• 11.05.2014 11:40

  • von Craig Scarborough (Haymarket)

Technik-Clous aus Barcelona: Entwicklungsrennen zieht an

Mercedes ist es dank einer Reihe technischer Updates gelungen, den Vorsprung sogar noch auszubauen, obwohl auch die Konkurrenz nicht geschlafen hat

(Motorsport-Total.com) - Barcelona war in der Vergangenheit typischerweise ein zentrales Rennen in den Entwicklungsprogrammen der Formel-1-Teams, aber während zahlreiche Updates zu sehen waren, kam es diesmal nicht zum erwarteten Fluss an neuen Teilen. Ungewöhnlicherweise wurde die Strecke bei den Wintertests nicht gefahren, sodass die Teams möglicherweise konservativer an das Grand-Prix-Wochenende herangegangen sind - im Wissen, dass sie nächste Woche bei den offiziellen Testfahrten ohnehin die ungetesteten Komponenten ausprobieren können.

Titel-Bild zur News: Ferrari-Frontflügel

Ferrari brachte unter anderem einen neuen Frontflügel zum Grand Prix von Spanien Zoom

Die Strecke beinhaltet eine breite Bandbreite verschiedener Kurven, eine lange Gerade und eine raue Asphaltoberfläche. Die Mischung aus schnellen Kurven und der groben Fahrbahntextur stellt die größte Herausforderung für die Teams dar, weshalb der Leitsatz gilt: Wenn ein Auto in Barcelona funktioniert, funktioniert es normalerweise überall.

Für eine hohe Geschwindigkeit in diesen Kurven ist eine gute Aerodynamik erforderlich. Außerdem wird der linke Vorderreifen stark belastet, was zu einem hohen Verschleiß führt. Dieses Jahr könnten das höhere Drehmoment der neuen Antriebseinheiten sowie die Temperaturen, die wärmer als erwartet sein werden, zu einem höheren Verschleiß im Rennen führen.

Mercedes:

Mercedes kam mit dem größten Leistungsvorteil und gleichzeitig einem der größten Update-Pakete in Barcelona an. Der F1 W05 Hybrid hat nun einen überarbeiteten Frontflügel und ein neu designtes Seitenkasten-Bodywork. Der Frontflügel (montiert an der kürzeren Nase, die beim letzten Rennen eingeführt wurde) wurde nur dezent verändert. Die Endplatte des Flügels verfügt nun über Luftschlitze, die mit den Luftschlitzen des Flügels selbst parallel verlaufen. Außerdem wurde innen ein neues Luftleitblech eingeführt und das äußere Luftleitblech in der Form verändert.

Weitere dezente Änderungen wurden im Bereich der Seitenkasten-Panels vorgenommen. Dabei scheint es sich jedoch nur um neue Formen zu handeln, die um das gleiche innere Kühlungspaket gewickelt sind. Am auffälligsten sind die kleineren Lufteinlässe sowie der größere Auslass für heiße Luft im hinteren Bereich des Bodyworks. Während das hintere Ende des Seitenkastens bislang einen zentralen Ausgang sowie zwei separate Seitenausgänge hatte, von denen das Heck flankiert wurde, führt das neue Bodywork eben diese zu einem kleineren Ausgang im Heck des Autos zusammen.

Frontflügel des Mercedes F1 W05 Hybrid

Mercedes hat den Frontflügel einigen sehr wirksamen Änderungen unterzogen Zoom

Die Verkleinerung dieser beiden Bereiche sowie ein Schrumpfen des Bodyworks insgesamt rund um das innere mechanische Paket sollten die Effizienz des Autos verbessern und bei mehr Anpressdruck weniger Luftwiderstand bewirken.

Red Bull:

Möglicherweise hätte es mehr neue Teile für den Red Bull gegeben, aber Sebastian Vettels Elektrikproblem am Freitagmorgen machte die Möglichkeit zunichte, diese im Training auszuprobieren. Bei seinem zweiten Versuch im Vormittagstraining versagte die Elektrik seines Fahrzeugs komplett und er blieb auf der Strecke stehen. Dabei handelte es sich eindeutig um einen fundamentalen Defekt. Später wurde von einem Problem mit einem Kabelbaum berichtet.

Obwohl aus vielen Unterbereichen zusammengesetzt, gibt es im Kern des Fahrzeugs einen zentralen Kabelstrang. Diese Kabel verbinden die verschiedenen elektrischen Systeme mit anderen Kabelbäumen. Möglicherweise wurde dieser zentrale Kabelstrang durch das Problem (Hitze?) beschädigt. Auch wenn Vettels Auto rasch an die Box zurückgebracht wurde, war der Schaden am Kabelbaum so groß, dass er am Freitag nicht mehr fahren konnte.

