem letzten Rennen, bevor die Formel-1-Sommerpause Einzug hält

(Motorsport-Total.com) - Der Williams FW36 war an den drei zurückliegenden Rennwocheneden "Best of the Rest". Weil das Team den Hungaroring aber als schwierige Strecke für sich selbst einstuft, wurden für dieses Wochenende spezielle Updates ans Auto geschraubt. Dazu gehören ein Zusatzflügel auf dem Überrollbügel und ein veränderter Heckflügel sowie erneut die Finne am Heck, die schon beim Grand Prix von Deutschland am vergangenen Wochenende zum Einsatz kam.

Titel-Bild zur News: Williams FW36

Williams setzt in Ungarn auf Zusatzflügel hinter dem Fahrer und Finne am Heck Zoom

Seit 2009 darf die Verkleidung am Heck laut Reglement nicht mehr mit Finnen oder Flügeln versehen werden. Ein paar Schlupflöcher im Regelwerk gibt es aber noch. Williams war clever genug, die meisten dieser Schlupflöcher zu nutzen. So macht sich der neue, direkt hinter dem Überrollbügel platzierte, Zusatzflügel die maximale Breite in diesem Bereich zunutze. Erst hinter dem neuen Flügel muss das Bodywork einfach gehalten werden.

Der kleine Zusatzflügel könnte ein Bauteil sein, das direkt für zusätzlichen Abtrieb sorgt. In der Vergangenheit wurde derartige Zusatzflügel aber auch dafür genutzt, um den Luftstrom gezielt zu leiten. In seinem solchen Fall wird die Krümmung des Flügels genutzt, um einen dem Heckflügel zuträglichen Luftstrom zu generieren. Der Heckflügel ist ebenfalls neu. Es handelt sich um einen leicht angeschrägten Flügel für viel Abtrieb, der ohne das zentrale V-Element auskommt, das beim gewohnten Williams-Heckflügel zu erkennen ist.

Dem Thema Kühlung kommt auf dem Hungaroring eine wesentliche Bedeutung zu. Aus diesem Grund sind die Kühlöffnungen im Bereich des Überrollbügels und an den Seitenkästen so groß wie möglich. Gleiches gilt für die Schlitze in der Finne, die bereits beim Deutschland-Grand-Prix zu sehen war. Diese Finne weist nun auf jeder Seite 18 Öffnungen auf. Auch für dieses Bauteil gilt, dass es sich gerade außerhalb des vom Reglement verbotenen Bereichs für Anbauteile befindet. Durch die Öffnungen wird der direkt unter dem Bodywork sitzende Turbomotor besser gekühlt.


Fotos: Großer Preis von Ungarn


Mercedes

Dank des Vorsprungs, den Mercedes auf die Konkurrenz hat, lag der Fokus im Lager der Silberpfeile zuletzt darauf, das eigene Auto zu verstehen, anstatt neue Teile einzuführen. So war das Auto sowohl beim Silverstone-Test als auch im Freien Training auf dem Hungaroring mit zusätzlichen Sensoren bestückt. Zudem führte man Analysen mit Flow-Viz-Farbe durch.

Es gibt zwar keine neue Spezifikation eines Unterbodens, aber neue Unterboden-Exemplare wurden produziert. Die ersten Trainingsrunden wurden mit dem alten Unterboden gedreht. Dabei waren jede Menge Drucksensoren verbaut, um den Luftstrom zu verstehen. Zusammen mit reichlich - auf der Unterseite des Frontflügels aufgetragener - Aero-Farbe, brachte dies dem Team ein besseres Verständnis davon, wie die Aerodynamik des Autos funktioniert.

Lewis Hamilton

Am Mercedes sind die vorderen Bremsbelüftungen unterschiedlich gestaltet Zoom

Wenngleich es keine ins Auge stechenden neuen Teile gibt, so bediente sich Mercedes eines cleveren Tricks an den Bremsbelüftungen. Die linke und rechte vordere Bremsbelüftung sind jeweils unterschiedlich gestaltet. Weil der linke Vorderreifen nirgendwo so stark belastet wird wie in Ungarn, legen die Teams hier besonderen Wert auf das Schonen dieses Reifens. Es ist entscheidend, die Temperatur niedrig zu halten.

Mercedes hat sich deshalb für eine weitere Öffnung der linken Bremsbelüftung entschieden, um so mehr kühle Luft durch das Rad zu leiten. Zwar kühlt der zusätzliche Luftstrom nicht die Bremsen an sich, doch er verhindert, dass die Bremsen die Felge und somit den Reifen aufheizen.

Sauber

Sauber hat für den Hungaroring den Monkey-Seat am Heck wieder ausgepackt. Dieser zweiteilige Zusatzflügel ist an den Befestigungen des Heckflügels angebracht. Weil der Monkey-Seat teilweise vom zentralen Auspuffendrohr angeblasen wird, entsteht an dieser Stelle ein Aufwind. Das bedeutet, dass der Heckflügel steiler eingestellt werden kann und somit mehr Abtrieb produziert.

Adrian Sutil

Sauber bedient sich auf dem Hungaroring des gleichen Tricks wie Mercedes Zoom

Genau wie Mercedes, greift auch Sauber auf den Trick zurück, die Öffnungen der vorderen Bremsbelüftungen unterschiedlich zu gestalten. Am Sauber verfügen die vorderen Bremsen über eine Reihe von Löchern. So kann von den Bremsscheiben kommende Hitze an der Innenseite der Vorderreifen vorbeigeleitet werden und für ein Aufheizen der Vorderreifen sorgen. Um diesen Effekt zu reduzieren, hat das Team die Hälfte der Löcher abgeklebt. Die Folge ist, dass mehr heiße Luft direkt aus der Felge tritt, anstatt an der Innenseite des Rads vorbeizuziehen.