Ein Detail, das dennoch ins Auge stach, waren die neuen Infrarotkameras innerhalb der Rückspiegel. Durch die Reflektionen der Linse konnte ihre Position ausgemacht werden. In Barcelona werden die Vorderreifen in einigen der langgezogenen Kurven stark belastet. Eine genauere Überwachung der Reifentemperaturen hilft dem Team, bei den Longruns das Maximum aus den Reifen herauszuholen.

Sebastian Vettel

Bei Sebastian Vettel gab es im Training am Freitag einen Kurzschluss im System Zoom

Außerdem unterstützen einige Updates für den Antriebsstrang Red Bulls Jagd nach Mercedes. Trotz der eingefrorenen Entwicklung betreffen einige dieser Updates die Hardware, aber die größten Schritte kommen von Software-Seite. Diese sollen eine bessere Fahrbarkeit bringen, wenn nicht sogar mehr Spitzenleistung.

Solche Fortschritte sind möglich, weil die Koordination der Leistungsentfaltung aus dem Verbrennungsmotor und aus den Energierückgewinnungs-Systemen vor allem eine Übung im Bereich der Software-Kennfelder ist. So können ohne physische Veränderungen des Antriebs große Leistungssteigerungen erzielt werden. Diese Updates stehen allen Renault-Teams zur Verfügung.

Ferrari:

Obwohl ein größeres Update erwartet wurde, kam der F14T ohne gravierende Veränderungen daher. Stattdessen fuhren die beiden Ferraris in marginal unterschiedlichen Spezifikationen. Fernando Alonsos Auto war mit jenen angeströmten Achsen ausgestattet, die schon in China gesehen worden waren, ebenso wie mit einem neuen Auspuff und neuen Flügeln. Kimi Räikkönens Auto hatte eine neue Heckflügel-Installation, neue Seitenkästen und eine nicht angeströmte Vorderachse.

Das interessanteste Update war die neue Installation des Heckflügels an Räikkönens Auto. Diese folgt McLarens Konzept einer seitenverkehrten Flügel-Montagesäule in Y-Form. Dies funktioniert sehr effizient, weil der obere Flügel nicht von zwei Montagesäulen beeinträchtigt wird und die Art und Weise, wie sich der untere Bereich um den Auspuff schlängelt, dazu führt, dass heiße Luft aus den Seitenkästen extrahiert wird.

Aber Ferrari ist noch weiter gegangen. Die Säule verläuft vor dem Heckflügel und wendet sich um 180 Grad, um den Flügel von oben zu verstärken. Eine solche Installation wird oftmals als "Schwanenhals" bezeichnet. Das ist gut für die Aerodynamik, weil die obere Fläche des Flügels weniger dadurch beeinträchtigt wird, dass die Säule in den Flügel übergeht.

Ferrari

Bei Ferrari findet man die wichtigste Änderung im Bereich des Heckflügels Zoom

Solche Lösungen waren bis 2011 beliebt. Seither darf der Bereich vor dem Flügel kein Bodywork mehr beinhalten, einschließlich solcher Installationen. Ferraris Design ist legal, weil der Heckflügel ein wenig verkürzt wurde, um die Säule zwischen Flügel und verbotene Zone platzieren zu können.

Ferrari hat auch das Design des Auspuff-Endrohrs marginal verändert und durch ein konisches Design ersetzt. Dabei handelt es sich jedoch um ein reines Leistungs-Update und nicht um ein Megafon-Design, wie es nächste Woche von Mercedes getestet wird.

Alle anderen Updates waren nur Detailänderungen, zum Beispiel die veränderten Ausschnitte des Front- und Heckflügels oder die verschlankten Seitenkästen im Cola-Flaschen-Bereich.

McLaren:

Der MP4-29 sah im Freien Training nicht ungewohnt aus. Während möglicherweise zahlreiche Änderungen unter der Motorhaube stattgefunden haben und nicht zu sehen waren, scheinen die einzigen von außen ersichtlichen Updates die Modifikationen des Frontflügels sowie die hinteren Brems-Lufteinlässe zu betreffen.

Bei der Präsentation des Autos kamen die hinteren Brems-Lufteinlässe mit einem tränenförmigen Profil rund um den oberen Querlenker-Montagepunkt daher. In dieses Profil waren Einlässe eingearbeitet, um die Hinterradbremsen mit Kühlluft zu versorgen. Beim letzten Test wurde diese Lösung durch ein komplexes Leitblech-Setup ersetzt. Nun scheint man das ursprüngliche Konzept mit einer weniger stark ausgeprägten Tränenform oben an der Radaufhängung wieder aufgegriffen zu haben.

Lotus:

Am E22 fielen einige nette Details auf, die beweisen, dass das Team immer noch interessante Ideen entwickelt. Zunächst gibt es da ein kleines neues Winglet über der Heckstruktur, besser bekannt als "Monkey-Seat". Durch die asymmetrischen Flügelträger erfordert das Winglet eine komplexe Installation, um in der korrekten Position wirken zu können.

Lotus E22

Das Lotus-Team wartet immer wieder mit innovativen kleinen Ideen auf Zoom

Weiter vorne am Auto findet man am linken Seitenkasten eine ungewöhnliche Ausbuchtung an der Oberfläche. In diesem Seitenkasten befinden sich der Wasserkühler für den Antrieb und der Turbo-Ladeluftkühler.

Vermutlich soll diese Form einen Extraktions-Effekt für den Kühlauslass neben dem Cockpit bewirken. Die Ausbuchtung sitzt vor diesem Auslass, der Knick verläuft genau daneben. Dadurch entsteht ein Unterdruck-Bereich vor dem Auslass, was dabei helfen könnte, heiße Luft aus den Kühlern zu extrahieren.

Force India:

Begleitend zur veränderten Seitenkasten-Form, die beim China-Grand-Prix eingeführt wurde, hat das Team nun auch am Unterboden Detailänderungen vorgenommen.

Ein interessanter Zwischenfall ereignete sich, als am Freitagmorgen der linke Rückspiegel am Auto von Sergio Perez wegbrach. Im Training beinhaltet der Rückspiegel eine Thermalkamera, ähnlich wie bei Red Bull. Das USB-Kabel, das die Kamera mit dem Logsystem verbindet, hielt das Kameragehäuse solange fest, bis das Auto zurück an der Box war.

Perez konnte allerdings nur noch schwer runterschalten, weil das Gehäuse den Weg zu den Schaltwippen blockierte.

Williams:

Wie viele andere Teams hatte auch Williams Detailänderungen der Seitenkästen parat. Während das Bodywork etwas schmaler daherkam, betrafen die größeren Änderungen den Rückspiegel und das Setup der Luftleitbleche neben dem Cockpit.

Williams-Rückspiegel

Williams hat sich im Bereich des Rückspiegels etwas Neues einfallen lassen Zoom

Williams setzte bei der Montage des Spiegelgehäuses bisher auf eine komplexe Installation mit doppelten Trägern, flankiert von dreieckigen Finnen. Jetzt sind die Spiegel wesentlich konventioneller montiert. Unter dem einfachen Träger befinden sich drei Finnen.

Diese Änderung zielt wohl kaum darauf ab, die Sicht nach hinten zu verbessern, sondern vielmehr darauf, die Verwirbelungen von Rückspiegel und Finnen zu reduzieren.

Toro Rosso:

Es ist offensichtlich, dass der STR9 aktualisiert wurde. Sowohl die Heckflügel-Endplatten als auch der Diffusor darunter sind für Barcelona neu.

Sauber:

Weil das Auto in den ersten Rennen der Saison für beide Fahrer übergewichtig war, lag der Fokus in der Entwicklung auf einer Reduktion des Gewichts.

Esteban Gutierrez

Die Seitenkästen des Sauber werden durch die kleineren Kühler auch schmaler Zoom

Das wurde vor allem durch ein reduziertes Kühlungs-Setup erreicht. Durch kleinere Aluminiumkühler wurde Gewicht verloren. Positiver Nebeneffekt ist, dass die Seitenkästen jetzt schlanker sein können, mit verkleinerten Einlässen und Auslässen.

Die Aerodynamik wurde mit einem veränderten Frontflügel und einem neuen vertikalen Luftleitblech vor den Seitenkästen ebenfalls überarbeitet.

Caterham:

Am Caterham-Chassis gab es nur marginale Detailänderungen, betreffend den Front- und Heckflügel sowie den Unterboden.

Marussia:

Bei der Präsentation folgte der Marussia im Bereich der Nase der Kiel-Lösung von Red Bull. Dadurch entstand eine hohe und konventionelle Nase, wobei die verpflichtend tiefe Spitze durch ein hängendes Gehäuse ganz vorne geschaffen wurde. Das Kielgehäuse war steil abgeschrägt, um bündig mit der oberen Nasenspitze zu sein.

Max Chilton

Die Nase des Marussia passt sich langsam den Nasen der anderen Teams an Zoom

In Barcelona wurde dieses abrupte Design entschärft, indem das Gehäuse viel weiter hinten mit der oberen Nase zusammengeführt wird, um den Luftstrom zu verbessern. Dieses neue Nasendesign entspricht nun schon eher den bekannten "Ameisenbären"-Nasen der anderen Teams, auch wenn die Verkleidung im Gegensatz zu anderen Autos nicht Teil der Crashstruktur ist.