Lotus

Lotus hat mit seinen neuen Teilen sowohl gute als auch schlechte Erfahrungen gemacht. In Hockenheim wurde das neue Kühlpaket nach den Freien Trainings wieder ausgebaut. Im Rennen waren beide Autos mit der bewährten Kühlanordnung ausgerüstet. Überraschenderweise wurde das neue Kühlpaket auch in Ungarn, trotz der Jahr für Jahr hohen Temperaturen, nicht wieder eingebaut.

Die neue Endplatte des Frontflügels allerdings, die ebenfalls in Hockenheim getestet wurde, findet sich auch in Budapest an den Autos. Die Konfiguration des Frontflügels und der Kaskaden, sprich der Leitflügel, ist somit dieselbe. Im Vergleich zum Stand vor Hockenheim ist nun ein Leitflügel, anstatt wie zuvor zwei, erkennbar. Eine stärker ausgeprägte Wölbung des Leitflügels und ein Spalt auf der Oberseite leitet die Luft bei gleichbleibendem Aufwindeffekt nun besser nach außen.

Romain Grosjean

Bei Lotus hat man die Endplatten des Frontflügels verändert Zoom

Im Inneren der Seitenkästen findet sich ein riesiger Kühler, der den Ladeluftkühler kühlt. Wir sprechen hier von einem kritischen Bereich, denn ein Kühlen der Ladeluft vom Turbo, bevor diese den Motor erreicht, wirkt sich auf die Leistung und auf die Zuverlässigkeit aus. Dies gilt ganz besonders für den Renault-Motor.

Im Gegensatz zum vergleichsweise einfachen Wasserkühler, setzt Lotus beim Ladeluftkühler auf eine komplexe Konstruktion, die über sieben verschiedene Kernstücke verfügt. Für Ungarn hat man das Design dieser Kernstücke offenbar verändert. Es ist eine leicht andersgeartete Anordnung der Kanäle erkennbar. Dass es sich tatsächlich um eine neue Spezifikation handelt, wurde vom Team bisher nicht bestätigt.

McLaren & Force India

McLaren ist für den viel Abtrieb verlangenden Hungaroring an der Hinterradaufhängung zur Variante der doppelten Verkleidungen für die Querlenker zurückgekehrt. Dadurch wird der Abtrieb erhöht, weil ein Teil des durch Verzicht des Beam-Wings verlorengegangenen Aufwindeffekts zurückgewonnen werden kann. Bei den zurückliegenden Rennen, bei denen geringer Luftwiderstand wichtiger war als Abtrieb, war nur eine einfache Verkleidung der hinteren Querlenker zu sehen.

Jenson Button

Bei McLaren kommt wieder die doppelte Verkleidung der Querlenker zum Einsatz Zoom

Force India ist zum Kühlpaket zurückgekehrt wie es vor Hockenheim zum Einsatz kam. Das heißt, der Kühler für ERS und Getriebe befindet sich nun wieder über dem Getriebe und wird durch die Öffnung unterhalb des Überrollbügels versorgt. Das wiederum bedeutet, dass erneut die größere Heckverkleidung zum Einsatz kommt, um die Kühler abdecken zu können.

Diese Variante erzeugt zwar mehr Luftwiderstand, was auf dem langsamen Hungaroring aber kein großer Nachteil ist - vor allem dann nicht, wenn man den Nachteil gegen den Vorteil der besseren Kühlung aufrechnet.

Streckencharakteristik

Der enge und kurvenreiche Streckenverlauf des Hungarorings verlangt ein Setup, das dem eines Stadtkurs-Setups nicht unähnlich ist. Abtrieb ist das A und O, weil sich die Autos die meiste Zeit in Kurvenfahrt befinden. Weil es nur kurze Geraden gibt, kann man schlechte Luftwiderstandswerte gegen bessere Abtriebswerte eintauschen.

Die Folge ist, dass die Teams ihre Konfigurationen für maximalen Abtrieb an die Strecke bringen. Diese wurden zuletzt in Monaco gesichtet. Die größten Flaps und Zusatzflügel haben allesamt den Zweck, in den Kurven aerodynamischen Grip zu erzeugen.

Fernando Alonso

Der Kurs in Ungarn verlangt nicht nur viel Abtrieb, sondern auch gute Kühlung Zoom

Hinzu kommt, dass der Hungaroring eine gute Kühlung verlangt. Dabei sind es nicht allein die hohen Außentemperaturen, sondern es ist auch der Stop-and-Go-Charakter der Strecke, der die Motoren und Bremsen heißer werden lässt. Weil die Durchschnittsgeschwindigkeit niedrig ist, steht Kühlluft nur in begrenztem Maße zur Verfügung.

Was für den Abtrieb gilt, gilt auch für die Kühlöffnungen. Sie können größer gestaltet werden. Der dadurch entstehende Nachteil in puncto Luftwiderstand fällt in Ungarn nicht ins Gewicht. So setzen die Teams sowohl im vorderen wie auch im hinteren Bereich der Seitenkästen auf die größten Öffnungen überhaupt.